Ein deutsch-amerikanischer Konflikt?

Im ersten Beitrag dieser Serie habe ich Emmanuel Todds Skizze des „Deutschen Europa“ vorgestellt, im zweiten Antrieb und Entstehung. Dieser 3. Teil des Interviews von 2014 mit Olivier Berruyer bringt jetzt Todds Prognose von damals, dass das deutsche Europa vor einem Konflikt mit den USA stehe, weil das wirtschaftliche Gewicht, vor allem in der Industrie, das amerikanische Imperium von innen bedrohe. Diese These wirft ein neues Licht auf einige Entwicklungen der letzten beiden Jahre, u.a. auf die VW-Krise und die Wahl Donald Trumps und seiner protektionistischen Wirtschaftspolitik.

Der Kräftezuwachs des deutschen Systems legt nahe, dass die USA und Deutschland vor einem Konflikt stehen

Nach einem längeren Exkurs über den Zustand und die mögliche weitere Entwicklung der Ukraine kommen Berruyer und Todd auf einen möglichen Konflikt zwischen den USA und Deutschland zu sprechen:

Olivier Berruyer: Kommen wir auf die globale Macht des amerikanischen Systems zurück, das so weit von der Ukraine entfernt ist und deshalb sehr wenig in der Lage, von seiner Integration und Desintegration durch das „westliche System“ zu profitieren.

Emmanuel Todd: Das amerikanische System beruht nach Zbigniew Brzezinksi auf der Kontrolle der zwei großen Industrienationen Eurasiens durch die USA, d.h., von Japan und Deutschland. Aber das funktioniert unter der Bedingung, dass Amerika selbst beim industriellen Gewicht spürbar überlegen ist:

Anteil an der weltweiten industriellen Produktion (in %):Industrieproduktion19282011
Quellen: 1928 Arnold Toynbee und Mitarbeiter: Die Welt im März 1939; 2011 Weltbank

1928 repräsentierte die amerikanische industrielle Produktion 45% der weltweiten industriellen Produktion. Nach dem Krieg im Jahr 1945 repräsentierte sie immer noch 45%. Amerika ist auf 17,5% gefallen. Das System von Brzezinski, die Kontrolle Eurasiens, kann im Lichte dieser Zahlen keinen Bestand haben. Wie ich es in „Weltmacht USA: ein Nachruf“ beschrieben habe, ist sein wirtschaftlicher Austausch mit der Ukraine vernachlässigbar. In Osteuropa sichert die NATO tatsächlich einen deutschen Raum. Man müsste für den Gebrauch von Washington die alte Redensart „Krieg führen für den König von Preußen“ neu auflegen.

Olivier Berruyer: Welche Zukunft kann es in diesem Kontext für die deutsch-amerikanischen Beziehungen geben?

Emmanuel Todd: Wenn Sie in der verwunschenen Welt der aktuell dominanten Ideologie leben, jener der Zeitung ‚Le Monde‘, von Francois Hollande, die auch diejenige der naiven Anti-Imperialisten ist, muss und kann der westliche Block, die Union Amerikas und Europas, unter dessen Vormundschaft Japan steht, Russland eindämmen. Wenn man die Hypothese eines guten strategischen Einverständnisses und einer starken Zusammenarbeit macht, könnte der Westen die russische Wirtschaft besiegen. Vielleicht… Aber es gibt auch noch China, Indien, Brasilien, die Welt ist groß…

Aber wenn man in die Welt des strategischen Realismus geht, die die Realität der Kräfteverhältnisse sieht ohne Bezug auf Werte, echte oder mythische, stellt man fest, dass heute zwei große entwickelte industrielle Welten existieren, Amerika einerseits und dieses neue Deutsche Reich andererseits. Russland ist eine zweitrangige Frage. Man muss also etwas ganz Anderes ins Auge fassen für die kommenden 20 Jahre als den Ost-West-Konflikt: der Machtzuwachs des deutschen Systems legt nahe, dass die USA und Deutschland auf einen Konflikt zulaufen. Das entspricht einer intrinsischen Logik, die auf den Kräfteverhältnissen und der Dominanz basiert. Es ist nach meiner Meinung unrealistisch, sich ein friedliches Einverständnis für die Zukunft vorzustellen.

Deutschland und die USA haben nicht dieselben Werte

An diesem Punkt können wir jedoch den Begriff des „Werts“ wieder einführen. Aber genau um zu unterstreichen, dass für einen Anthropologen, der auf seine Weise realistisch ist, und für einen Historiker der langen Zeiträume, die USA und Deutschland nicht dieselben Werte haben. Konfrontiert mit dem wirtschaftlichen Stress der Großen Depression, hat Amerika, das Land der liberalen Demokratie, Roosevelt hervorgebracht, während Deutschland, das Land der autoritären und inegalitären Kultur, Hitler hervorgebracht hat.

Der Glaube der Amerikaner an die Gleichheit ist gewiss ein sehr relativer Glaube. Die USA sind das führende Land beim Anstieg der wirtschaftlichen Ungleichheiten – ganz zu schweigen von der Segregation gegenüber den Schwarzen, ein Problem, das weit davon entfernt ist, geregelt zu sein, wie die Aufstände von Ferguson bezeugen. Aber sie sind aktuell auch ein führendes Land im Versuch, eine vereinte Welt zu schaffen mit Bevölkerungen sehr verschiedener Ursprünge. In diesem Sinne bleibt die Wahl von Obama ein starkes Symbol, trotz der offensichtlichen Ermüdung des Präsidenten während seines zweiten Mandats.

Wenn man nur den Körper der Bürger Deutschlands betrachtet, kann man sagen, dass der Anstieg der wirtschaftlichen Ungleichheit dort moderat bleibt, sehr viel geringer als das, was man in der anglo-amerikanischen Welt beobachtet. Aber wenn man das deutsche System in seiner europäischen Gänze betrachtet, indem man die Niedriggehälter Osteuropas miteinschließt und die Senkung der Gehälter des Südens, kann man ein viel stärkeres System der inegalitären Dominanz in der Entstehung identifizieren. Die Gleichheit, die übrigbleibt, betrifft nur den Körper der dominierenden Bürger, der deutschen.

Ich werde an dieser Stelle das politikwissenschaftliche Konzept des belgischen Anthropologen Pierre van den Berghe wieder aufgreifen: die Herrenvolk-Demokratie (Anmerkung des Übersetzers: „Herrenvolk“ auch im franz. Original wörtlich so verwendet), d.h., die Demokratie des Volks der Herren. Springen Sie nicht an die Decke! Diese Worte lassen die Erde nicht einstürzen. Ich habe mich kürzlich in denselben Worten in einem Interview mit der deutschen Zeitung „Die Zeit“ ausgedrückt.
Anfangs wendete Pierre van den Berghe dieses Konzept der ethnischen Demokratie auf das Südafrika der Apartheid an, wo ein Körper gleicher Bürger existierte, der perfekt nach den liberalen und demokratischen Regeln funktionierte, aber dessen Freiheit und Demokratie nur deshalb hielten, weil es Dominierte gibt. Dasselbe für das Amerika zur Zeit der Rassentrennung: die interne Gleichheit der weißen Gruppe wurde gewährleistet durch die Beherrschung der Indianer und der Schwarzen… in gleicher Weise könnte man Israel als Herrenvolk-Demokratie kategorisieren. Was an Zusammenhalt und Freiheit in der israelischen Demokratie existiert, wird durch die Existenz einer feindlichen Masse von Arabern gewährleistet.

Wenn ich das aktuelle Europa beschreiben müsste, wenn ich politisch die ökonomische Karte kommentieren müsste, würde ich sagen, dass Europa oder das Deutsche Reich die allgemeine Form einer Herrenvolk-Demokratie anzunehmen beginnt, mit einer deutschen Demokratie in ihrem Herzen, die für dieses dominierende Volk reserviert ist, und darum herum einer ganzen Hierarchie von Bevölkerungen, die mehr oder weniger dominiert werden und deren Stimmen (bei Wahlen) keinerlei Bedeutung mehr haben. Man versteht in diesem Modell besser, warum nichts passiert, wenn wir in Frankreich einen Präsidenten wählen. Weil er keine Macht mehr hat, besonders über das Währungssystem. Man findet sich also in einer Demokratie wieder, deren Freiheit von Presse, Meinung und anderem vollständig respektiert werden; wo es gar kein Problem gibt, wo aber im Grunde die Stabilität des Systems auf der unterbewussten Solidarität im Inneren der Gruppe der Dominierenden beruht. In dem Europa, das sich abzeichnet, könnte man die Deutschen wie die Weißen im Amerika der Segregation auffassen.

Heute ist die politische Ungleichheit im deutschen System offensichtlich stärker als im amerikanischen System. Die Griechen und die anderen können an Wahlen zum Bundestag nicht teilnehmen, während die amerikanischen Schwarzen und Latinos es bei Präsidenten- und Kongresswahlen können. Das EU-Parlament ist ein Beschiss, der Kongress nicht.

Olivier Berruyer: Denken Sie nach dieser Vorrede, dass wir gegenüber Deutschland wachsamer sein müssten?

Emmanuel Todd: Es ist wahr, dass ich pessimistisch bin. Die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland sich zum Guten wendet, wird jeden Tag geringer. Sie ist bereits sehr gering. Die autoritäre deutsche Kultur erzeugt eine systematische psychische Instabilität der Regierenden, wenn sie sich in einer dominanten Position befinden – was seit dem Krieg nicht mehr der Fall war. Ihre häufige historische Unfähigkeit, sich in einer Situation von Vorherrschaft eine friedliche und vernünftige Zukunft für alle  vorzustellen, taucht auf diese Art heute in der Form des Exportwahns wieder auf. Dann kommt von jetzt an für diese Regierenden eine Interaktion mit der polnischen Absurdität und der ukrainischen Gewalt hinzu. Traurigerweise ist das Schicksal Deutschlands für mich kein komplett unbekanntes.

Wie werden die Deutschen eine schlechte Wendung nehmen? Das Median-Alter oder die Abwesenheit eines Militärapparats kann den Prozess ein wenig bremsen, aber man stellt jede Woche eine Radikalisierung der deutschen Haltung fest. Verachtung der Engländer, der Amerikaner, schamloser Besuch von Merkel in Kiew. Die Beziehung zu den Franzosen, deren freiwillige Knechtschaft wesentlich ist für die Kontrolle Europas, wird diese Frage beantworten. Aber wir wissen bereits. Mit der Affäre der Mistral-Verkäufe an Russland: die deutschen Regierenden verlangen jetzt von  Frankreich zu liquidieren, was von seiner Rüstungsindustrie übrig ist. Die deutsche Kultur ist inegalitär: sie macht es schwierig, eine Welt von Gleichberechtigten zu akzeptieren. Wenn sie sich für die Stärksten halten, vertragen die Deutschen die Gehorsamsverweigerung der Schwächeren sehr schlecht. Die Weigerung wird als unnatürlich angesehen, als unvernünftig.
In Frankreich wäre eher das Gegenteil der Fall. Der Ungehorsam ist ein positiver Wert. Man lebt damit, das ist ein Teil des französischen Charmes, weil in Frankreich auch ein mysteriöses Potenzial für Ordnung und Effizienz existiert.
Die Beziehung Amerikas zur Disziplin und Ungleichheit ist komplex auf eine andere Weise und verdiente seitenlange Analyse. Lassen Sie es uns kurz machen: die disziplinierte Beziehung Untergeordneter-Übergeordneter des deutschen Typs würde schwerlich als akzeptabel durchgehen. Die angelsächsische Kultur ist nicht egalitär, aber sie ist wirklich liberal. Gleich oder ungleich: es kommt darauf an. Der vernünftige Unterschied, der in den Familien zwischen den Brüdern gemacht wird, führt zu dem Begriff des vernünftigen Unterschieds zwischen Individuen, zwischen Völkern. Das ist übrigens der Grund für den Erfolg des amerikanischen Modells: die anglo-amerikanische Kultur kann internationale Unterschiede vernünftig managen.

Zum Schluss ist es zwingend festzustellen, dass die beiden Blöcke, der amerikanische und der deutsche, von Natur aus antagonistisch sind. Sie vereinen alle Elemente, die Konflikte erzeugen: Bruch des ökonomischen Gleichgewichts, Unterschiede bei den Werten. Je schneller Russland aus dem Spiel sein wird, gebrochen oder marginalisiert, umso schneller werden sich diese Unterschiede äußern. Für mich ist die aktuell entscheidende historische Frage, die niemand stellt, die folgende:
werden die Amerikaner bereit sein, diese neue Realität eines Deutschland zu sehen, das sie bedroht? Und wenn ja, wann?

Olivier Berruyer: Wenn Sie einen Konflikt zwischen der amerikanischen Nation und dem neuen Deutschen Reich vorhersagen, sind Sie sich dann sicher?

Emmanuel Todd: Offensichtlich nicht. Ich erweitere das Feld der Vorausschau. Ich beschreibe eine mögliche Zukunft unter anderen möglichen Zukünften. Eine andere wäre die Verfestigung der Gruppe Russland-China-Indien in einem kontinentalen Block, der sich dem westlichen euro-amerikanischen Block entgegenstellt. Aber dieser eurasische Block könnte nur funktionieren unter Hinzufügung Japans, das allein in der Lage wäre, ihn technologisch auf westliches Niveau zu heben. Aber was wird Japan tun? Im Moment ist es gegenüber den USA loyaler als Deutschland. Aber es könnte genug bekommen von den alten westlichen Konflikten. Der aktuelle Schock lähmt seine Annäherung an Russland, die völlig logisch ist vom Standpunkt der Energieversorgung und des Militärischen, ein wichtiges Element des neuen politischen Kurses, der vom neuen Premierminister Abe vorgegeben wurde. Das ist ein anderes Risiko für die USA, das sich vom neuen aggressiven deutschen Kurs ableitet.

Olivier Berruyer: Es sind so verschiedene Zukünfte möglich, aber nicht unzählige; 4 oder 5 vielleicht…

Emmanuel Todd: Ich habe wieder begonnen, Science-Fiction zu lesen, um mir das Gehirn zu schrubben und den Geist zu öffnen. Ich empfehle lebhaft eine Übung desselben Typs den Leuten, die uns regieren, die mit entschiedenem Schritt marschieren, ohne zu wissen, wohin sie gehen. □

Meine Kommentare:

  • Man muss sich heute die Frage stellen, ob die USA die wirtschaftliche Herausforderung durch das „deutsche Europa“ seit diesem Interview im Sommer 2014 möglicherweise bereits angenommen haben. Folgende Ereignisse der letzten zwei Jahre würden dadurch u.U. verständlicher werden:
    1. Die besonders harten Strafen für deutsche Banken in den USA „wegen ihrer Rolle in der Finanzkrise“
    2. Der VW-Abgas-Skandal, der sich in seiner übertriebenen Ausgestaltung auch sehr gut als Schritt zur Eindämmung der deutschen Industrie verstehen lässt
    3. Der Brexit als Vorbereitung einer härteren Gangart gegen die EU
    4. Die Wahl eines Präsidenten Trump, der sich sofort nicht nur gegen die chinesische, sondern auch die deutsche Exportpolitik geäußert hat.
    5. Das teilweise absurd-überdrehte Wüten deutscher Medien gegen den Kandidaten und Präsidenten Trump deutet darauf hin, dass die deutsche Politik und die ihr eng verbundenen Medien wussten, dass Donald Trump für eine amerikanische Politik steht, die im Sinne dieser Analyse von Todd das deutsch-amerikanische Verhältnis neu bewertet und Deutschland als Gefahr für amerikanische Interessen begreift.
  • Man sollte wissen, dass die Analysen Emmanuel Todds in Zirkeln der amerikanischen Außenpolitik gelesen und ernst genommen werden. Hier ein Beispiel aus jüngster Zeit.
  • Die drohende Gefahr, dass die USA aufhören, die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands in Osteuropa zu schützen (oder dafür zumindest viel Geld zu verlangen), erklärt auch sehr gut die in Deutschland zunehmend offensiv geführte Debatte über eine deutsche Atombombe. Siehe hier und hier.
  • Es ist eine Realität, dass die Mitglieder der „Troika“ ständig nach Griechenland fahren, um der Regierung ihr Budget vorzuschreiben. Das griechische Parlament hat nichts mehr zu sagen, die griechische Demokratie ist deshalb tatsächlich so dahin, wie es Todd hier skizziert hat: Die können wählen, was sie wollen, es spielt keine Rolle. Das kann nicht in meinem Interesse als kleines deutsches Bürgerlein liegen. Ich will, dass griechische Bürger über ihr Parlament selbst über ihre inneren Angelegenheiten und vor allem ihr Budget entscheiden können. Ich habe keine Lust, einem „Herrenvolk“ anzugehören, in dessen Namen Griechenland kujoniert wird. Dazu kommt, dass viele Deutsche wenig davon haben, weil sie dieses Modell durch zu niedrige Löhne indirekt finanzieren.
  • Die Anwendbarkeit des Konzepts der Herrenvolk-Demokratie auf Deutschland hat sich stark relativiert, seitdem klar ist, dass das ‚Herrenvolk‘ auch in seinen essentiellen Angelegenheiten selbst nichts zu melden hat.

 

 

Entstehung des deutschen Europa

Im letzten Beitrag habe ich Emmanuel Todds Skizze des „Deutschen Europa“ vorgestellt. In diesem zweiten Beitrag geht es jetzt um die Teile I+II des Interviews von 2014 mit Olivier Berruyer:

Entstehung und Antrieb des ‚Deutschen Europa‘

Im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise und Russland kommt Todd auf Deutschland zu sprechen:

Emmanuel Todd: …Man registriert widersprüchliche Signale von Deutschland. Manchmal findet man es eher pazifistisch, auf einem Pfad von Rückzug und Kooperation. Manchmal erscheint es im Gegenteil sehr an der Spitze im Disput und in der Auseinandersetzung mit Russland. Diese harte Linie nimmt jeden Tag an Stärke zu. Steinmeier hat sich von Fabius und Sikorski nach Kiew begleiten lassen. Merkel besucht nun das neue ukrainische Protektorat allein (Anm. des Übersetzers: im Jahr 2014).
Aber nicht nur in dieser Auseinandersetzung ist Deutschland an der Spitze. Sechs Monate lang und auch in den letzten Wochen, als sie in den ukrainischen Ebenen schon virtuell im Konflikt mit Russland war, hat Merkel die Engländer gedemütigt, indem sie ihnen mit einer unglaublichen Grobheit Juncker als Kommissionspräsident aufgezwungen hat. Eine noch außerordentlichere Sache war es, dass die Deutschen begonnen haben, die Auseinandersetzung mit den Amerikanern zu suchen, indem sie sich einer Spionageaffäre der Amerikaner bedient haben. Das ist absolut unglaublich, wenn man die Verflechtung der amerikanischen und deutschen Spionageaktivitäten seit dem Kalten Krieg kennt. Es sieht im Übrigen heute so aus, als ob der deutsche Geheimdienst ganz normal auch die amerikanischen Politiker ausspioniert. Mit dem Risiko zu schockieren würde ich sagen, dass ich angesichts der Ambiguitäten der deutschen Politik im Osten ganz dafür bin, dass die CIA die deutschen politisch Verantwortlichen überwacht. Ich hoffe übrigens, dass die französischen Geheimdienste ihre Arbeit machen und an der Überwachung eines Deutschland teilnehmen, dass auf dem internationalen Feld immer aktiver und abenteuerlustiger wird. Es bleibt dabei, dass diese antiamerikanische Aggressivität ein neues Phänomen ist, das man sich bewusst machen muss. Ihr Stil ist faszinierend. Die Art und Weise, in der die deutschen Politiker über die Amerikaner gesprochen haben, bezeugt eine tiefe Verachtung. Es gibt einen bedeutenden antiamerikanischen Untergrund auf der anderen Seite des Rheins. Ich hatte Gelegenheit gehabt, ihn zu messen, anlässlich der Veröffentlichung meines Buches „Weltmacht USA: Ein Nachruf“ auf Deutsch. Nach meiner Meinung erklärt er (der Antiamerikanismus, Anmerkung des Übersetzers) weitgehend den außerordentlichen Bucherfolg dieser Übersetzung. Wir sehen schon einen Moment, in dem die deutsche Regierung sich lustig macht über amerikanische Ermahnungen in der Wirtschaftspolitik: einen Beitrag leisten zur globalen Nachfrage? Und was sonst noch? Deutschland hat sein Projekt, eher von Macht als von eigenem Wohlergehen: die Nachfrage in Deutschland drücken, die verschuldeten Staaten des Südens versklaven, die Osteuropäer dazu bringen, dass sie sich an die Arbeit machen, den französischen Banken, die den Elysée-Palast (also den französischen Präsidenten, Anmerkung des Übersetzers) kontrollieren, einige Peanuts spendieren, etc.

