Dirk Pohlmann spricht mit dem Wissenschaftsphilosophen und Leopoldina-Mitglied Prof. Dr. Michael Esfeld über die Instrumentalisierung der Wissenschaft in der Corona-Krise:
Michael Esfeld ist im Dezember durch die Kritik an der Stellungnahme der Leopoldina für die Corona-Politik der Regierung bekannt geworden.
Diese Kritik hat ein breites Echo verursacht: BILD, Achse des Guten, TichysEinblick, Frische Sicht, NZZ, Nau.ch, MDR, KenFM, Schweriner Volkszeitung.
Es fällt aber auf, dass die überregionalen deutschen Tages- und Wochenzeitungen dabei (mal wieder) weitgehend ausfallen.
Déjà vu: Eugenik
Besonders bemerkenswert finde ich die Passage, in der Michael Esfeld die grenzüberschreitend verwendete, also missbrauchte Wissenschaft in der Corona-Politik mit dem vergleicht, was im Zusammenhang mit der „wissenschaftlichen“ Eugenik zu Beginn des 20. Jahrhunderts, etwa zwischen 1900 und 1930 passiert ist:
„Die Eugenik ist ein sehr gutes Beispiel, treffend für die jetzige Situation….In der Eugenik ging es darum, ein Übel abzuwenden….Das Übel bestand darin, dass wissenschaftlich mit absoluter Notwendigkeit erwiesen war (Sie können direkt die Phrasen von heute nehmen), dass es minderwertige Gene gibt, dass bestimmte Menschengruppen Träger dieser minderwertigen Gene sind…Deshalb drohte der Untergang der zivilisierten Menschheit, ein bevorstehendes großes Übel und da muss man jetzt staatlich eingreifen…“
Grenzüberschreitender wissenschaftlicher Irrweg
Diese internationalen, keineswegs ursprünglich deutschen Ideen lassen sich sehr gut in diesem empfehlenswerten Buch von Hermann Ploppa nachlesen:
Und nicht nur das: im Jahre 1914 erarbeiteten US-Regierung, angesehene Stiftungen wie Carnegie oder Rockefeller, sowie die besten Wissenschaftler amerikanischer Universitäten ein detailliertes Rassenaufartungsprogramm nicht nur für die USA, sondern für die gesamte Menschheit. Nach diesem Plan sollten bis zum Jahre 1985 allein in den USA 45 Millionen „Minderwertige“ „eliminiert“ werden. Adolf Hitler hat dieses Programm in „Mein Kampf“ mit Eifer propagiert. Hitler hat auch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er den US-Amerikanern Henry Ford, Madison Grant und Lothrop Stoddard entscheidende Anregungen verdankt.
Déjà vu: Industrielle Revolution
Der oben erwähnte Henry Ford war nicht nur ein Anhänger eugenischer und rassenhygienischer Ideologien/Wissenschaft, sondern auch eine Schlüsselfigur der Industriellen Revolution, genaugenommen der Zweiten Industriellen Revolution.
Und wie bei der Eugenik, bei der Michael Esfeld eine klare Parallele zur Corona-Wissenschaft sieht, verbindet sich auch in der Corona-Politik eine Komponente von (Volks-)Gesundheit mit einer starken Komponente von Industriepolitik.
Klaus Schwab
Niemand verbindet beide Themen unbekümmerter und offensichtlicher als Klaus Schwab, der als Gründer des Weltwirtschaftsforums (ausgerechnet in Davos) berühmt wurde:
Zwischen beiden Buchtiteln liegt gerade mal ein gutes Jahr
Die Sprengkraft der Vierten Industriellen Revolution wird seit Jahren beschrieben, manchmal nicht nur mit ihren Verheißungen, sondern auch mit ihren düsteren Schatten.
Wenn Schwab das mit Covid-19 verbindet, bleibt wenig Raum für Interpretationen: Die Coronakrise ist kaum in erster Linie eine Gesundheitsfrage, sondern ein Vehikel für mehr, für Technologie- und Kapitalinteressen.
Schwab wird von den einen kritiklos als wohltätiger Visionär („ihnen geht es darum, eine bessere Zuunft zu gestalten“) gefeiert:
von anderen aber als Prophet eines neuen Faschismus bezeichnet:
Bill Gates
Während Klaus Schwab kein Unternehmer ist, gibt es mit Bill Gates einen zweiten Prominenten in der Corona-Krise, der noch besser zu Henry Ford passt. Gates ist ein Big Player der Dritten industriellen Revolution.
Und der Machtballung in den Händen der Digitalkonzerne. Ich finde es beispielsweise schon lange verdächtig, wie aggressiv das von ihm gegründete Microsoft sich das Recht erobert, Updates quasi automatisch auf den Rechner jedes Benutzers zu schieben und auch noch die Anmeldung am PC möglichst mit einem Microsoft-Account vornehmen zu lassen. Wer das duldet, muss sich nicht wundern, wenn solche Konzerne anschließend auch wie selbstverständlich Meinungsäußerungen auf ihren Plattformen zensieren.
Und dieser Bill Gates ist natürlich aus rein humanitären Gründen ein Big Player im globalen Gesundheitswesen geworden.
Fazit
Der von Michael Esfeld und Dirk Pohlmann vorgenommene Vergleich mit der (pseudowissenschaftlichen) Eugenik vom Beginn 20. Jahrhunderts und die Verbindung mit der dahinterliegenden industriellen Dynamik und Macht, die dem Faschismus den Weg bereiteten, zeigen, dass die pseudowissenschaftliche Corona-Politik und ihre tiefe Verbindung mit der industriellen Dynamik der fortschreitenden Digitalisierung ein hohes Potenzial haben, wieder totalitären Ideologien und Praktiken den Weg zu ebnen.
Die aggressiven Löschungen von Corona-Kritik auf den Plattformen der Digitalkonzerne legen schon heute täglich Zeugnis davon ab. Wenn Digitalkonzerne das mit absolutem Gesundheitsschutz begründen, handelt es sich im wesentlichen um eine pseudowissenschaftliche Ideologie.
Nachtrag 7.3.2021
Dass der von Michael Esfeld gezogene Vergleich mit der Hongkong-Grippe angemessen ist, zeigen übrigens die Zahlen zu Corona in Frankreich.
Corona ist deshalb keine Pandemie, die nie existiert hat, sondern eine massiv aufgebauschte.
Nachtrag 29.4.2021
Michael Esfeld hat in einem großen Beitrag für die NZZ nachgelegt:
„Der Mechanismus besteht darin, aktuelle Herausforderungen zum Anlass zu nehmen, existenzielle Krisen herbeizureden – ein Killervirus, das umgeht, eine Klimakrise, welche die Existenzgrundlagen der Menschheit bedroht. Die Angst, die man auf diese Weise schürt, ermöglicht es dann, Akzeptanz dafür zu erhalten, die Grundwerte unseres Zusammenlebens beiseitezuschaffen…
Wie die alten, so kommen auch die neuen Feinde der offenen Gesellschaft aus ihrem Inneren. Für Wissenschafter und Intellektuelle ist es offenbar schwer einzugestehen, kein normatives Wissen zu haben, das die Steuerung der Gesellschaft ermöglicht“
Nachtrag 7.6.2021
Weiteres Interview mit Prof. Esfeld bei Gunnar Kaiser:
Nachtrag 29.7.2021
Sehr schöner Twitter-Faden zum Vergleich Corona-Wissenschaft vs. Eugenik-Wissenschaft: