Grenzüberschreitende Wissenschaft

Dirk Pohlmann spricht mit dem Wissenschaftsphilosophen und Leopoldina-Mitglied Prof. Dr. Michael Esfeld über die Instrumentalisierung der Wissenschaft in der Corona-Krise:

Michael Esfeld ist im Dezember durch die Kritik an der Stellungnahme der Leopoldina für die Corona-Politik der Regierung bekannt geworden.
Diese Kritik hat ein breites Echo verursacht: BILD, Achse des Guten, TichysEinblick, Frische Sicht, NZZ, Nau.ch, MDR, KenFM, Schweriner Volkszeitung.
Es fällt aber auf, dass die überregionalen deutschen Tages- und Wochenzeitungen dabei (mal wieder) weitgehend ausfallen.

Déjà vu: Eugenik

Besonders bemerkenswert finde ich die Passage, in der Michael Esfeld die grenzüberschreitend verwendete, also missbrauchte Wissenschaft in der Corona-Politik mit dem vergleicht, was im Zusammenhang mit der „wissenschaftlichen“ Eugenik zu Beginn des 20. Jahrhunderts, etwa zwischen 1900 und 1930 passiert ist:
„Die Eugenik ist ein sehr gutes Beispiel, treffend für die jetzige Situation….In der Eugenik ging es darum, ein Übel abzuwenden….Das Übel bestand darin, dass wissenschaftlich mit absoluter Notwendigkeit erwiesen war (Sie können direkt die Phrasen von heute nehmen), dass es minderwertige Gene gibt, dass bestimmte Menschengruppen Träger dieser minderwertigen Gene sind…Deshalb drohte der Untergang der zivilisierten Menschheit, ein bevorstehendes großes Übel und da muss man jetzt staatlich eingreifen…“

Grenzüberschreitender wissenschaftlicher Irrweg

Diese internationalen, keineswegs ursprünglich deutschen Ideen lassen sich sehr gut in diesem empfehlenswerten Buch von Hermann Ploppa nachlesen:

Und nicht nur das: im Jahre 1914 erarbeiteten US-Regierung, angesehene Stiftungen wie Carnegie oder Rockefeller, sowie die besten Wissenschaftler amerikanischer Universitäten ein detailliertes Rassenaufartungsprogramm nicht nur für die USA, sondern für die gesamte Menschheit. Nach diesem Plan sollten bis zum Jahre 1985 allein in den USA 45 Millionen „Minderwertige“ „eliminiert“ werden. Adolf Hitler hat dieses Programm in „Mein Kampf“ mit Eifer propagiert. Hitler hat auch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er den US-Amerikanern Henry Ford, Madison Grant und Lothrop Stoddard entscheidende Anregungen verdankt.

Déjà vu: Industrielle Revolution

Der oben erwähnte Henry Ford war nicht nur ein Anhänger eugenischer und rassenhygienischer Ideologien/Wissenschaft, sondern auch eine Schlüsselfigur der Industriellen Revolution, genaugenommen der Zweiten Industriellen Revolution.
Und wie bei der Eugenik, bei der Michael Esfeld eine klare Parallele zur Corona-Wissenschaft sieht, verbindet sich auch in der Corona-Politik eine Komponente von (Volks-)Gesundheit mit einer starken Komponente von Industriepolitik.

Klaus Schwab

Niemand verbindet beide Themen unbekümmerter und offensichtlicher als Klaus Schwab, der als Gründer des Weltwirtschaftsforums (ausgerechnet in Davos) berühmt wurde:

Zwischen beiden Buchtiteln liegt gerade mal ein gutes Jahr

Die Sprengkraft der Vierten Industriellen Revolution wird seit Jahren beschrieben, manchmal nicht nur mit ihren Verheißungen, sondern auch mit ihren düsteren Schatten.
Wenn Schwab das mit Covid-19 verbindet, bleibt wenig Raum für Interpretationen: Die Coronakrise ist kaum in erster Linie eine Gesundheitsfrage, sondern ein Vehikel für mehr, für Technologie- und Kapitalinteressen.
Schwab wird von den einen kritiklos als wohltätiger Visionär („ihnen geht es darum, eine bessere Zuunft zu gestalten“) gefeiert:

von anderen aber als Prophet eines neuen Faschismus bezeichnet:

Bill Gates

Während Klaus Schwab kein Unternehmer ist, gibt es mit Bill Gates einen zweiten Prominenten in der Corona-Krise, der noch besser zu Henry Ford passt. Gates ist ein Big Player der Dritten industriellen Revolution.
Und der Machtballung in den Händen der Digitalkonzerne. Ich finde es beispielsweise schon lange verdächtig, wie aggressiv das von ihm gegründete Microsoft sich das Recht erobert, Updates quasi automatisch auf den Rechner jedes Benutzers zu schieben und auch noch die Anmeldung am PC möglichst mit einem Microsoft-Account vornehmen zu lassen. Wer das duldet, muss sich nicht wundern, wenn solche Konzerne anschließend auch wie selbstverständlich Meinungsäußerungen auf ihren Plattformen zensieren.
Und dieser Bill Gates ist natürlich aus rein humanitären Gründen ein Big Player im globalen Gesundheitswesen geworden.

Fazit

Der von Michael Esfeld und Dirk Pohlmann vorgenommene Vergleich mit der (pseudowissenschaftlichen) Eugenik vom Beginn 20. Jahrhunderts und die Verbindung mit der dahinterliegenden industriellen Dynamik und Macht, die dem Faschismus den Weg bereiteten, zeigen, dass die pseudowissenschaftliche Corona-Politik und ihre tiefe Verbindung mit der industriellen Dynamik der fortschreitenden Digitalisierung ein hohes Potenzial haben, wieder totalitären Ideologien und Praktiken den Weg zu ebnen.
Die aggressiven Löschungen von Corona-Kritik auf den Plattformen der Digitalkonzerne legen schon heute täglich Zeugnis davon ab. Wenn Digitalkonzerne das mit absolutem Gesundheitsschutz begründen, handelt es sich im wesentlichen um eine pseudowissenschaftliche Ideologie.

Nachtrag 7.3.2021
Dass der von Michael Esfeld gezogene Vergleich mit der Hongkong-Grippe angemessen ist, zeigen übrigens die Zahlen zu Corona in Frankreich.
Corona ist deshalb keine Pandemie, die nie existiert hat, sondern eine massiv aufgebauschte.

Nachtrag 29.4.2021
Michael Esfeld hat in einem großen Beitrag für die NZZ nachgelegt:

„Der Mechanismus besteht darin, aktuelle Herausforderungen zum Anlass zu nehmen, existenzielle Krisen herbeizureden – ein Killervirus, das umgeht, eine Klimakrise, welche die Existenzgrundlagen der Menschheit bedroht. Die Angst, die man auf diese Weise schürt, ermöglicht es dann, Akzeptanz dafür zu erhalten, die Grundwerte unseres Zusammenlebens beiseitezuschaffen…
Wie die alten, so kommen auch die neuen Feinde der offenen Gesellschaft aus ihrem Inneren. Für Wissenschafter und Intellektuelle ist es offenbar schwer einzugestehen, kein normatives Wissen zu haben, das die Steuerung der Gesellschaft ermöglicht“

Nachtrag 7.6.2021
Weiteres Interview mit Prof. Esfeld bei Gunnar Kaiser:

Nachtrag 29.7.2021
Sehr schöner Twitter-Faden zum Vergleich Corona-Wissenschaft vs. Eugenik-Wissenschaft:

Ausnahmezustand

Innerhalb kürzester Zeit ist Europa, ist Deutschland durch das Coronavirus in den politischen und wirtschaftlichen Ausnahmezustand katapultiert worden. Zum Thema Ausnahmezustand präsentiert dieser Vortrag viele Hintergründe und Beispiele:

Souverän ist,
wer über den Ausnahmezustand entscheidet

Vortrag Pohlmann über den Dualen Staat

Manchmal auch die Finanzbranche

Ab 1:57:24 wird auch die Finanzkrise 2008 als Ausnahmezustand und die Finanzbranche als Souverän behandelt, der über diesen Ausnahmezustand entscheidet.
Die Finanzkrise von 2008 leitete über in die „Eurokrise“ wenige Jahre später und ist bis heute ungelöst: „aufgeschoben ist nicht aufgehoben“ betonten auch verschiedene Autoren immer wieder.
Zum Jahreswechsel bemühten sich viele Medien, diese sogenannten „Crash-Propheten“ lächerlich zu machen und als unseriös darzustellen: SPIEGEL, Süddeutsche Zeitung, FAZ, Augsburger Allgemeine.
In der ARD wurde ein prominentes Buch mit großer Geste in den Müll geworfen:
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Zwei prominente Crash-Autoren waren in dieser hochkarätigen Runde dabei:

Nachtrag 28.10.2020: Das Video wurde gemeinsam mit dem Kanal von Youtube gelöscht. Eine andere Kopie gibt es hier:

Markus Krall: „Ab Sommer 2020 Endspiel für die Banken“

Die Corona-Krise hat im Vergleich zu diesen bösartigen und (natürlich) unbegründeten Prognosen zwei entscheidende Vorteile:

– Sie kommt überraschend aus dem Nichts
– Schuld ist statt Finanzbranche+Politik ein bisher unbekanntes Virus

Und auch so bissige Kritik an früheren Reparaturversuchen, die damals von den Verantwortlichen im Parlament demonstrativ ignoriert wurde, verblasst angesichts einer akuten Viruskrise. Es wäre ja auch schlimm, wenn die Politik zugeben müsste, dass ein Crash so lange vorhersehbar war:

Kurz ist jetzt der Retter

will uns die BILD-Zeitung einreden:

Ich glaube nicht daran, weil ich nicht davon überzeugt bin, dass es gegen das Virus sinnvoll ist, noch die letzte Alpenvereinshütte zu schließen. Solche Extremmaßnahmen sind aber sicherlich gut dazu geeignet, die gesamte Wirtschaft in einen Ausnahmezustand zu treiben, in dem vieles möglich wird und an dessen Ende womöglich die Währungsreform steht.

Das ist ein weiterer Hinweis darauf, dass der neue Ausnahmezustand und die Finanzbranche enger verbandelt sind, als es oberflächlich den Anschein hat.

Nachtrag 19.03.2020
Das passt so großartig rein:
Die Welt as we know it löst sich gerade auf…
Wir werden uns wundern, wie weit die Ökonomie schrumpfen konnte, ohne dass so etwas wie »Zusammenbruch« tatsächlich passierte, der vorher bei jeder noch so kleinen Steuererhöhung und jedem staatlichen Eingriff beschworen wurde. Obwohl es einen »schwarzen April« gab, einen tiefen Konjunktureinbruch und einen Börseneinbruch von 50 Prozent, obwohl viele Unternehmen pleitegingen, schrumpften oder in etwas völlig anderes mutierten, kam es nie zum Nullpunkt…“
Das Virus ist wie dafür geschaffen, um uns „das Gefühl der geglückten Angstüberwindung“ überraschend und schnell zu verschaffen. Die vorhersehbare Wirtschaftskrise war dagegen wie: „Wenn wir für eine Behandlung zum Zahnarzt gehen, sind wir schon lange vorher besorgt„.
Glasklar (und natürlich im Rückblick) beschrieben von:
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Nachtrag 21.03.2020
Sehr lesenswert dazu:
„Die ‚Schwarzen Schwäne‘ dienen nur im Nachhinein der falschen Etikettierung der jeweiligen Krise als ‚Lehman-Krise‘ und als ‚Corona-Krise'“
Die neue Weltwirtschaftskrise, das Corona-Virus und ein kaputt gesparter Gesundheitssektor. Oder: Die Solidarität in den Zeiten von Corona. Von Winfried Wolf
Besonders aufschlussreich ist die Tatsache, dass mit der staatlich angeordneten Schließung aller Fachläden wirksam der Einzelhandel von Onlinehandel und Logistikbranche liquidiert wird.