In einer ersten Zeit, im Moment der Eroberung der Krim, war ich eher sensibel gewesen für die Wiederherstellung Russlands: eine Macht, die sich nicht mehr auf die Füße steigen lassen will und die in der Lage ist, Entscheidungen zu fällen. Aktuell stelle ich fest, dass Russland fundamental eine Nation in der Stabilisierung ist, und nur in der Stabilisierung, selbst wenn die Leute aus ihr einen bösen großen Wolf machen. Die wahre sich zeigende Macht, noch vor Russland, ist Deutschland. Es hat einen außergewöhnlichen Weg hinter sich, von seinen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zur Zeit der Wiedervereinigung zu seiner wirtschaftlichen Wiederherstellung, dann zur Übernahme der Kontrolle über den Kontinent in den letzten fünf Jahren. Alles das ist es wert, dass man es neu interpretiert. Die Finanzkrise hat nicht einfach nur die Solidität Deutschlands gezeigt. Es hat auch seine Fähigkeit gezeigt, die Schuldenkrise zu nutzen, um die Gesamtheit des Kontinents zum Gehorsam zu zwingen. Wenn man sich von der archaischen Rhetorik des Kalten Krieges befreit, wenn man aufhört, die ideologische Rassel der liberalen Demokratie und ihrer Werte zu schütteln, und wenn man es lässt, dem pro-europäischen Blabla zuzuhören, um die historische Sequenz zu beobachten, die in roher und beinahe kindlicher Weise im Gang ist, kurz, wenn man bereit ist zu sehen, dass der König nackt ist, stellt man fest:

1.) In den letzten fünf Jahren hat Deutschland auf dem wirtschaftlichen und politischen Feld die Kontrolle über Europa übernommen.
2.) Europa ist am Ende dieser fünf Jahre virtuell bereits im Krieg mit Russland

Frankreich und die USA leugnen die deutsche Realität

Dieses Phänomen wird durch eine doppelte Leugnung vernebelt. Zwei Länder handeln wie Riegel, damit man die Realität dessen, was geschieht, nicht versteht.
Zunächst Frankreich, das noch immer nicht zugeben will, dass es sich in den Zustand einer freiwilligen Knechtschaft gegenüber Deutschland begeben hat. Es kann nicht anders handeln, solange es nicht unumwunden diesen Machtanstieg Deutschlands zugibt und die Tatsache, dass es nicht auf dem Niveau ist, um es (Deutschland) zu kontrollieren. Wenn es eine geopolitische Lektion des Zweiten Weltkriegs gibt, dann ist das sehr wohl die, dass Frankreich Deutschland nicht kontrollieren kann, dessen immense Qualitäten in der Organisation und wirtschaftlichen Disziplin wir anerkennen müssen – ebenso wie das nicht minder immense Potenzial zur politischen Irrationalität. Die französische Verweigerung der deutschen Realität ist eine Offensichtlichkeit. Schon eine ganze Weile spreche ich von François Hollande als dem „Vize-Kanzler Hollande“. Beziehungsweise sogar jetzt eher von einem einfachen „Kommunikationsdirektor des Kanzleramts“. Er ist nichts, er hat außergewöhnliche Niveaus der Unpopularität erreicht, die zu einem Teil von seiner Servilität gegenüber Deutschland kommen. François Hollande wird auch von den Franzosen verachtet, weil er ein Mann ist, der Deutschland gehorcht. Umfassender betrachtet nehmen die französischen Eliten, journalistische ebenso wie politische, an diesem Prozess der Leugnung teil.

Die Akteure sind inkompetent und sich sehr wenig bewusst, was sie tun

Olivier Berruyer: Sie sagen, dass „Frankreich letztendlich Deutschland nicht kontrollieren kann“: kann man nichts tun oder muss es jemand anders tun?

Emmanuel Todd: Jemand anders muss es tun. Das letzte Mal ist diese Aufgabe Amerikanern und Russen zugefallen. Man muss zugeben, dass das „System Deutschland“ eine außergewöhnliche Kraft entfalten kann. Als Historiker und Anthropologe könnte ich Dasselbe über Japan, über Schweden oder die jüdische, baskische oder katalanische Kultur sagen. Das ist eine Tatsache: gewisse Kulturen sind so. Frankreich hat andere Qualitäten. Es hat die Ideen von der Gleichheit und der Freiheit hervorgebracht, eine Lebensart, die den Planeten fasziniert, und es macht von nun an mehr Kinder als seine Nachbarn und bleibt dabei ein fortschrittliches Land auf dem intellektuellen und technologischen Feld. Es ist wahrscheinlich, dass man am Ende, wenn man wirklich urteilen müsste, zugeben müsste, dass Frankreich eine ausgeglichenere und befriedigendere Vision von der Welt hat. Aber es geht hier nicht um Metaphysik oder Moral: wir sprechen von internationalen Kräfteverhältnissen. Wenn ein Land sich auf die Industrie oder den Krieg spezialisiert, muss man das berücksichtigen und zusehen, wie diese wirtschaftliche, technologische und Macht-Spezialisierung kontrollierbar wird.

Olivier Berruyer: Welches ist das zweite Land in der Verleugnung?

Emmanuel Todd: Die USA. Die amerikanische Verleugnung war im ersten Stadium der Emanzipation Deutschlands zur Zeit des Irakkriegs im Jahr 2003 und des Bündnisses Schröder-Chirac-Putin formalisiert worden. Gewisse amerikanische Strategen hatten damals gesagt: „Man muss Frankreich bestrafen, Deutschland (also, was es gemacht hat) vergessen und Russland verzeihen“ (“Punish France, forget Germany, forgive Russia“). Warum? Weil der Schlüssel zur Kontrolle Europas durch die USA, das Erbe des Sieges von 1945, die Kontrolle Deutschlands ist. Die Emanzipation Deutschlands von 2003 schriftlich niederzulegen, hätte bedeutet, den Beginn der Auflösung des amerikanischen Imperiums schriftlich niederzulegen. Diese Vogel-Strauß-Strategie hat sich begründet, verfestigt und scheint heute den Amerikanern eine korrekte Sicht auf die deutsche Entpuppung zu verbieten, eine neue Bedrohung für sie, nach meiner Meinung auf Dauer sehr viel gefährlicher für die Integrität des Imperiums als Russland, das außerhalb des Imperiums liegt. Deutschland spielt eine komplizierte, ambivalente Rolle, treibt aber die Krise an. Häufig erscheint die deutsche Nation als pazifistisch und Europa, das unter deutsche Kontrolle steht, als aggressiv. Oder umgekehrt. Deutschland hat von nun an zwei Hüte auf: Europa ist Deutschland, und Deutschland ist Europa. Es kann also mit mehreren Stimmen sprechen. Wenn man die psychische Instabilität kennt, die historisch die deutsche Außenpolitik charakterisiert, und seine Bipolarität im psychiatrischen Sinn in seiner Beziehung zu Russland, ist das ziemlich beunruhigend. Ich bin mir bewusst, dass ich hart spreche, aber Europa befindet sich (Anmerkung des Übersetzers: das Interview fand im Sommer 2014 statt) am Rande des Krieges mit Russland und wir haben nicht mehr die Zeit, höflich und glatt zu sein. Bevölkerungen russischer Sprache, Kultur und Identität werden in der Ostukraine angegriffen mit Billigung, Unterstützung und wahrscheinlich schon mit Waffen aus der EU. Ich denke, dass die Russen wissen, dass sie in der Tat im Krieg mit Deutschland sind. Ihr Schweigen über diesen Punkt ist nicht wie in den französischen und amerikanischen Fällen eine Weigerung, die Realität zu sehen. Es ist gute Diplomatie. Sie brauchen Zeit. Ihre Selbstkontrolle, ihre Professionalität, wie Putin oder Lavrov sagen würden, ringen Bewunderung ab.

Bisher war es die Strategie der Amerikaner in dieser Krise, hinter den Deutschen her zu laufen, damit man nicht sieht, dass sie die europäische Situation nicht mehr kontrollieren. Dieses Amerika, das nicht mehr kontrolliert, aber die regionalen Abenteuer der Vasallen genehmigen muss, ist ein Problem geworden, das geopolitische Problem Nr. 1. Im Irak muss Amerika schon mit dem Iran kooperieren, seinem strategischen Gegner, um sich den Jihadisten entgegenzustellen, die von Saudi-Arabien subventioniert werden. Saudi-Arabien hat wie Deutschland den Status eines wichtigen Alliierten, sein Verrat darf deshalb nicht schriftlich festgehalten werden… In Asien beginnen die Südkoreaner aus Ressentiment gegen die Japaner, mit den Chinesen krumme Geschäfte zu machen, den strategischen Rivalen der Amerikaner. Überall, und nicht nur Europa, bekommt das amerikanische System Risse, löst sich auf oder Schlimmeres.

