Climategate geht weiter

Der ClimateGate-Skandal erschütterte 2009 kurzzeitig die Klimawissenschaft.
Die Absenkung und Entfernung alter Hitzerekorde geht aber weiter und neue Rekorde sind in Deutschland leichter geworden.

Im Jahr 2009 begann der sogenannte ClimateGate-Skandal, als die eMails eines englischen Klimaforschungsinstituts gehackt und veröffentlicht wurden:



Die veröffentlichten eMails legten nahe, dass Temperatur- und andere Klimadaten nicht nur in Einzelfällen, sondern mit gängigen „Tricks“ routinemäßig manipuliert wurden. Außerdem diskutierten die hochrangigen „Forscher“ Möglichkeiten, wie sie die Herausgabe ihrer Rohdaten an die Öffentlichkeit vermeiden konnten. Eine schöne Sammlung und Bewertung ausgewählter eMails findet sich in diesem PDF . Ein Beispiel:
„Ich habe gerade Mikes Nature-Trick genutzt, indem ich die tatsächlichen Temperaturen bei jeder Serie der letzten 20 Jahre (also ab 1981) und bei den Daten von Keith ab 1961 mit berücksichtigt habe, um den Rückgang zu verbergen“

Der Veröffentlichung der eMails folgte unmittelbar die Relativierung:

Die „peinlichen“ eMails seien „ungeschickt“, aber kein Game Changer.
Ungeschickt war vielleicht, dass sie so geschrieben wurden – ohne Vorsicht für den Fall, dass sie bekannt werden könnten. Gerade deshalb konnten sie aber die Geisteshaltung in der Arbeit der Klimaforscher zeigen.
Und so ging dann auch die offizielle „Untersuchung“ der Vorgänge weiter:

„Den Forschern sei wissenschaftlich wenig vorzuwerfen, auch der seit Aufkommen der Affäre im November immer wieder kritisierte Umgang mit Temperaturrekonstruktionen aus Baumjahresringen sei angemessen gewesen. Allerdings wurde die statistische Auswertung moniert“

Der Vorwurf, dass die Untersuchung den Umgang mit den Daten reingewaschen (whitewashed) habe, wurde selbst in kritischeren Artikeln zurückgewiesen:

Dort war dann etwa zu lesen, dass diese führenden Klimaforscher den wissenschaftlichen Diskurs behindert hätten, indem sie sich absprachen, kritische Arbeiten in Peer Reviews zu blockieren und Journale, die diese Arbeiten veröffentlichen, auf eine schwarze Liste zu setzen!

Faktenchecks und Wikipedia stellen heute jedenfalls fest, den Wissenschaftlern sei nichts vorzuwerfen gewesen. Es sei nur ein kleiner Hackerzwischenfall gewesen, die eMails falsch interpretiert, von bösen Klimaleugnern natürlich.

Überarbeitung von alten Messdaten ist Realität

BEISPIEL 1: Messdaten von Hohenpeißenberg

Hohenpeißenberg, 60 Kliometer südwestlich von München, ist das Bergobservatorium mit der längsten Temperaturhistorie der Welt. In einer Veröffentlichung von 1997 veröffentlichte der spätere Leiter des Observatoriums Wolfgang Fricke, diese Grafik der in Hohenpeißenberg gemessenen Temperatur von 1781-1995:


Was diese Grafik zeigt, ist für die Klimadebatte einigermaßen spektakulär:
Zwar stieg die Jahresdurchschnittstemperatur in Hohenpeißenberg von 1890 bis 1995 von ca. 5,7 auf 6,7°C, also um etwa ein Grad. Aber um etwa 1790 war sie etwa ebenso hoch gewesen wie 1995. Der Erwärmung der letzten 100 Jahre hatte also nur die Abkühlung der 100 Jahre davor wieder ausgeglichen.

Der Deutsche Wetterdienst veröffentlichte vor einiger Zeit diesen Temperaturverlauf für Hohenpeißenberg:

Temperaturhistorie Hohenpeißenberg heute: sehr nahe am Hockey-Stick

Eine Montage beider Grafiken in eine wurde von Katharina Münz erstellt:

Die Bearbeitung der Daten wird vom DWD bestätigt und in dieser Veröffentlichung (ausgerechnet aus dem ClimateGate-Jahr 2009) erläutert. Die Originaldaten wurden in dieser Weise modifiziert:
Begründung sei ein Fehler in den 1781-1850 verwendeten Thermometern, der schon im 19. Jahrhundert entdeckt, aber nicht angemessen behandelt worden sei. Für die Korrekturen von 1879-1900 ist eine andere Fehlerquelle verantwortlich. Gleichzeitig wurden die Temperaturdaten aller DWD-Stationen, die baugleiche Thermometer verwendeten entsprechend abgesenkt, mehr als 150 Jahre, nachdem die Messungen durchgeführt und ins Protokoll geschrieben wurden.