Nachtrag 16.06.2020
Gute Rede am 14.06.2020 in Ulm von Prof. Christian Kreiß, Fachhochschule Aalen, genau zum Thema Corona+Wirtschaft:

Pohlmann von Muller eingewickelt

Der furchtlose Dirk Pohlmann hat einen Vortrag zum Klimawandel gehalten. Weil Pohlmann auch immer gut informiert und informativ ist, überrascht es nicht, dass sein Vortrag zum Klimawandel erheblich mehr Substanz hat als der von Harald Lesch:

Trotzdem bin ich im Ergebnis nicht überzeugt. Hier die Detailkritik:

Der 97%-Konsens

Faktenorientiert, wie er nun einmal ist, weist Dirk Pohlmann darauf hin, dass sich nur 30% der untersuchten Artikel zu der Frage äußerten, ob der Klimawandel überwiegend menschengemacht ist oder nicht, und davon hätten 97% die Frage bejaht.
Er behauptet aber, dass sich die übrigen 70% nicht äußern würden, weil sie „von einem Konsens ausgehen“. Das ist nicht mehr als eine (kühne) Annahme. Ebenso gut könnte man behaupten, sie hätten dazu noch keine Meinung oder sie würden sich wegen des großen Konformitätsdrucks nicht trauen, ihre Meinung zu sagen. Mit großer Leichtigkeit entfernt er sich also hier von den harten Fakten.
Aber sein Beispiel zeigt auch, wie die Annahme oder Behauptung eines Konsenses dazu beiträgt, den Konsens zu verstärken und den Dissens wegzudiskutieren. Das ist wohl auch der Sinn dieses behaupteten Konsenses.

Experimente zum Mikroeffekt

(von Minute 6:15 bis 22:30)
Diese sind absolut sehenswert und beeindruckend. Es kann keinen Zweifel daran geben, dass CO2 Infrarotstrahlung stark absorbiert, also die Strahlung in einem ganz bestimmten Spektralbereich, in dem die Absorptionsbande der Molekülschwingung von CO2 liegt.
Natürlich sind dazu ein paar Randbedingungen zu beachten:

  • In den Experimenten war die CO2-Konzentration nicht weit von 100% entfernt. Das Herunterrechnen auf den aktuellen CO2-Gehalt der Atmosphäre von 400 ppm= 0,04% ist nicht trivial und erfordert eigene Modellrechnungen oder Experimente. Das wurde aber in dem Vortrag nicht diskutiert. (würde man die gesehenen 15-20°C Temperaturdifferenz einfach linear herunterrechnen, was sicherlich zu wenig ist, blieben davon nur Bruchteile eines Grades beim Anstieg von 280 auf 560ppm)
  • Auch dürfte das Strahlungsspektrum der verwendeten Lichtquellen ziemlich optimal für die Absorption gewesen sein. Eine brennende Kerze wie im letzten Experiment zum Beispiel hat eine Temperatur von 600-1000°C. Ihr Strahlungsspektrum ist damit völlig anders als das der relativ kühlen Erdoberfläche im Temperaturbereich von meist 0-30°C. Die effektive Wirkung von CO2 im Wechsel der Jahreszeiten, von Tag und Nacht, auf unterschiedlicher geografischer Breite und in verschiedenem Abstand von der Erdoberfläche ist daraus noch lange nicht quantitativ ableitbar.

Klimasensitivität von CO2

Wären die oben beschriebenen Experimente wirklich so aussagekräftig, wie man zunächst vermuten mag, müssten sie sich durch Verfeinerung des Versuchsaufbaus und  Verdünnung von CO2 bis hinunter auf 400ppm nutzen lassen, um die Klimasensitivität von CO2 quantitativ zu bestimmen. Diese ist definiert als die mittlere Temperaturerhöhung durch Verdoppelung des CO2 in der Atmosphäre (von 280 auf 560 ppm). Es gehört aber zu den großen Merkwürdigkeiten der CO2-Klimawissenschaft, dass dieser Wert experimentell nicht einmal annähernd bestimmt ist, worauf seriöse Skeptiker gerne hinweisen, sondern als Fit-Parameter aus dem Vergleich der Klimamodelle mit der realen Temperaturentwicklung abgeleitet wird.
Der so abgeleitete Wert sinkt zu allem Überfluss mit der Verfeinerung der Klimamodelle tendenziell immer weiter ab:

ClimateSensitivity

D.h. die Klimawirksamkeit von CO2 wird zunehmend geringer eingeschätzt. Genau darum dreht sich die Debatte auch von seriösen Skeptikern: es könnte viel weniger sein, als uninformierte Alarmisten und Propagandisten oft behaupten. Die nehmen nämlich gerne das Worst-Case-Szenario und quälen damit ihre Kinder.