Die deutsche Macht und Hegemonie in Europa verdienen also eine Analyse, in einer dynamischen Perspektive. Man muss explorieren, hochrechnen, voraussehen, um sich in der Welt zu orientieren, die in Entstehung begriffen ist. Man muss akzeptieren, diese Welt so zu sehen, wie sie die realistische strategische Schule sieht, diejenige von Henry Kissinger zum Beispiel, das heißt, ohne sich die Frage der politischen Werte zu stellen: diejenige von reinen Kräfteverhältnissen zwischen nationalen Systemen. Wenn man so nachdenkt, stellt man fest, dass Russland nicht das Problem der Zukunft ist, dass China noch nicht viel darstellt, was die militärische Macht angeht. In unserer globalisierten wirtschaftlichen Welt, können wir die Entstehung einer neuen Frontstellung zwischen zwei großen Systemen vorausahnen: der amerikanischen Kontinent-Nation und diesem neuen deutschen Reich, einem ökonomisch-politischen Reich, das die Leute aus Gewohnheit weiterhin Europa nennen. Es ist interessant, das Kräfteverhältnis zwischen den beiden zu bestimmen.

Wir wissen nicht, wie die Ukraine-Krise enden wird. Wir müssen aber die Anstrengung unternehmen, uns hinter diese Krise zu versetzen. Das Interessanteste ist zu versuchen, sich vorzustellen, was ein Sieg des „Westens“ hervorbringen würde. Und wir gelangen so zu etwas Erstaunlichem: wenn Russland in die Knie gehen oder nur nachgeben würde, würde das Ungleichgewicht der demografischen und industriellen Kräfte zwischen dem deutschen System, erweitert um die Ukraine, und den USA wahrscheinlich zu einem Umschlagen des Schwerpunkts des Westens und zum Zusammenbruch des amerikanischen Systems führen. Was die Amerikaner heute am meisten fürchten müssten, ist der Zusammenbruch Russlands. Aber eine der Charakteristiken der Situation ist, dass die Akteure inkompetent sind und sich dessen sehr wenig bewusst, was sie tun. Ich spreche nicht nur von Obama, der von Europa nichts versteht. Er ist in Hawai geboren, hat in Indonesien gelebt. Nur die pazifische Zone existiert für ihn.
Aber die klassischen amerikanischen Geopolitiker der „europäischen“ Tradition sind ebenfalls überholt. Ich denke besonders an Zbigniew Brzezinski, der jetzt alt ist, aber der Theoretiker der Kontrolle Eurasiens durch die USA bleibt. Besessen von Russland hat er Deutschland nicht kommen sehen. Er hat nicht gesehen, dass die amerikanische Militärmacht durch die Erweiterung der NATO auf die baltischen Staaten, auf Polen und auf die früheren Volksdemokratien für Deutschland ein Reich schneiderte, ein ökonomisches zu Anfang, aber heute schon ein politisches. Deutschland beginnt, sich mit China zu verstehen, dem anderen großen Exporteur der Welt. Erinnert man sich in Washington, dass das Deutschland der 30er Jahre lange gezögert hat zwischen der chinesischen und der japanischen Allianz und dass Hitler damit begonnen hatte, Tschiangkaischeck zu bewaffnen und seine Armee aufzubauen? Die Erweiterung der NATO nach Osten könnte letztendlich eine Version B des Alptraums von Brzezinski realisieren: eine Wiedervereinigung Eurasiens unabhängig von den USA. Seinen polnischen Ursprüngen treu fürchtete er ein Eurasien unter russischer Kontrolle. Er läuft in das Risiko, in die Geschichte einzugehen als „einer dieser absurden Polen, die aus Hass gegen Russland die Größe Deutschlands gewährleistet haben“.

Olivier Berruyer: Wie Sie mich gebeten haben, schlage ich vor, dass Sie die nachfolgenden Grafiken analysieren, die das um Deutschland zentrierte Europa mit den USA vergleichen:

Bevölkerung

BIP

IndustrielleWertschöpfung(eine 4., weniger wichtige Grafik weggelassen)

Emmanuel Todd: Was diese Grafiken zeigen, ist die potenzielle industrielle Überlegenheit Europas. Gewiss ist das deutsche Europa heterogen und intrinsisch zerbrechlich, potenziell instabil, aber der wirkende Mechanismus der Hierarchisierung der Bevölkerungen beginnt, eine kohärente und manchmal effiziente Struktur von Dominanz zu definieren. Die junge deutsche Macht hat sich dadurch gebildet, dass ehemals kommunistische Bevölkerungen kapitalistisch an die Arbeit gebracht wurden. Das ist vielleicht eine Sache, derer sich die Deutschen wahrscheinlich selbst nicht bewusst genug sind, und gerade dort könnte ihre wahre Zerbrechlichkeit sein: die Dynamik der deutschen Wirtschaft ist nicht nur deutsch. Ein Teil des Erfolgs unserer Nachbarn von der anderen Rheinseite stammt daher, dass die Kommunisten sich sehr für Bildung interessiert haben. Sie haben nicht nur überholte Industriesysteme zurückgelassen, sondern auch überdurchschnittlich gebildete Bevölkerungen.
Die Bildungssituation Polens in Europa vor dem Krieg mit der von heute zu vergleichen, die sehr viel  besser ist, bedeutet zuzugeben, dass es einen Teil seines aktuell guten wirtschaftlichen Zustands dem Kommunismus, schlimmer vielleicht, Russland verdankt. Wir werden sehen, in welchem Zustand das deutsche Management Polen hinterlassen wird. Es bleibt, dass sich Deutschland in der Tat an die Stelle Russlands gesetzt hat als Macht, die den europäischen Osten kontrolliert und daraus eine Kraft gemacht hat. Russland seinerseits war geschwächt worden durch seine Kontrolle der Volksdemokratien, indem die Militärkosten nicht durch den ökonomischen Gewinn kompensiert wurden. Dank der USA sind die Kosten der militärischen Kontrolle für Deutschland nahe bei Null.

Teil III enthielt den letzten Beitrag zum „Deutschen Europa“

Danach der Teil IV:

Das industrielle Ungleichgewicht zugunsten der EU im Vergleich mit den USA ist spektakulär

Olivier Berruyer: Die Grafiken erlauben, die relativen Stärken der amerikanischen Nation und dieses neuen deutschen Reiches zu vergleichen:

(erste Grafik ausgelassen, kann im Original eingesehen werden)
BeschäftigungIndustrie

BeschäftigungIndustrie2

Emmanuel Todd: die interessanteste Grafik ist nach meinem Verständnis diejenige, die die in der Industrie tätigen Bevölkerungen darstellt. Das industrielle Ungleichgewicht zugunsten der EU im Vergleich mit den USA ist spektakulär. Die Tatsache, dass es in Europa noch unterentwickelte industrielle Sektoren gibt, ist nicht negativ, im Gegenteil: im industriellen Bereich in Europa gibt es Erweiterungskapazitäten in Zonen mit niedrigen Gehältern. Es ist wahrscheinlich dieses Ungleichgewicht, das das Töten des amerikanischen Industriesystems durch Deutschland erlauben würde. Im aktuellen Stadium ist es Deutschland, das TTIP am meisten will.

Olivier Berruyer: Man stellt klar einen europäischen Absturz beim realen BIP bezogen auf Deutschland fest:

(Grafiken mit absolutem BIP pro Kopf habe ich weggelassen)

BIPpE1

BIPpE2

BIPpE3BIPpE4

Emmanuel Todd: Man sieht auf diesen Grafiken auch die unerbittliche Hierarchisierung Europas um das deutsche Epizentrum ab 2005: das Abfallen der europäischen Länder im Vergleich mit Deutschland, eingeschlossen die großen Länder wie Frankreich oder das Vereinigte Königreich. Man kann auf allen diesen Kurven die Schnelligkeit einer Entwicklung sehen, die gerade erst begonnen hat. Vielleicht leidet ein Teil des deutschen Volkes an seinen geringen Gehältern, aber global betrachtet endet es immer damit, dass das BIP pro Kopf sich zugunsten Deutschlands absetzt. Wir bewegen uns auf ein System zu, in dem die Deutschen davon profitieren werden, dass die Industriesysteme des Rests des Kontinents in die Knie gehen.

Wir stellen ebenfalls fest, dass die USA im Vergleich mit diesem Kontinent unter deutscher Kontrolle nicht mithalten können, was die Bevölkerung betrifft.

Kommentare:

  • Dieser Beitrag hat sich im Original auch viel Kritik von Lesern zugezogen. Exemplarisch für Kritik, die ich bedenkenswert finde, sei hier der von vielen Lesern empfohlene Kommentar von ‚Kellhus‘ wiedergegeben:
    „Todd sagt interessante Dinge, besonders zur Wirtschaft (Kritik des Euro), aber täuscht sich schwer über andere (wir erinnern uns an das, was er über den ‚revolutionären Hollandismus‘ gesagt hat). Hier wiederum habe ich den Eindruck, dass er sich täuscht, indem er Deutschland ins Visier nimmt und indirekt die Rolle der USA kleinredet. Welches ist der Staat, der am meisten verantwortlich ist für das aktuelle finanzialisierte Wirtschaftssystem, das von Krise zu Krise eilt und uns in die Katastrophe führt? Derjenige des rheinischen Industrie- und Familienkapitalismus oder derjenige der Wall Street? Welches ist der Staat, dessen Handeln in der Ukraine das schädlichste war? Derjenige von Merkel, die, selbst wenn sie nicht enorm viel zur Beruhigung der Dinge beigetragen hat, sich mehr folgend als führend gezeigt hat und in einem relativen Pragmatismus bleibt? Oder doch jener von Nuland und anderen neokonservativen Extremisten, bekennende Anhänger des amerikanischen Exzeptionalismus und des Schlimmsten fähig, um ihre Hegemonie zu konsolidieren?
    Gewiss befindet sich Deutschland heute auf dem wirtschaftlichen Feld in einer Position der Stärke in Europa und es nutzt sie, um Gewicht für sein Eigeninteresse auszuüben in den europäischen Orientierungen. Aber das Europa des Euro ist ein immer zerbrechlicherer Verbund, und Deutschland kann in seinen Forderungen nicht allzu weit gehen. Man sieht auch bereits die Grenzen seines wirtschaftlichen Erfolgs (..). Schließlich verfügt Deutschland weder über die militärische Macht, noch über die Soft Power, die aus ihm einen Rivalen der USA machen würde (ganz zu schweigen von einer imperialen Ideologie, die es mit dem US-Exzeptionalismus aufnehmen könnte). Es ist deshalb nach meiner Meinung ein Missbrauch, von einem ‚Deutschen Reich‘ zu sprechen.“
  • Trotz dieser berechtigten Kritik an Todds Übertreibung bleibt ein wahrer Kern an seiner Beobachtung, dass sich Deutschland ein wirtschaftliches und politisches Imperium gebaut hat, das nicht für alle Völker Europas positiv wirkt. Es macht deshalb Sinn, sich auch mit diesem Konstrukt zu beschäftigen, seinen Absichten und seiner Mechanik, insbesondere auch mit seiner brutalen und anti-demokratischen Mechanik, die sehr wohl registriert wird.
  • Die Grafiken über die seit 2003 oder 2007 stark abfallende Wirtschaftsleistung der meisten europäischen Volkswirtschaften im Vergleich mit Deutschland sind absolut schockierend, gerade auch dann, wenn man die großen Länder UK, Italien und Frankreich betrachtet. Das kann nicht gutgehen.
  • Es gibt aber auch Punkte, in denen ich eine ganz andere Wahrnehmung habe als Todd: Juncker war nicht Merkels Mann für Brüssel. Falls doch, hat sie es gut verborgen. In deutschen Medien habe ich das so gelesen, dass sie Juncker nach langem Zögern notgedrungen akzeptiert hat. Auch in der Spionage-Affäre war die deutsche Binnensicht so, dass Merkel abgewiegelt und die Amerikaner gedeckt habe.
  • Die Frage „Deutsches Europa“ oder „Europäisches Deutschland“ wurde auch hierzulande ab 2009/2010 intensiv diskutiert. Zahlreiche Bekenntnisse der Art „kein deutsches Europa“ helfen aber nicht gegen die Realität der Machtverhältnisse in Europa. Es gibt andere Autoren, die diese Realität klar sehen.

Fortsetzung: ein deutsch-amerikanischer Konflikt?

Nachtrag 4.4.2017:
German Foreign Policy: „Vor dem Hintergrund drastischer Warnungen vor einem möglichen Zerfall der EU bemüht sich Berlin, die Bildung von Gegenmacht in der Union zu verhindern.“ Gegenmacht! In dem Artikel wird praktisch alles bestätigt, was Emmanuel Todd über die Funktionsweise des „Deutschen Europa“ behauptet.

Nachtrag 28.7.2017:
Thomas Fazi erläutert in Makroskop, warum er das „Deutsche Europa“ für planmäßig konstruiert hält: Deutschlands „neues Imperium“

Das deutsche Europa

Dieses Interview mit Emmanuel Todd wurde für den Blog Les-Crises.fr von Olivier Berruyer im August 2014 durchgeführt, am 8. September 2014 veröffentlicht und ebendort am 7. Februar 2017 nochmals als PDF veröffentlicht, weil es sich im Jahr 2016 als außerordentlich hellsichtig herausgestellt hat.
Ich beginne gleich mit dem Teil III des Originaldokuments:

Deutschland hat den Kontinent im Griff

Karte

Olivier Berruyer: Diese Karte zeigt das neue deutsche Reich so, wie es nach Ihrer Meinung ist. Man sieht die zentrale Stellung Deutschlands angesichts verschiedener Satelliten oder jener, wie Sie es sehr gut sagen, im Zustand freiwilliger Knechtschaft. Was drückt diese Karte für Sie aus?

Emmanuel Todd: Ich hätte gerne, dass sie hilft, die Tatsache zur Kenntnis zu nehmen, dass Europa seine Natur verändert hat, und dass sie nicht nur die Gegenwart ausdrückt, sondern auch eine mögliche nahe Zukunft… Das hier ist ein erster Versuch einer visuellen Darstellung der neuen Realität Europas. Sie hilft, den zentralen Charakter Deutschlands zur Kenntnis zu nehmen und die Art und Weise, wie es den Kontinent im Griff hält.
Die erste Sache, die diese Karte zu sagen versucht, ist, dass eine informelle Zone existiert, die größer ist als Deutschland selbst, die „direkte deutsche Zone“, die Länder enthält, deren Volkswirtschaften eine quasi-absolute Abhängigkeit von Deutschland haben.

Olivier Berruyer: Eine Zone von ca. 130 Millionen Einwohnern

Emmanuel Todd: In der Tat. Aber diese Zone ist nicht der einzige Grund für den deutschen Einfluss. Ich glaube, dass Deutschland niemals in der Lage gewesen wäre, die Kontrolle über den Kontinent zu erlangen, ohne die Kooperation Frankreichs. Das ist ein anderes Element, das durch diese Karte dargestellt wird: die freiwillige Knechtschaft Frankreichs und seines wirtschaftlichen Systems und in diesem Rahmen die Akzeptanz durch die französischen Eliten des goldenen Euro-Käfigs, der er vielleicht für sie ist, aber nicht für das französische Volk. Die französischen Banken überleben mehr schlecht als recht in diesem goldenen Käfig. Frankreich fügt seine 65 Millionen Einwohner der direkten deutschen Zone hinzu und verschafft ihm eine Art von kritischer Masse auf der kontinentalen Skala.

Olivier Berruyer: Nahe bei 200 Millionen

Emmanuel Todd: Was bedeutet, dass wir schon oberhalb der russischen oder japanischen Größenordnung sind. Dieser schwarze und graue Block stellt das Herz der deutschen Macht dar; er hält Südeuropa in der Unterwerfung, das eine dominierte Zone im Inneren des europäischen Systems selbst geworden ist. Deutschland wird in Italien für seine eiserne Hand in Budgetfragen verabscheut, in Griechenland und wahrscheinlich in ganz Südeuropa. Aber diese Länder können dagegen nichts machen, weil Deutschland mit seinem Nahbereich plus Frankreich die Kapazität hat, alles zu dominieren. Diese Länder sind auf der Karte in orange dargestellt (Anmerkung des Übersetzers: ich sehe da eher gelb).
Ich schlage eine weitere spezifische Kategorie von Ländern vor, in Rot diejenigen, die ich die „russophoben Satelliten“ genannt habe. Paradoxerweise haben diese Länder ein gewisses Maß von Freiheit. Sie sind im deutschen Souveränitätsraum, aber ich qualifiziere ihren Status nicht als Knechtschaft, weil sie reale autonome Bestrebungen haben und besonders eine antirussische Leidenschaft. Beachten Sie: Frankreich hat keinen Traum mehr unter der Führung der Sozialistischen Partei, der UMP und seiner Finanzinspektoren. Es strebt nur noch danach zu gehorchen, nachzuahmen und seine Jetons fürs Dabeisein einzustecken. Polen, Schweden und die baltischen Staaten ihrerseits haben einen Traum: Russland das Fell über die Ohren zu ziehen. Ihre freiwillige Teilnahme am Raum unter deutscher Dominanz erlaubt ihnen, daran zu glauben. Aber ich frage mich, ob tiefer drinnen das wieder nach rechts gerückte Schweden nicht dabei ist, wieder vollständig das zu werden, was es vor 1914 war, d.h. germanophil.
Die russophoben Satelliten verdienen eine besondere Kategorie, weil sie zu den Kräften gehören, die Deutschland helfen können zu verkommen. Die französischen Eliten haben ihrerseits schon daran mitgewirkt, dass Deutschland verkommen ist, indem sie es vergöttert und sich geweigert haben, es zu kritisieren. Die französische Unterwerfung wird künftigen Historikern als fundamentaler Beitrag zur kommenden psychischen Schräglage Deutschlands erscheinen. Mit Schweden oder Polen oder den Balten ist es wieder etwas anderes. Hier geht es frei und direkt darum, Deutschland wieder in die Gewalttätigkeit der internationalen Beziehungen hinein zu ziehen.
Ich habe Finnland und Dänemark nicht in dieser Kategorie platziert. Im Gegensatz zu Schweden ist Dänemark von authentisch liberalem Temperament. Seine Bindung an England geht über die einfache Zweisprachigkeit eines guten Teils der Bevölkerung hinaus, die typisch skandinavisch ist. Es schaut nach Westen und ist nicht von Russland besessen. Finnland hat seinerseits gelernt, mit den Sowjets zu leben, und hat keinen wirklichen Grund, an der Möglichkeit zu zweifeln, dass es sich mit den Russen versteht. Gewiss war es gegen sie im Krieg. Es hat zwischen 1809 und 1917 zum Zarenreich gehört, aber in der Form eines Großherzogtums, eine Situation, die es ihm erlaubt hat, dem schwedischen Einfluss zu entkommen. Die wirkliche Kolonialmacht ist für die Finnen Schweden und ich zweifle daran, dass sie wirklich Lust haben, wieder unter schwedische Führung zu geraten. Auf der Karte sind Finnland und Dänemark deshalb dominiert wie die Länder des Südens. Absurd? Die finnische Wirtschaft bezahlt bereits den Preis für die europäische Aggression gegen Russland. Und Dänemark wird durch die englische Flucht in Schwierigkeiten geraten.
Das Vereinigte Königreich habe ich als „dabei zu entweichen“ beschrieben, weil die Engländer nicht in einem kontinentalen System bleiben können, das ein Horror für sie ist. Weil sie nicht die Gewohnheit wie gewisse Franzosen haben, den Deutschen zu gehorchen. Aber auch deshalb, weil sie zu einer anderen Welt gehören, viel aufregender, weniger alt und autoritär als das deutsche Europa, die „Anglosphäre“: Die USA, Kanada, die ehemaligen Kolonien… Ich habe Gelegenheit gehabt zu sagen, dass ich mit ihrem Dilemma sympathisiere, wie furchtbar es sein muss, britisch zu sein angesichts eines Europas, das so wichtig ist in den Handelsbeziehungen, aber geistig arthritisch.