Beispiel 2: Der Rekord im Death Valley

Das Death Valley in der Mojave-Wüste im US-Bundestaat Kalifornien ist der trockenste Nationalpark der USA und ein Hitzepol der Welt. Im Jahr 1913 wurde dort die höchste bisher gemessene Temperatur auf der Erdoberfläche gemessen. An dieses Ereignis hat die Süddeutsche Zeitung 100 Jahre später erinnert:

2013: Süddeutsche Zeitung erinnert an den Temperaturrekord von 1913

Im Jahr 2020 hat dieselbe Süddeutsche jedoch einen neuen Temperaturrekord verkündet:

Wie kann das sein, dass eine 2,3°C niedrigere Temperatur einen neuen Rekord bedeutet? Die Süddeutsche Zeitung schreibt:

Im Juli 1913 sollen im Death Valley 56,7 Grad Celsius gemessen worden sein. Doch an diesem Wert gibt es Zweifel; das damalige Messgerät ist mit den viel präziseren, heutigen Messinstrumenten nicht zu vergleichen. Auch der offiziell zweithöchste Wert, 55 Grad in Tunesien im Jahr 1931, wird von Meteorologen seit einiger Zeit kritisch gesehen. Der vergangene Sonntag könnte also als heißester Tag seit Beginn der Messungen in die Geschichtsbücher eingehen, sollte die WMO die alten Messungen für ungültig erklären – was sie bei anderen vermeintlichen historischen Rekordmessungen bereits getan hat“

Wie man dem Wikipedia-Eintrag entnimmt, ist der alte Rekord bis heute wohl noch nicht für „ungültig“ erklärt. Dort heißt es:
„Jedoch führen einige Meteorologen dieses Ergebnis, gestützt durch neuere Untersuchungen, auf einen Beobachtungsfehler zurück“
Dafür wird nur eine Veröffentlichung angegeben, die auch formuliert, dass 2020 ein neuer Rekord gemessen worden sein könnte. Die beiden Zweifler heißen Burt (er schrieb es in einem Blog) und Herrera. Sie zweifeln sowohl am alten als auch am neuen Rekord, und genau Burt bezweifelt auch den tunesischen Zweitplatzierten. Mehr ist da nicht. Im Artikel heißt es noch, dass es „kein Interesse“ gebe, die alten Rekorde in Frage zu stellen und dass so ein Verfahren lange dauere. Alles in allem ist es nicht viel mehr als eine Einzelbehauptung in einem Blog, die die Süddeutsche Zeitung veranlasst hat, einen neuen Rekord groß zu verkünden und nur im Kleingedruckten zu erwähnen, dass er stark im Konjunktiv steht. Der Autor tat so, als seien die alten Rekorde aus dem Death Valley und Tunesien schon so gut wie gestrichen: Wunschdenken?

Zweifel an neuen Messungen

Im Jahr 2015 erschien in der Augsburger Allgemeinen ein lesenswertes Interview mit dem Meteorologen Klaus Haager (Sicherungskopie hier). In diesem Interview behauptet der Meteorologe:

Über dem Artikel hat die Augsburger Allgemeine einen „Hinweis“ hinzugefügt:
Hinweis: Dieser Artikel wird aktuell einmal mehr massiv in sozialen Netzwerken verbreitet. Wir weisen deshalb darauf hin, dass dieser Bericht aus dem Jahr 2015 stammt und möglicherweise veraltet ist bzw. nicht den aktuellen Stand der Dinge widerspiegelt. Der Deutsche Wetterdienst hat in der Zwischenzeit eine Stellungnahme zu dem Text veröffentlicht

Als ob das Alter von einigen Jahren etwas an der Brisanz der Aussagen ändern würde!
Man Vergleiche das mit dem Eichfehler, den der Meteorologe in Hohenpeißenberg im Jahr 1850 entdeckt hat und den der DWD dann fast 160 Jahre später in zahlreiche Messreihen eingearbeitet hat. Was Haager beschreibt, ist nichts anderes als eine Eichmessung, die einen Eichfehler zeigen würde. Diese Messungen wurden im Rahmen einer Diplomarbeit durchgeführt, die er selbst betreut hat. War die Eichmessung von 1850 mehr wert? Immerhin beschreibt die Arbeit von Peter Winkler eine komplexe Serie nachträglicher und theoretischer Überlegungen zur damaligen Eichmessung, an deren Ende dann die Korrektur vieler Temperaturdaten stand.