Der Mann-Ball-Prozess

Als ein Beispiel für Faktenverfälschung durch Klimakskeptiker nennt Dirk Pohlmann den Mann-Ball-Prozess und die Verbreitung des Urteils in klimaskeptischen Zirkeln wie Tichys Einblick,  EIKE und vor allem Rainer Rupp bei KenFM. Das sei jedoch eine völlige Fehlinterpretation des Urteils, erläutert er ebenfalls bei KenFM und so auch in seinem Vortrag.
Damit habe ich überhaupt kein Problem, denn die Argumente schienen mir nie besonders stichhaltig.
Es sollte klar sein: Wissenschaftlicher Streit kann vor Gericht nicht zufriedenstellend geklärt werden —- und die Richtigkeit politischer Weichenstellungen (siehe unten) ebenfalls nicht.

Der Exxon-Chart

Dirk Pohlmann zitiert auch den „Exxon-Chart“ als Beweis dafür, dass die Wissenschaftler von Exxon schon immer gewusst hätten, was CO2 bewirke, also als Turbo-Beweis für die Richtigkeit der Theorie vom menschengemachten Klimawandel.
Der Exxon-Chart, der aus dem  „1982 Exxon Primer on CO2 Greenhouse Effect“ der wissenschaftlichen Abteilung des Ölmultis Exxon von (angeblich) 1982 stammt, machte im Frühjahr 2019 Furore, weil er den CO2-Gehalt der Atmosphäre und die Temperatur im Jahr 2019 (rot) erstaunlich exakt prognostizierte:TrueChart

Zu diesem Chart und dem „internen“ Paper gibt es einiges zu fragen:

  • Wie war es möglich, die CO2-Emissionen so exakt zu prognostizieren, wenn doch der heutige Kohleverbrauch Chinas im Jahr 1982 unmöglich abschätzbar war, wie dieser Chart mit dem drastischen Anstieg ab 2000 zeigt:
    CoalBurning
  • Welche quantitative Klimasensitivität von CO2 konnte im Jahr 1982 richtig angesetzt werden, wenn diese doch heute noch um Faktoren unklar und strittig ist (s.o.) ?
  • Was hat eigentlich die Klimawissenschaft seit 1982 geleistet, wenn schon damals der heutige CO2-Gehalt der Atmosphäre und ihre mittlere Temperatur für noch gar nicht spezialisierte Forscher der Ölindustrie so exakt berechenbar waren? 🤔
  • Woher wissen wir, dass das „interne“ Paper tatsächlich schon 1982 existiert hat und nicht später gebastelt wurde? Die Lage wäre natürlich eine andere, wenn das Papier nicht erst 2019, sondern im Jahr 1982 öffentlich geworden wäre. Dann wäre das ein erstaunlicher und nicht bestreitbarer Treffer. So kann es allerdings auch ein geschickter Versuch sein, mit einem nachträglich gebastelten Fake-Dokument (man beachte die Optik eines schlechten Scans im PDF) das eingängige Narrativ von der bösen Ölindustrie zu stärken, die alles immer unter der Decke gehalten hat, bis es (endlich!) rauskam, ausgerechnet im Klima-Hype-Jahr 2019 🤔
  • Wie soll es möglich sein, das Erreichen des 2°-Zieles kurz vor dem Jahr 2060 zu verhindern, wenn die Prognose über die letzten 37 Jahre schon so punktgenau war?

Das Exxon-Chart ist ein zweischneidiger Glücksfall: eigentlich zu glücklich, um wahr zu sein. Eine Geschichte, die vielleicht nicht ganz zufällig an die Wandlung des Saulus zum Paulus erinnert.