Olivier Berruyer: Glauben Sie, dass sie eines Tages die EU verlassen werden?
(Erinnerung des Übersetzers: das Interview wurde im August 2014 geführt)

Emmanuel Todd: Die Engländer sind nicht stärker oder besser, aber sie haben natürlich die USA hinter sich. Schon ich, ein kleiner Franzose, der mit dem Verschwinden der Autonomie seiner Nation konfrontiert ist, würde ohne Zögern die amerikanische Hegemonie wählen, wenn ich die Wahl hätte zwischen der deutschen und der amerikanischen Hegemonie. Also was, glauben Sie, werden die Engländer wählen?
Ich habe Ungarn in seinem Bestreben zu entkommen zu den Briten geschlagen. Viktor Orban hat sich in Europa einen schlechten Ruf erarbeitet. Angeblich, weil er autoritär und hart rechts ist. Vielleicht.
Aber vor allem, weil er dem deutschen Druck widersteht. Man kann sich fragen, warum Ungarn nicht antirussisch ist, obwohl es doch 1956 eine gewalttätige russische Repression erlitten hat. Wie so oft muss das „obwohl“ hier wahrscheinlich durch ein „weil“ ersetzt werden. 1956 hat nur Ungarn etwas unternommen. Mehr als die Polen oder die Tschechen, die sich damals wenig oder gar nicht gerührt haben, kann Ungarn stolz sein auf seine Geschichte unter russischer Dominanz. Es kann verzeihen. Ein guter ungarischer Witz der 1970er Jahre kann helfen, die osteuropäischen Unterschiede zu verstehen: „1956 haben sich die Ungarn wie Polen verhalten, die Polen wie Tschechen und die Tschechen wie Schweine“.
Ich habe die Ukraine als „wird annektiert“ dargestellt. Die Ukraine erscheint nicht gerade wie ein Traum-Anschlusskandidat für die Europäer. Es geht um die Annexion einer Zone in staatlicher und industrieller Auflösung, die durch die Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union beschleunigt werden wird. Aber es geht auch um die Annexion einer aktiven Bevölkerung zu sehr niedrigen Kosten. Nun beruht aber das neue deutsche System auf der Annexion von aktiven Bevölkerungen. In einer ersten Zeit hat man diejenigen von Polen, Tschechien, Ungarn etc. genutzt. Die Deutschen haben ihr industrielles System neu organisiert, indem sie ihre Arbeit zu geringen Kosten einsetzten. Die aktive Bevölkerung einer Ukraine von 45 Millionen Einwohnern, mit seinem guten Ausbildungsniveau, das es von der sowjetischen Epoche geerbt hat, wäre ein  außergewöhnlicher Fang für Deutschland, die Möglichkeit eines dominanten Deutschland für sehr lange, und vor allem würde es mit seinem Reich sofort an wirtschaftlicher Potenz oberhalb der USA herauskommen. Armer Brzezinski!

Olivier Berruyer: Und bei dem, was  bei der Energieversorgung auf dem Spiel steht (siehe Karte)

KartePipelines

Emmanuel Todd: Hier sind die wichtigsten Gas-Pipelines (franz.: gazoducs) angegeben, um einen Mythos umzuwerfen. Den Mythos, dass die Russen durch den Bau der Pipeline South Stream nur der Kontrolle ihrer Energiebeziehungen durch die Ukraine entkommen wollen. Wenn man alle Verläufe der existierenden Pipelines betrachtet, ist nicht ihre einzige Gemeinsamkeit die Durchquerung der Ukraine, sondern auch, dass sie alle in Deutschland ankommen. Tatsächlich ist das wirkliche Problem der Russen nicht nur die Ukraine, sondern auch die Kontrolle der Ankünfte der Pipelines durch Deutschland. Und das ist auch das Problem der Südeuropäer.
Wenn man aufhört, Europa in naiver Weise als ein egalitäres System zu denken, das Probleme mit dem russischen Bären habe, sieht man auch, dass Deutschland auch ein Interesse daran haben könnte, dass die Pipeline South Stream nicht gebaut wird, weil sie dafür sorgen würde, dass die Energieversorgung desjenigen Teils Europas seiner Kontrolle entgleiten würde, den es dominiert. Strategisch steht mit South Stream also nicht nur etwas zwischen Ost und West, zwischen der Ukraine und Russland, auf dem Spiel, sondern auch zwischen Deutschland und dem dominierten Südeuropa.

Aber nochmals: diese Karte ist keine definitive Karte; es ist eine Karte mit dem Ziel, ein Anfangsbild zu zeichnen von der Realität in Europa und uns herauszuholen aus der Ideologie der neutralen Karten, die verbergen, was Europa gerade wird: ein System von ungleichwertigen Nationen, die in eine Hierarchie gezogen werden, in der es ernsthaft dominierte Länder gibt, aggressive Länder, ein dominantes Land sowie ein Land, das die Schande des Kontinents ist, das unsere, Frankreich.

Olivier Berruyer: Sie sagen nichts zur türkischen Frage….

Emmanuel Todd: Wenn ich davon nicht gesprochen habe, dann deshalb, weil das keine Frage mehr ist. Die Europäer wollen von der Türkei nichts wissen. Sehr viel wichtiger ist aber, dass die Türken von Europa nichts mehr wissen wollen. Wer würde von nun an noch in dieses Völkergefängnis eintreten wollen?

Kommentare:

  • Die hier wiedergegebene Analyse stammt nicht von mir, sondern von Emmanuel Todd. Ich bin nur der Übersetzer.
  • Ich stelle sie hier vor, weil sie in sehr interessanter Weise allem widerspricht, was in der deutschen Debatte (von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen) zu diesen Fragen zu hören ist:
    • Es ist völlig klar, dass der rein moralische, interessenfreie Diskurs des deutschen Mainstreams über die Lage und die Konflikte in Europa völliger Unsinn ist, eine Erzählung für den Kindergarten: „Wir sind die Guten! Wir wollen nur helfen!“
    • Aber auch die rechte Opposition, die bedauerlicherweise das Feld ernsthafter Opposition fast für sich allein hat, ist tief in einer deutschen Sicht gefangen, in der Südeuropa auf deutsche Kosten lebt und der Konflikt in der Ukraine ein Konflikt zwischen den USA und Russland ist, ebenfalls auf deutsche Kosten. Sie kann oder will nicht erkennen, dass Deutschland mit seinen Interessen tief in den Ukrainekonflikt verstrickt ist und dass zumindest die deutsche Elite Südeuropa mehr dominiert als alimentiert.
  • Mit der These von der kommenden Flucht Englands aus der EU hat Todd mal wieder einen Volltreffer gelandet, fast 2 Jahre vor dem Brexit-Votum! Und dieser Treffer zeigt eben auch, dass das keine Laune einer „rassistischen“ Bevölkerung war, kein Unfall, sondern sehr viel tiefere Ursachen hat. Dieser Treffer sollte ein Hinweis sein, sich auch die anderen Teile der Analyse ganz genau und vorurteilsfrei anzusehen. Könnte beispielsweise auch die Analyse der ungarischen Rolle stimmen?
  • In diesem Interview mit der ZEIT aus dem Frühjahr 2014 sind die Grundideen zum deutschen Europa bereits enthalten, aber sehr viel zahmer formuliert und weniger ausgearbeitet als im Interview oben
  • Im nächsten Beitrag wird es um den Weg zu dieser deutschen Dominanz in Europa gehen, also um die Teile I und II des Originalinterviews

Fortsetzung: Entstehung und Antrieb des deutschen Europa

Nachtrag 16.3.2017:
Der Russe bedroht Schweden. Wirklichkeit oder doch wieder Fake News?

Nachtrag 23.3.2017:
Russland fordert mit seinen Rüstungsausgaben die NATO heraus.

Nachtrag 25.3.2017:
Einen ganz anderen, nicht Deutschland-zentrierten, Blick auf die Russophobie hat Strategic Culture: Russophobia – Symptom of US Implosion

Nachtrag 30.3.2017:
Im März-Heft des Cicero findet sich ein Artikel darüber, dass in Polen ca. 80000 Zivilisten in paramilitärischen Gruppen für die Landesverteidigung trainieren. Als Bedrohung Nr. 1 werde Russland angesehen. Der Artikel ist bis zum Monatsende noch nicht online gestellt worden.

Trüber Frühling für Europa

Der Gaullist Roland Hureaux hat im französischen Magazin ‚Causeur‘ am 14. Februar einen Kommentar über die außenpolitische Lage Europas veröffentlicht, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt:

matruschkas
Souvenirladen in St. Petersburg

Der trübe Frühling, der Europa erwartet

Chronik des Endes einer Herrschaftsepoche

Westeuropa befindet sich heute im Zustand der Schwerelosigkeit. Alles, was seine Politik in den letzten Jahren bestimmt hat, ist dabei zusammenzubrechen, aber Europa weiß das noch nicht.

Am 20. Januar hat Donald Trump sein Amt im Weißen Haus übernommen; er hat bereits Rex Tillerson, der Putin nahesteht, zum Außenminister ernannt. In einigen Wochen werden sich Trump und Putin persönlich treffen. Sie werden wahrscheinlich eine Liste von Problemen regeln, in erster Linie dasjenige des Nahen Ostens, vielleicht das der Ukraine. Sie werden auch über China sprechen. Werden Sie über Westeuropa sprechen? Das ist noch nicht einmal sicher. Zunächst, weil es nichts Dringendes zu regeln gibt, dann, weil die Meinung der Europäer ihnen sehr unwichtig ist, sobald sie sich einig sind. Und danach? Es ist nicht absurd vorauszusehen, dass wenn sich die guten Beziehungen der beiden Mächte bestätigen, sie eine Art von Co-Vormundschaft über Westeuropa installieren werden.