In der Stellungnahme zu Haagers Interview macht der DWD aber folgendes Zugeständnis:
Der Vergleich der Extremwerte zeigte, dass die automatischen Messungen bei hohen Maxima etwas größere Werte liefern als die manuellen Messungen und bei niedrigen Minima etwas niedrigere Messwerte

Einerseits ist daran zu kritisieren, dass keine Angabe gemacht wird, wie groß denn diese Unterschiede bei Extremwerten ausfallen (können). Das wäre eine wichtige Angabe im Vergleich zu den 0,9°C von Haager aber auch zu den 0,6°C von 1850 in Hohenpeißenberg. Die Angabe „etwas“ ist verdächtig vage gehalten.
Andererseits kompensieren die erniedrigten Minima nicht die erhöhten Maxima in einer Zeit, in der Medien (wie die Süddeutsche Zeitung, siehe oben) vor allem darauf scharf sind, Hitze-Maxima der Gegenwart zu verkünden und solche der Vergangenheit in Frage zu stellen.
Die Chance, Temperaturrekorde für Deutschland zu verkünden, ist durch die Umstellung der Messtechnik also objektiv erhöht worden. Man wüsste schon gerne um wieviel!

Fazit

Es wird in der Klimaforschung und Meteorologie auch daran gearbeitet, alte Temperatur-Messungen abzusenken, nicht heimlich als Trick, über den nur in eMails „ungeschickt“ gesprochen wird wie bei ClimateGate, sondern ganz offiziell. Ich habe hier ausreichend dokumentiert, dass im Ergebnis alte Hitzerekorde abgesenkt oder wegdiskutiert und neue Hitzerekorde leichter möglich werden.
Und insbesondere manche Medien verraten ein großes strukturelles Bedürfnis danach, alte Temperatur-Rekorde zu streichen und neue zu verkünden.
Der Grund ist naheliegend: beides stärkt das Narrativ, dass es heute so heiß sei wie noch zuvor, nicht nur im Death Valley, sondern auf der ganzen Welt. Langfristig sind das schlechte Karten für die Hitzerekorde von 1913 im Death Valley und von 1931 in Tunesien.

„Wer die Vergangenheit beherrscht, beherrscht die Zukunft. Wer die Gegenwart beherrscht, beherrscht die Vergangenheit“ George Orwell

Nachtrag 8.5.2023
Ich hatte versucht, die Original-Veröffentlichung im Promet-Magazin zu finden, in der Wolfgang Fricke, die Grafik zur Temperaturhistorie von Hohenpeißenberg veröffentlicht hatte. Diese Veröffentlichung aus einer Zeit, in der der Kampfbegriff der „Klimaleugnung“ noch gar nicht erfunden war, ist sehr wertvoll. Katharina Münz hat das Promet-Heft jetzt gefunden! Vielen Dank! Ich stelle das gute Stück jetzt auch hier bereit:

Dieses Dokument aus einer Zeit, als der Begriff ‚Klimaleugner‘ noch gar nicht erfunden war, konnte ich deshalb jetzt auch oben im Beitrag verlinken.
Die fachliche Redaktion des Heftes hatte im Jahr 1997 offensichtlich derselbe Peter Winkler, der 12 Jahre später die Arbeit zur Überarbeitung der Messdaten veröffentlicht hat. Und über Teile dieser Arbeit, z.B. die veränderten Ablesezeiten, schrieb Wolfgang Fricke ebenfalls schon etwas 1997 in dieser Veröffentlichung. Das sollte ein etwas genaueres Studium wert sein.

Nachtrag 9.5.2023
Hintergrund zur Temperaturhistorie

Nachtrag 12.5.2023
Interessantes Video zum Thema:

Die Ergebnisse aus den Eisbohrkernen von Grönland und andere würden also sehr gut zur alten, unbearbeiteten Messreihe von Hohenpeißenberg passen.

Nachtrag 13.12.2023
Interessanter Beitrag über die (besonders weit zurückreichenden) Temperaturdaten Berlins und ihre Vertuschung: Das unbekannte Klima Berlins.