Damaskuserlebnis des Richard Muller

Das Klima-Narrativ kennt viele solcher Bekehrungsgeschichten. Richard A. Muller hat 2004 einen berühmten Vortrag gehalten, in dem er die Art und Weise kritisiert, in der die Daten für die Hockeyschläger-Kurve gewonnen wurden (‚Climategate‘). Dieses Video sollte man kennen:

2012 hat Muller die Seiten gewechselt und das in der New York Times verkündet. Ebenso wie er für den ersten Teil seiner Stellungnahme von den Klimaskeptikern gefeiert wird, wird er von den Klimaalarmisten für seine Konversion zum Klima-Paulus gefeiert:

Dabei hat er nie öffentlich erläutert, warum seine Kritik von 2004 an der Datengewinnung der Klimawissenschaft falsch war. Deshalb bleibt diese Kritik auch valide. Ebenso valide wie sein folgender Einwand, dass eine Klimaschutzpolitik Europas und der USA notwendig wirkungslos bleiben muss angesichts vermehrter Produktion in anderen Teilen der Welt:

Dieser Zuwachs vor allem in China, Indien und anderen Schwellenländern ist ja eine Realität, die nicht vergeht, wenn allein die Europäer ihren CO2-Ausstoß kräftig vermindern:
World_fossil_carbon_dioxide_emissions_six_top_countries_and_confederationsMitstreiterin in seinem Datenanalyse-Projekt war übrigens auch Judith Curry. Und sie hat die umgekehrte Richtung eingeschlagen: zur Skepsis. Und in ihrem Blogbeitrag zu Mullers ‚Bekehrung‘ mahnt sie ihn zur Vorsicht:
One of the strongest voices criticising the study comes from the BEST team itself. Dr Judith Curry, head of the School of Earth and Atmospheric Sciences at the Georgia Institute of Technology, declined to be a co-author on the latest BEST study, and says on her blog she does not “see any justification in [BEST’s] argument for” the group’s statement that its warming data fits with manmade carbon dioxide. Curry’s not alone: former climate scientist William Connolley claims BEST has done “none of the attribution work you’d expect”.
And finally, some advice to Muller from a dedicated student of the dynamics of the climate science/policy interface (moi): Don’t overplay your hand“

Und gerade Judith Curry ist meine Kronzeugin dafür, dass die Debatten in der Klimawissenschaft eher politische sind als wissenschaftliche:
What is climate science for?

“In liberal democracy, we generally expect that experts and expert knowledge should be given some privileged status in public decision-making to temper political values. Yet, even when expertise is explicitly embraced, it can be manipulated for political ends.”

“The political use of climate science for the purposes of agenda-setting is employed to bolster advocacy groups’ strategic positions concerning whether and (broadly) how to act on climate change in the first place…

Und an anderer Stelle:
“Climatology has become a political party with totalitarian tendencies”

Mehr Bekehrungen im Politikestablishment

In einem seiner schwächsten Argumente bezieht sich Dirk Pohlmann auf Frank Luntz. Er berichtet, wie der Republikaner als Wahlkampfberater unter G.W. Bush Ratschläge erteilte, wie wahlkämpfende Parteifreunde die Klimaerwärmung durch CO2 kleinreden und u.a. als ‚Klimawandel‘ verharmlosen sollten. Dieser selbe Luntz hat sich ebenfalls ausgerechnet im Klima-Hype-Jahr 2019 bekehrt:
FrankLuntz
Warum sollte jemand, der vor 15 Jahren schamlos gelogen hat (so Pohlmann), heute die (ganze) Wahrheit sagen? Dirk Pohlmann weist auch gerne darauf hin, dass auch US-Militärs und die Koch-Brüder, Inbegriff gieriger und politikbeeinflussender Ölmagnaten, jüngst das Klima-Lager gewechselt hätten. Was spricht aber dagegen, dass diese Leute damit heute weiter die Wahrheit verbiegen, nur in der anderen Richtung?
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass auch Richard Muller kein reiner Wissenschaftler ist. Er betreibt auch eine Beratungsfirma in Energiefragen und hat sich für die in den letzten gut 10 Jahren für die USA auch finanziell zunehmend wichtiger gewordene Fracking-Industrie eingesetzt: „Why every serious environmentalist should favour Fracking“. Außerdem spielt er eine wichtige Rolle als Politik-Berater in nationalen Sicherheitsfragen als Mitglied der JASON Defense Advisory Group und äußert sich auch entsprechend: „Is Osama bin Laden behind the mail attacks?“. Er kommt (natürlich) zum Ergebnis, dass Osama und die 14 Teppichmesser dahinterstecken, aber das ist nun wirklich kein physikalisches Thema, und fishy ist die Anthrax-Geschichte auch noch. Gerade bei Muller ist also keineswegs ausgeschlossen, dass seine Wende in der Klimafrage weniger wissenschaftlich als geostrategisch begründet ist.