Die Verlassenheit Westeuropas

Die Verlassenheit der Länder Westeuropas ist groß. Zunächst aus Gründen ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage: Rezession, Arbeitslosigkeit, Unsicherheit, Geburtenmangel, immense Frustration der Völker. Dann auch aus Gründen ihrer Engagements der letzten 10 Jahre. Die Weigerung Jaques Chiracs im Jahr 2003, am Irakkrieg teilzunehmen, war der letzte Akt des Widerstands einer europäischen Regierung gegen Washington. Seit damals waren die Positionen der Regierungen, der dominierenden Parteien, der wichtigsten Entscheider und der Medien, sich ohne Nuancen an die amerikanische Politik im Hinblick auf Russland und den Nahen Osten anzuschließen; eine Politik, die in Europa darin bestand, den Ukraine-Konflikt zu verschärfen und Sanktionen gegen Moskau zu verhängen, die streng gescholten wurden von einem so maßvollen Mann wie Helmut Schmidt, und im Nahen Osten darin, dschihadistische Bewegungen zu unterstützen, um  vor langer Zeit etablierte Regime zu destabilisieren oder zu stürzen, die von Washington öffentlich angeprangert worden waren.

Es sind in gar keiner Weise die Interessen Europas, die diese Politik erklären, es ist die Unterwerfung seiner Anführer. Sie haben sich in Wahrheit gar nicht nach der amerikanischen Politik als solcher ausgerichtet, sondern nach der neokonservativen Ideologie, die jene seit 25 Jahren inspiriert. Nun hat aber diese Ideologie im November 2016 einen tödlichen Schlag erhalten: die Niederlage Hillary Clintons, die sie personifizierte, für die alle Europäer ohne Ausnahme unter Missachtung des Prinzips der Nichteinmischung Partei ergriffen hatten. Und dann noch einen anderen: die Niederlage der Dschihadisten, die vom Westen unterstützt worden waren, in den Straßen von Aleppo.

Die Reaktion der wichtigsten europäischen Entscheider angesichts des Siegs von Trump war bedeutsam: kalte Communiqués, moralische Lektionen, die ebenso duckmäuserisch wie lächerlich waren (besonders von Seiten der deutschen Kanzlerin). Die Reaktion auf die Ereignisse im Nahen Osten war nicht weniger desolat: unsinnige Denunziation von imaginären Kriegsverbrechen; Initiativen Frankreichs, im Extremfall die Charta der Vereinten Nationen zu ändern, um humanitäre Interventionen zu erlauben in dem Moment, wo diese gerade ein wenig überall ihren desaströsen Charakter gezeigt hatte; Ermutigungen der Briten an gewisse dschihadistische Gruppen, die  Waffenruhe zu brechen, die gerade um Putin beschlossen worden war; und Verlängerung der gegen Russland beschlossenen Sanktionen, während man weiß, dass die USA sie zügig aufheben werden: statt voranzupreschen, graben sich die Europäer in der Leugnung ein.

Angesichts des Zusammenbruchs der neokonservativen Ideologie (ultraliberal in der Wirtschaft und libertär im Gesellschaftlichen), die den gleichen integrativen und globalistischen Charakter hat wie die europäische Ideologie à la Brüssel, sind die Europäer heute wie eine Ente ohne Kopf, die weiterläuft ohne zu merken, dass sie schon tot ist. TTIP, das in gewisser Weise eine Ausdehnung der europäischen Mechanik auf den Nordatlantik darstellte, ist beerdigt.

Zwischen zwei Giganten

Aber das Schwerwiegendste für Europa ist, dass es von nun an mit zwei Giganten zu tun hat: Putin, der in seinem Land populärer ist als jemals zuvor und der angesehene Sieger im Nahen Osten, Trump, der es hinbekommen hat, gegen seine Partei und gegen die Gesamtheit der wirtschaftlichen Oligarchie und der Medien gewählt zu werden.

Keiner der beiden Männer hat Anlass, die geringste Sympathie für die aktuellen Anführer Westeuropas zu haben, die alle gegen sie Partei ergriffen haben, auf dem diplomatischen und militärischen Terrain im Falle Putins, in der Wahlarena im Falle Trumps. Der dritte große Mann, der beunruhigendere, ist Erdogan, dessen Ambitionen sich an einer aufgewühlten innenpolitischen Situation stoßen und den Putin Mühe hat, im Zaum zu halten. Deutlich abgerückt vom Brüsseler Europa bleibt er ein starker Mann.

Angesichts dieser Großen, was für ein Desaster! Deutschland hat sozusagen keine Kanzlerin mehr, so sehr hat sich Angela Merkel diskreditiert, indem sie auf unverantwortliche Weise das Land für eine Million Migranten geöffnet hat. Frankreich hat einen Präsidenten-Zombie, der auf der internationalen Bühne entwertet ist und sich noch nicht einmal zur Wiederwahl stellen konnte. Italien hat den Rücktritt des Illusionisten Renzi gesehen, der politisch so korrekt ist. Frau May scheint noch am besten dazustehen, aber noch wenig bekannt im Ausland scheint sie absorbiert zu werden von Tausend und einer rechtlichen Schwierigkeit des Brexits, wahrscheinlich weil auf keiner Seite des Ärmelkanals jemand wagt, den gordischen Knoten zu durchschlagen. Und lasst uns nicht von Juncker in seinen hellen Stunden sprechen! Das alles vor dem Hintergrund der Krise des Euro, der in der höchsten Not der griechischen Affäre durch den Druck Obamas gerettet wurde. Was wird Trump beim nächsten Mal machen?

Es ist möglich, dass sich Westeuropa, wie es heute funktioniert, auf strukturelle Weise als unfähig erweist, wirkliche Anführer zu erschaffen. In diesem Frühjahr, in dem wir darauf warten, was die französische Präsidentenwahl bringt, die erste im Kalender, wird die Sternenleere, die heute diejenige Westeuropas ist, ganz groß sichtbar werden. Eine ganzer historischer Zyklus kommt für es an ein Ende.

Mein Kommentar:
Ich lasse diesen Text inhaltlich einfach mal so stehen. Man kann das so sehen, muss aber natürlich nicht. Man sollte aber wissen, dass dieses Thema viele in unserem Nachbarland so sehen, rechte und linke Souveränisten, keineswegs nur Anhänger von Le Pen.
Roland Hureaux ist ein konservativer gaullistischer Kommentator der Außenpolitik, der sich am ehesten irgendwo in dem Umfeld einordnen lässt, das den konservativen Präsidentschaftskandidaten Fillon unterstützt.
Denken Sie einfach mal darüber nach, wo Sie in Deutschland eine solche schonungslose Analyse der Lage Europas erwarten würden. Aus welcher Partei, in welcher Zeitung?

Nachträge 26.2.2017:
Lost in EU: Warum Frankreich an der EU verzweifelt.
Die FAZ sieht das Thema ganz anders als Hureaux: Zurück zur russischen Normalität, verwendet aber lustigerweise das gleiche Matruschka-Foto. Die Welt ist klein.

Nachtrag 06.3.2017:
Kein Land in Westeuropa ist (von allen guten Geistern) verlassener als Deutschland. Wie von Hureaux im Artikel (und bereits früher) ausgeführt, wird ihm das von Erdogan vorgeführt: Sultan Erdogan fordert Tribut von Merkel – und sie zahlt.

Nachtrag 10.3.2017:
ZEIT: Es wird einsam um Deutschland. Deshalb brauche Deutschland Frankreich so dringend. Nach meiner Meinung werden die deutsch-französischen Beziehungen damit auf Dauer überlastet. Es darf nicht passieren, dass Frankreich der einzige Freund wird, der die Feindseligkeit aller anderen kompensieren muss. Außerdem ist Angela Merkel dafür die komplett falsche Kanzlerin: sie hat keinerlei Beziehung zu Frankreich, versteht noch nicht einmal die Sprache. Sie hat nur sterile Machtbeziehungen zu französischen Politikern, keinerlei Einblick in die Gemütslage der Franzosen, in ihre Spaltung auch und gerade im Verhältnis zu Deutschland. So wird die deutsch-französische Achse zuerst überlastet werden und dann wird sie brechen, mit katastrophalen Folgen für Deutschland. Es bleibt absolut notwendig, mit Polen, Großbritannien und Italien gleichermaßen in einem guten Dialog zu bleiben, zum Wohle auch des deutsch-französischen Verhältnisses!

Nachtrag 18.3.2017:
Ein Althistoriker aus Belgien sieht Das Ende des Westens.

Nachtrag 01.10.2019:
Es scheint ein bisschen, als ob der franz. Präsident 2,5 Jahre später auf einen außenpolitischen Kurs eingeschwenkt ist, der die Bedenken aufgreift, die Hureaux hier geäußert hat. Meint die NZZ:
NZZMacron

Die strategische Trump-Karte

Anlässlich von Trumps gestriger Amtseinführung (und des immer rein moralischen Medien-Buheis in Deutschland und großen Teilen der westlichen Welt) wollte ich nochmals auf eine intelligente geostrategische Erklärung von Norbert Häring für das Phänomen Trump hinweisen:

Trump – Ein geostrategischer Erklärungsversuch

Trumps Rolle sei es, dem geostrategischen Wechsel vom Buhmann Russland (alias Putin) zum Hauptgegner China ein populistisches Gesicht zu geben. Die Hauptverlierer dieses Schrittwechsels seien die Europäer, weil sie auf einen Wink Washingtons (der gleichzeitig in Preußen auf besonders fruchtbaren Grund gefallen ist) die Last der Sanktionen gegen Russland getragen haben und jetzt düpiert sind. Das ist nicht unplausibel, denn es würde insbesondere die heftigen europäischen Abwehrreaktionen im Vorfeld von Trumps Wahl erklären. Auf die stark verschlechterte geostrategische Lage des amerikanischen Imperiums hatte vor Norbert Haering schon Emmanuel Todd drastischer in diesem Interview hingewiesen: „Das amerikanische System existiert nicht mehr. Sie tun nur noch so als ob“.
Auch Todd plädiert am Ende desselben Interviews für einen anderen Blick auf Russland und geißelt die „russische Obsession“ insbesondere der US-Demokraten. Er vertritt diese Position zu Russland schon mindestens ebenso lange wie er der Meinung ist, dass die amerikanische Hegemonie ihre beste Zeit hinter sich hat. Unter anderem hat er früh darauf hingewiesen, dass die einfache US-Bevölkerung objektiv an der Globalisierung leidet. Hier trifft sich die neue Geostrategie mit den legitimen Interessen normaler Amerikaner.

