Nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft hat Michael Ballweg Schuler das 1. Interview gegeben:
An diesem Interview finde ich zwei Dinge erstaunlich:
1. die Gelassenheit und den Optimismus von Ballweg. Er scheint eine sehr starke Persönlichkeit zu sein, die weder leicht kapituliert noch sich radikalisieren lässt. Oder er weiß irgendwoher, dass er nichts zu befürchten hat.
2. die zwischenzeitliche Löschung des Interviews durch Youtube. Ein sachlicher Grund wurde nicht einmal vorgetäuscht. Der Zensur-Finger ist offensichtlich sehr nervös, auch wenn das Video in diesem Fall wiederhergestellt wurde.
Vorwürfe sind dünn geworden
Inhaltlich interessanter war das Interview vor der Entlassung mit seinem Anwalt Alexander Christ:
Dieses Interview vom 28. März zeigt nämlich, dass von der ursprünglichen Anklage nicht mehr viel übrig ist: aus dem Betrugsvorwurf wurde versuchter Betrug und aus der Steuerhinterziehung versuchte Steuerhinterziehung.
Der Anwalt weist außerdem darauf hin, dass die Abgabefrist für die Steuererklärung erst abgelaufen ist, als Ballweg bereits 2 Monate in U-Haft saß. Auch der bereits abgeschwächte Vorwurf der versuchten Steuerhinterziehung steht also objektiv auf wackeligen Beinen.
Aber die Information, dass der Vorwurf der Geldwäsche vom Tisch sei, stimmte nicht, denn sie wurde nur in 4 von 8 Fällen fallengelassen.
Allerdings basiert die Geldwäsche darauf, dass das eingenommene Geld durch genau diesen „versuchten Betrug“ tatsächlich illegal erworben wurde:
„Denn er soll die vermutlich rechtswidrig eingeworbenen Geldbeträge durch vier Bargeldauszahlungen verschleiert haben„
und
„Weil aber nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Spender mit der Verwendung für private Zwecke einverstanden waren, werde Ballweg nur wegen versuchten Betrugs und Geldwäsche angeklagt„
Es hat sich nämlich als äußerst schwer herausgestellt, Spender aufzutreiben, die ihre Spende an einen bestimmten Zweck gebunden sehen und den Betrugsvorwurf unterstützen.
Kurios auch, dass es die Staatsanwaltschaft ist, die nur eine Verwendung für „Querdenken“ als legal ansieht, denn genau das von Ballweg gegründete „Querdenken 711“ wird vom Staat bekämpft.
Die Anklage wirkt also einigermaßen fadenscheinig und hauptsächlich dem Umstand geschuldet, dass es nicht schön aussähe, wenn nach sehr langen 9 Monaten U-Haft gar keine Anklage herausgekommen wäre. Damit wäre nämlich eine Verfolgung Ballwegs aus Rachsucht fast schon dokumentiert.
Mit den gut organisierten und öffentlichkeitswirksamen Protesten gegen die Corona-Politik hat Ballweg nämlich der Politik in die Suppe gespuckt, umso mehr, als inzwischen auch Corona-Extremisten zugeben, dass die Maßnahmen teilweise überzogen und sinnlos waren.
Nicht vergessen: deutsche Staatsanwaltschaften sind an rein politische Weisungen gebunden und müssen auch Anklagen betreiben, die sie fachlich für wenig seriös und aussichtsreich halten.
Medienspiele
Ganz schlechte Medienarbeit ist es, nach dem längst bekannten Stand immer noch mit einer Anklage wegen 9450-fachem Betrug zu titeln:
Erst versteckt im Text wird darüber aufgeklärt, dass es nur noch um versuchten Betrug geht.
T-Online macht einen sonst fast inhaltsgleichen Artikel so auf:
Der Artikel der WELT am Sonntag, auf den sich beide berufen, befindet sich hinter der Bezahlschranke:
Bis zum Urteil wird es für Medien noch viel Gelegenheit geben, über den Fall häppchenweise zu berichten.
Politisch irritiert Ballweg
Michael Ballweg hat einige Unterstützer und Wegbegleiter verprellt, weil er sie ohne ihr Wissen und Einverständnis zu Treffen mit ‚Reichsbürgern‘ geschleppt hat. Im Interview oben mit Schuler hat er das erneut verteidigt.
Nach seiner Haftentlassung hat er wiederum dadurch irritiert, dass er eine Zusammenarbeit mit der „Letzten Generation“ für möglich hält. Diese hat das Ansinnen natürlich entrüstet zurückgewiesen. Im Interview mit Alexander Wallasch verteidigt Ballweg auch diese Idee.
Fazit
Ermittlungen und Anklage gegen Ballweg machen einen politisch motivierten Eindruck. Es wird interessant sein, wie er aus diesem Verfahren herauskommt. Für naheliegend halte ich eine Minimalverurteilung z.B. wegen „versuchtem Betrug“, bei der die Strafe bereits mit der U-Haft abgegolten ist.
Damit könnte auch der Rechtsstaat sein Restgesicht wahren. Gleichzeitig hätte Ballweg einen hohen Nimbus als politisch Verfolgter und könnte daraus politische Zugkraft schöpfen. Angesichts seiner Neigung zur politischen Irrlichterei wäre unklar, wofür er diese dann einsetzt. Trotz seiner objektiven Verdienste darum, Proteste gegen die übergriffige Corona-Politik auf die Straße getragen zu haben, bleibt also Vorsicht die Mutter der Porzellankiste.
Nachtrag 15.4.2023