Geostrategischer Kurswechsel?

Was könnten für Teile des US-Establishments die geostrategischen Gründe sein, öffentlich und nach außen von Klima-Leugnung auf Klima-Alarmismus umzuschalten? Da fallen mir so einige ein, zum Beispiel:

  1. Die gewachsene wirtschaftliche und finanzielle Bedeutung der Fracking-Industrie hatte ich bereits erwähnt. Die Industrie ist an der Wall Street hochverschuldet und kämpft bei niedrigen Gaspreisen darum, die Investitionen wieder hereinzuholen. Wie von Muller mit Umwelt-Argumenten empfohlen, hat sie dafür die US-Kohlewirtschaft zurückgedrängt. Warum dasselbe nicht im Ausland wiederholen, z.B. mit deutscher Kohle, aber auch arabischem Öl oder sogar russischem Gas (Nordstream 2)? Da hilft auch grüne Politik.
  2. Vor 15 Jahren hatten die USA gerade den Irak erobert und hofften, sich damit für lange Zeit die Kontrolle über die Verteilung des Öls in der Region gesichert zu haben. Seither haben ähnliche Projekte aber herbe Rückschläge erlitten, nicht nur im Irak, sondern auch in Libyen und Syrien. Öl, das jetzt vielleicht andere kontrollieren, ist aber ein böser Rohstoff.
  3. China hat sich seit 2000 mit immer rasanterer Geschwindigkeit zum größten CO2-Emittenten und auch zu einem enormen industriellen Konkurrenten entwickelt. Eine Anti-China-Politik der USA wurde mit Donald Trump offiziell. Es wäre durchaus vorteilhaft, wenn sich die rechte Politik Trumps, eines vehementen Klimaleugners, im linken politischen Spektrum und gerade auch in Europa neben dem gerne aufgenommenen Uiguren-Thema noch mit einer klimapolitischen Komponente ergänzen ließe. Durch Übertreiben und Instrumentalisieren des menschengemachten Klimawandels ließe sich eine flankierende  propagandistischen Waffe gegen China und seine wirtschaftliche Macht schmieden.

Symbolbild

Der etwas unscharfe Zusammenhang zwischen Klima-Hype vor allem in Deutschland und Geopolitik der USA soll vorerst durch diese drei Herren symbolisiert werden:

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Rezo << Ströer Media << Cerberus Capital Management << CEO Stephen Feinberg << Vorsitz President’s Intelligence Advisory Board, ernannt von Donald Trump:
Zwei blaue Clowns links und rechts und ein seriöser Mann in der Mitte 😉
Natürlich gibt es einen großen inhaltlichen Widerspruch zwischen Trump und Rezo in der Klimafrage, aber der amerikanischen Politik geht es nie um eine widerspruchsfreie ‚Haltung‘, eine sehr deutsche Idee, sondern darum, die Welt und besonders die Vasallen dorthin zu bewegen, wo sie sie haben will. In diesem Fall heißt das für Deutschland: zu einer weniger wettbewerbsfähigen Industrie. Mit einer extremen Klimapolitik für Deutschland kann das natürlich auch funktionieren.

Fazit und Ausblick

Dirk Pohlmann hat einen besseren Beitrag zur Klimadiskussion abgeliefert. Aus meiner Sicht hat er allerdings nur gezeigt, dass es schlechte Argumente auch unter Klimaskeptikern gibt. Nicht gezeigt hat er dagegen, dass der Klima-Alarmismus in seiner aktuell in Deutschland beliebten Form rational und wissenschaftlich begründet und die einzig mögliche Interpretation der Datenlage ist. (Nach meiner Meinung ist das auch schwer erreichbar, denn die öffentlich bekannten Daten geben das weiterhin kaum her).
In einem nächsten Beitrag will ich der Frage nachgehen, wie eine rationale hiesige Energiepolitik im Kleinen und Größeren aussehen könnte angesichts der weiterbestehenden Unsicherheiten in der Klimafrage und der skizzierten geopolitischen Hintergründe und Krisensymptome.