Deutschland könnte ein Hauptverlierer sein

Wenn aber Norbert Haering sagt, dass die Europäer die Leidtragenden dieses Strategiewechsels seien, dann wird es innerhalb Europas doch enorme Unterschiede geben. Er selbst vermutet, dass der Brexit dabei helfen soll, den Schaden für Großbritannien gering zu halten, einen privilegierten (und natürlichen) Verbündeten der USA.

In Frankreich haben Kommentatoren unmittelbar nach Trumps Wahl darauf hingewiesen, dass Berlin der Hauptverlierer von Trumps Schwenk sein würde:
„Deutschland hat unter dem Strich die amerikanischen Wahlen verloren. Während die französischen Aristokraten bei ihrer betretenen Mimik von erstaunten Männern von Welt bleiben, müssen sich die Deutschen ein wenig Sorgen machen: sie sind die großen Verlierer der Wahl von Trump in den USA“.
Er nennt mehrere Gründe:

  • Die bisherige Russland-Politik sei am Ende. Diese hält er eher für einen preußischen Plot, um alte Einflussgebiete in Osteuropa wieder gegen Russland zu behaupten. Die Preußen hätten es bisher geschafft, die USA als Schild gegen Russland einzusetzen und dabei Frankreich dazu zu bringen, dass es entgegen seinem traditionellem Interesse an einem starken Russland mitmacht.
    Eine steile These: war die Atlantik-Brücke vielleicht gar nicht so sehr eine Einbahnstraße, wie in Deutschland viele vermuten?
  • Trump würde die Europäer nötigen, mehr für Verteidigung auszugeben und das beträfe Deutschland mehr als Frankreich. Letztlich verlange Frankreich von Deutschland schon länger nichts anderes.
  • Trumps Vorgehen gegen einen ungezügelten Freihandel würde nicht nur China treffen, sondern auch Deutschland, den wichtigsten Netto-Exporteur in Europa.

Exakt dieser letzte Punkt ist diese Woche auch endlich in Deutschland angekommen. Drei Ökonomen haben darauf hingewiesen, dass Trump natürlich auch Deutschland meint und damit Recht hat: Heiner Flassbeck, Daniel Stelter und Jochen Fricke.
Wenn Trump behauptet, dass die EU nur noch deutschen Interessen diene, wird er in Südeuropa und Frankreich zweifellos Verbündete finden (die nur die berechtigten Interessen ihrer Länder vertreten) und Europa mit diesem Konflikt effektiv kontrollieren können.

Nicht Moral, sondern Interessen

Es ist also wohl gar kein Zufall, dass die deutschen Medien seit fast einem Jahr wie die Wutbürger auf Trump einschlagen, dass der deutsche Außenminister den diplomatischen Ton zwischenzeitlich hat fahren lassen. Die gewaltigen Interessengegensätze sind relativ klar zu erkennen.
Das hochmoralische Geschwätz kaschiert diese Interessenkonflikte und dient gleichzeitig dazu, eine weitgehend blind moralisierte deutsche Öffentlichkeit hinter einer nationalen Agenda zu versammeln, u.a. der Verteidigung der heiligen Exportindustrie. Das sollte man immer im Kopf behalten, wenn wieder allzu heftig auf die Moraldrüse gedrückt wird. Und vor allem sollten wir als kleine Bürger ernsthaft darüber nachdenken, welche Interessen wirklich legitim und zu wahren sind und welche so zweifelhaft oder unhaltbar sind, dass wir sie lieber freiwillig aufgeben sollten: Billiglöhner haben wenig vom Export, auch wenn er noch so boomt. Dass im Zweifel eher mehr Billiglöhner herangeschafft als Löhne erhöht wurden, konnte jeder seit mindestens 10 Jahren verfolgen. Binnennachfrage ist besser als Export.
Hochmoral ist in der Regel dazu da, Menschen von solchen schlichten Einsichten abzuhalten und für die Interessen von echten Profiteuren einzuspannen.

2017 wird ein spannendes Jahr.

Nachtrag 23.01.2017:
Sehr schöner Kommentar über den moraltriefenden Größenwahn in der Wirtschaftswoche: Deutschland soll die Welt retten? Lächerlich
Ferdinand Knauß ist immer wieder lesenswert.
Matthias Heitmann im Cicero: Das Trumpeltier ist nicht das Problem
„Niemand würde indes einen Abrissunternehmer für einen Architekten halten, auch wenn er zuerst zum Zug kommt.“
Die Gegenrede von Christoph Schwennicke: Das Trumpelstilzchen
„Nicht alle Ansätze von Donald Trump sind falsch. Doch sie werden überschattet von seinem Wesen, das offenbar nie der Pubertät entkommen ist.“
Und Makroskop: Der Trumpf des kleinen Mannes?
„In der Tat, das ist radikal, das ist gefährlich. Wäre er kein Milliardär, würde man glauben, er sei ein Sozialist. Der Mann klagt die Armut an und macht dafür das Establishment verantwortlich. Da dreht das deutsche Establishment vollkommen durch, vergisst sogar seine große Liebe zu Amerika und geifert in einer Art und Weise gegen den gewählten amerikanischen Präsidenten wie man es noch nie zuvor gesehen hat.“

Nachtrag 24.01.2017:
Aber Makroskop sieht Trump keineswegs unkritisch: Trumps Rede zur Vereidigung
Jan Fleischhauer im SPIEGEL: Wie man sich auf einen Handelskrieg vorbereitet
„Rechnen wir mit dem Naheliegenden. Rechnen wir damit, dass er meint, was er sagt, und das auch durchsetzt…Man kann Trump nur zustimmen, wenn er sagt, dass Handel keine Einbahnstraße sein sollte. Das gilt auch für Handelsdrohungen. Fangen wir mit Facebook an.“
Mit Facebook könnte man zum Beispiel so anfangen, dass man es mit unerfüllbaren Forderungen zur Zensur von „Fake News“ aus Deutschland vertreibt. Mit einer Klappe könnte  die Bundesregierung also zwei Fliegen schlagen: „Kampf gegen Rechts “ und Vergeltungs-Protektionismus gegen einen US-Konzern. Ähnlichkeiten mit realen Ereignissen sind natürlich rein zufällig.
ZEIT: Darauf war China nicht vorbereitet: Das Feindbild heißt China
Es sieht so aus, als liege der Blogger Norbert Häring nicht so ganz falsch. Die ZEIT braucht eben immer etwas länger (Als 1993 der Arbeitsmarkt für Chemiker ein tränenreiches Desaster war, hat es nur 2 Jahre gedauert, bis die ZEIT einen großen Artikel darüber gebracht hat. Zu dem Zeitpunkt war das Schlimmste bereits wieder überstanden!)

Nachtrag 27.01.2017:
Don Alphonso hat heute einen wunderbaren Text: Die Trump-Familie in Nepotentradition
Liebe Leser, merken Sie eigentlich auch, wie viele alternative Medien und Blogs ganz verschiedener Ausrichtung ihr Bestes geben, um zu verstehen, was Trump darstellt, während der Mainstream regelrecht unfähig ist zu irgendeiner Analyse, die Sie weiterbringen könnte? Spüren Sie auch die totale Ratlosigkeit?

Nachtrag 28.01.2017:
Mathias Bröckers hat auch eine Serie zu Trump: Real Game of Thrones: Der Mafia-Don

Nachtrag 1.2.2017:
Sehr gut zu Norbert Härings Theorie passt dieser aktuelle Beitrag bei Zerohedge und auch dieser zynische alte Kommentar von John Kornblum: Mach weiter so, Kanzlerin!

Nachtrag 5.2.2017:
Die irrsinnige Konfrontation zwischen Trump-Gegnern und -Anhängern kritisiert Fritz Goergen. Wolfgang Herles distanziert sich deutlich von der Trump-Begeisterung eines Teils der Rechten.
Ganz ähnlich wie Herles äußert sich auch erneut Matthias Heitmann im Cicero: Politische Amnesie und hysterische Paranoia
Alle unterstützen meine Ansicht, dass es töricht ist, sich durch die völlig entgleiste deutsche Trump-Berichterstattung in eine Trump-Unterstützung treiben zu lassen. Trumps Wahl ist ein Krisensymptom, nicht die Ursache, aber auch noch keine Lösung.

Nachtrag 7.2.2017:
In Makroskop gibt es eine vernichtende Kritik von Obamas Regierungszeit:
Der Präsident der Liberalen: Acht Jahre mit Barack Obama

Nachtrag 10.4.2017:
Makroskop: Trump – Freund oder Feind?

Nachtrag 18.05.2017:
Ein interessanter Beitrag, der exakt zu Norbert Härings Hypothese passen würde:
Der große britische Brexit-Raubzug: Wie unsere Demokratie gekapert wurde
Ist da etwas dran oder ist es ein Mindfuck von Leuten, die die Welt nicht mehr verstehen? Schwierige Frage. Was dagegen spricht: Nigel Farage, Donald Trump, Steve Bannon, Peter Thiel und Robert Mercer sollen die „Köpfe“ dieser Verschwörung sein. Farage? Really? Und dann auch noch die Russen im Boot? Hm. Ungewöhnlich, dass die Nachdenkseiten eine solche Theorie verbreiten. Zu viel für mich, das glaube ich vorerst nicht, behalte es aber im Hinterkopf.

Nachtrag 31.7.2017:
Paul Schreyer über die wachsende Rolle der Militärs in der US-Administration unter Trump. Eine Oligarchie von Bankern und Militärs.

Nachtrag 13.08.2017:
Christoph Schwennicke: Trump hat eine kurze Zündschnur

Nachtrag 6.10.2017:
Großartiger Vortrag von James Corbett über Kriegsvorbereitungen gegen China:
Echoes of WWI: China, the US, and the Next “Great” War