Von Brüssel nach Waterloo

Heute ging eine Szene durch die sozialen Medien, bei der gestern in Brüssel eine junge Frau von einem Polizeipferd umgeritten und schwer verletzt wurde:

Offensichtlich nicht gewalttätige junge Frau wird von einem Polizeipferd von hinten umgeritten: alles nur für ihre Gesundheit

Die Szene ist ab Sekunde 28 auch in diesem längeren Video des belgischen Sportsenders DHSports enthalten, der auch andere Berichte und auch Fotos von verletzten Polizisten auf seiner Website bereithält:

Übersetzung des französischen Tweets:
„Heute in Brüssel viele zehn Polizisten, zu Pferde oder zu Fuß, mit Aufstandsausrüstung + Wasserwerfern, um eine Versammlung im Bois de la Cambre aufzulösen, 1 Frau schwer verletzt durch ein Pferd! Diese ganze Armee ist mobilisiert im Namen der Epidemie“

Und folgende längere Szene von hinter den Polizeilinien habe ich ebenfalls im Netz gefunden:

Deutsche Medienberichte

Die Auseinandersetzungen waren der Tagesschau einen Bericht wert:

Das in den Bericht eingebettete Video zeigt die Szene mit der umgerittenen Frau nicht, aber einige Szenen, die die Gewalt gegen die Polizei dokumentieren.

Die ZEIT betont die Illegalität der Veranstaltung:

berichtet aber im Gegensatz zu anderen Zeitungen nur von 3 verletzten Polizisten (siehe auch belgische Berichte unten).

Einen langen, ziemlich guten und um Objektivität bemühten Artikel hat die Frankfurter Rundschau:

Hier ist auch der Vorfall mit der umgerittenen Frau enthalten.

Belgische Medienberichte

In Le Soir gibt es einen Bericht mit vielen Fotos und Videoausschnitten.

Die Anwesenden sind (gegen 17 Uhr) offensichtlich nicht so betrunken wie in dt. Berichten behauptet und rufen „Freiheit! Freiheit! Freiheit!“

Ein belgischer Medienbericht von Sudinfo ist besonders informativ zu dem Vorfall mit dem Polizeipferd, enthält nicht nur das Video, sondern auch zahlreiche Fotos und eine Zusammenfassung des Polizeiberichts:

Demnach wurden 26 Personen verletzt, davon nur 3 Polizisten. (Über den Zustand der umgerittenen Frau ist nichts bekannt)
6 Polizeifahrzeuge wurden beschädigt, 5 hatten die Scheiben eingeschlagen und die Reifen zerstochen. Mehrere Polizeipferde müssen zum Tierarzt.
Ca. 20 Personen wurden am Donnerstagabend in Gewahrsam genommen, gegen 4 ein Haftbefehl erlassen und eine Person steht bereits am 22 April vor Gericht.

La Libre Belgique berichtete dagegen am Freitag von 23 verletzten Polizisten unter insgesamt 26 Verletzten. Mit 3 bis 23 Polizisten gibt es doch eine erhebliche Bandbreite. Von den verletzten 8 Teilnehmern seien 2 ins Krankenhaus gekommen.
DHNet berichtet, dass nur ein Polizist ins Krankenhaus gekommen sei und dieses bereits wieder verlassen habe. Auch zwei leichtverletzte Teilnehmer seien ins Krankenhaus gekommen.

Über die umgerittene Frau findet man keine spezifischen Berichte.

Der Kanal 7sur7 hat ein Interview mit einer anonymen Organisatorin des Events im Park, das ‚La Boum‘ genannt wird. Sie sagt mehr oder minder, dass es eine Gaudi hätte werden sollen, um aus dem Alltag auszubrechen und die Leute zum Lachen zu bringen. Der Veranstaltungssektor habe seit einem Jahr alles verloren. Sie spricht von einem ‚Boisson d’Avril‘, einem Aprilscherz bzw. einer April-Gaudi, die sie im Park veranstalten wollten.
Im Nachrichtenteil berichtet der Sender von erneut 11 Verhaftungen am Freitag, davon nur eine mit Haftbefehl wegen Schlägen gegen ein Pferd. Kuriosum: zwei Pferde seien reiterlos in ihre Kaserne zurückgekehrt.

Alles in allem kann ich jetzt nicht behaupten, dass belgische Medien besser und umfassender über die Vorfälle im Park berichtet hätten als deutsche Medien, aber sie stellten definitiv mehr Fotos und Videos online, die zeigen, dass die jungen Leute keineswegs so betrunken oder generell gewalttätig waren, wie in manchen Berichten behauptet.

Lage: auf dem Weg nach Waterloo

Der Stadtpark ‚Bois de la Cambre‘ liegt an der Nationalstraße von Brüssel nach Waterloo:

Corona-Lage in Belgien ist jetzt unkritisch

Nicht ganz so schlecht ist die Corona-Lage in Belgien, das anfangs das am schwersten betroffene Land in Europa war. Belgien zählt derzeit weniger „Fälle“, also positive Tests, als Frankreich oder Schweden, aber mehr als Deutschland:

Bei den Corona-Toten sieht es noch besser aus. Belgien liegt etwa auf dem Niveau von Schweden und Deutschland, aber deutlich unter Frankreich:

Und diese relativ entspannte Lage spiegelt sich auch im Sterblichkeitsmonitor Euromomo wieder, der alle Todesfälle unabhängig von der Ursache misst:

In Belgien liegt die Sterblichkeit derzeit auf normalem Niveau, in Deutschland herrschte in den letzten Wochen sogar Untersterblichkeit.

Maßnahmen unrechtmäßig

Die Corona-Maßnahmen in Belgien sind nach einem Gerichtsurteil unrechtmäßig erlassen.
Das bestritt auch die Tagesschau am Tag vor den Auseinandersetzungen nicht:

Die Maßnahmen sind unrechtmäßig, aber was nicht passt, kann und wird noch passend gemacht werden, so die Tagesschau.
Rechtmäßigkeit hin oder her, das Ergebnis steht in jedem Fall fest.
Lockerungen sind jedenfalls nicht in Sicht. Ob das etwas mit der Gewalt in Belgien zu tun haben könnte?

Nachtrag 12.4.2021
Gute Nachricht: die umgerittene Frau aus dem Park ist zwar K.O. gegangen, aber nicht gefährlich verletzt worden. Es hätte aber natürlich böse ausgehen können.

2 Kommentare zu „Von Brüssel nach Waterloo“

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