Ein bemerkenswerter Sieg

Wenig ist im Medien-Mainstream zu lesen über den Erfolg von Gerhard Wisnewski bei der Abwehr einer Klage von Richard Gutjahr. Dabei hatte der BR-Journalist Richard Gutjahr noch Anfang des Jahres ein großes Medien-Echo ausgelöst mit der Ankündigung, sich Personen „weise“ auszusuchen und gegen sie vorzugehen, die ihm ein Vorwissen zu den Attentaten von 2016 in Nizza und München unterstellen. Dabei haben er und sein Anwalt sich offensichtlich gewaltig verschätzt. Hier das  Thriumphgeheul der „Verschwörungstheoretiker“ und hier ein seriöser Jammertext zum überraschenden Prozessausgang.

In meinem Beitrag geht es wenig um den Fall Gutjahr und mehr um Gerhard Wisnewski, seine Stärken und Verdienste und die Schwächen und Grenzen seiner Arbeit. Und natürlich geht es auf dieser Grundlage auch um eine Einschätzung des Urteils:

Gut oder weniger gut für die Freiheit von Meinung und Berichterstattung?

Die Verdienste des Gerhard Wisnewski

Gerhard Wisnewski hat sich als WDR-Journalist mit Recherchen zuRAF-Phantomm Thema RAF-Terrorismus einen Namen gemacht. Er hat im Magazin ‚Monitor‘ nach Recherchen im Sommer 1992 zur bis heute nicht aufgeklärten Ermordung von Alfred Herrhausen Hinweise präsentiert, dass der Kronzeuge der Behörden für eine RAF-Täterschaft, der V-Mann Siegfried Nonne, zu dieser Aussage genötigt und gedrängt worden war. Der Untergang dieser Spur hat zu einem erheblichen Glaubwürdigkeitsverlust des bis dahin in Deutschland in der breiten Öffentlichkeit nie in Frage gestellten Narrativs vom gefährlichen Linksterrorismus geführt. Der Glaubwürdigkeitsverlust könnte so groß gewesen sein, dass er ein Jahr später zum Zwischenfall von Bad Kleinen geführt hat, bei dem mit dem toten Wolfgang Grams endlich ein Mitglied der 3. Generation der RAF auftauchte. Diese Geschichte hat Wisnewski mit 2 Mitautoren in diesem Buch dokumentiert, für Deutschland eine Pionierarbeit auf dem Feld des Terrorismus unter falscher Flagge. Wisnewskis früher Verdacht ist später in sehr akribischen Arbeiten sogar für die 2. Generation der RAF bestätigt worden: Der RAF-Terror muss von staatlichen Stellen mindestens gedeckt worden sein.

Im Jahr 2003 hat es Wisnewski wieder im WDR gewagt, Zweifel an der offiziellen Version zum 11. September zu äußern, namentlich an den Flugzeugabstürzen von Shanksville und ins Pentagon. Dieses Mal hat ihn diese Kühnheit nach sehr negativen Berichten im Spiegel und anderen Medien die Aufträge seines wichtigsten Brötchengebers, des WDR, gekostet.

9/11 – eines der stärksten Tabus unserer Zeit

Wisnewski war eines seiner ersten Opfer, aber das Tabu, den Ablauf des 11.9.2001 in Frage zu stellen, ist eines der stärksten der letzten Jahrzehnte. Kein Wunder, hat doch dieses Ereignis die Rechtfertigung für eine ganze Serie von Kriegen „gegen den Terror“ u.a. in Afghanistan und im Irak geliefert, die allesamt zu katastrophalen humanitären und auch strategischen Ergebnissen geführt haben, wie inzwischen allgemein anerkannt wird.
Wegen Verletzung dieser Tabus sind nach Wisnewski noch weitere Medienschaffende ins Visier massiver Kampagnen geraten, u.a. Ken Jebsen und Daniele Ganser.

Eine der größten medialen Niederlagen für die Staatsversion der Attentate vom 11. September war aber die Veröffentlichung einer rein technischen Arbeit von Vertretern der amerikanischen Ingenieur-Organisation „Architects & Engineers for 9/11 Truth“ in „Europhysics News“, dem Mitteilungsblatt der Dachorganisation der Europäischen Physikalischen Gesellschaften. Dabei wurden solche verstörenden Detailfotos von offensichtlichen Explosionen aus dem Inneren der Gebäude weit unterhalb der aktuell einstürzenden Etagen gezeigt:

AE911ThruthSquibs

und Berechnungen auch zum weniger bekannten Einsturz des dritten, nicht von einem Flugzeug getroffenen Gebäudes  WTC-7 vorgestellt, das bereits im Mittelpunkt von Daniele Gansers Artikel im Schweizer Tagesspiegel im Jahr 2006 zu dem Thema gestanden hatte.
Tatsächlich sind also Zweifel am Ablauf des 11. Septembers in den Jahren seit 2003, dem Jahr des Rauswurfs von Gerhard Wisnewskis beim WDR, durch viele unabhängige Autoren und mit ganz anderen Ansätzen zu verschiedenen Aspekten immer weiter fundiert und einer breiteren Öffentlichkeit bekannt worden. Die Aussagen des Bürgermeisters von Shanksville, der laut Wisnewski ursprünglich am angeblichen Einschlagsort des Flugs kein Flugzeug gesehen haben will („Da war nichts! … Nur dieses Loch.“) haben seither sehr stark an Bedeutung verloren, denn die inzwischen gesammelten physikalisch-technischen Einwände insbesondere zum Einsturz von WTC1, WTC2 und vor allem WTC7 sind durch korrigierte Zeugenaussagen[1] nicht mehr zu entkräften.
Trotzdem fühlt sich auch ein Medien-Watchdog wie Übermedien noch heute genötigt, diesen Beitrag von Wisnewski als Grund für seinen Rausschmiss beim WDR zu unterstützen:

ÜbermedienEmpört

Andere mutmaßliche journalistische Fehlleistungen oder Unsauberkeiten desselben Kalibers werden von Übermedien wohl gelegentlich kritisiert, aber praktisch nie mit der Forderung verknüpft, den Verantwortlichen auch zu entlassen. Woher die doppelten Standards? Woher der giftige Eifer im Fall Wisnewski? Und warum in einem Fall, wo Wisnewskis Verdacht inzwischen durch viele andere und schwer widerlegbare Arbeiten erhärtet worden ist?

[1] Bei der hohen Brisanz der Thematik für die Weltpolitik ist gleichzeitig auch klar, dass es einem Staat, der bei  einem anderslautenden Befund mit dem Rücken zur Wand stehen würde, nicht schwerfallen sollte, einen kleinen Bürgermeister im eigenen Land zu einer korrigierten Aussage zu drängen, zu nötigen oder auch zu erpressen. Eine Korrektur auch von gegenüber Wisnewski tatsächlich gemachten Aussagen wäre unter diesen  Bedingungen also wenig überraschend und wenig beweiskräftig.

Best of Wisnewski:
Der begründete Anfangsverdacht

Nach der Nachricht vom juristischen Sieg Gerhard Wisnewskis über Richard Gutjahr habe ich mir den betroffenen Jahrgang von „verheimlicht vertuscht vergessen“ bestellt. VVV2017Im Gegensatz zum „RAF-Phantom“ hatte ich bisher kein Buch Wisnewskis aus dieser Reihe gelesen. Das Buch ist seit dem Prozesserfolg und damit dem Ablauf  einer einstweiligen Verfügung beim Autor wieder verfügbar, so dass sich jeder ein eigenes Bild von dem machen kann, was Wisnewski über Gutjahrs mögliche Rolle beim Terror von Nizza und München geschrieben hatte.
Man kann das durchaus als „Raunen“ bezeichnen: Außer bekannten Tatsachen und Spekulationen und Fragen, die Richard Gutjahr nicht beantwortet hat, stehen da keine weiteren Details.

Auch bei anderen Themen findet man viel Gegen-Meinung zu dem, was der Mainstream als Tatsache berichtet oder bewirbt. Die Bandbreite reicht von Flüchtlingen über die Gesundheitsschädlichkeit des Frauen-Karriere-Ideals bis zur Mondlandung. Viele Quellen sind im Mainstream nicht gerade besonders wohlgelitten.

Aber einen Fall, der an die Pionierleistungen des Gerhard Wisnewski anknüpft, habe ich in dem Buch doch gefunden:

Das Eisenbahnunglück von Bad Aibling

Die offizielle Version des Geschehens findet man hier. Dagegen lässt sich der Verdacht Wisnewskis mit wenigen Quellen skizzieren:
Mir war anhand dieses Berichts auch schon damals aufgefallen, dass sich der behauptete Ablauf mit dieser komplexen Fehlerkette mit Fahrlässigkeit durch Ablenkung kaum vereinbaren lässt. Die von Wisnewski zitierte Behauptung der Staatsministerin Haderthauer, dass das Unglück vorsätzlich  entstanden sein müsse, weil die Möglichkeit, dass Fahrlässigkeit so die technischen Sicherungen außer Kraft setzen könne, absolut schockierend sei. Diese Aussage habe ich so im Netz nicht mehr gefunden, stattdessen nur eine stark entschärfte Version davon. Nehmen wir zugunsten von Wisnewski (ähnlich wie beim Bürgermeister von Shanksville) einmal an, dass diese Aussage von interessierter Seite medial nachjustiert worden ist. Die sehr spät angeordnete Untersuchungshaft für den Beschuldigten fand wie von Wisnewski berichtet tatsächlich auch das Lawblog sehr ungewöhnlich. Wisnewski vermutet, dass er damit unter Druck gesetzt wurde, um ein passendes Geständnis zu erreichen. Im Lawblog-Beitrag wird übrigens auch Wisnewskis Hinweis bestätigt, dass der Fahrdienstleiter sein Online-Spiel einige Minuten vor dem Unglück beendet hatte, die Ablenkung so groß also nicht gewesen sein kann. Wisnewski weist auch korrekt auf die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen hin, die bestätigt, dass just am Tag vor dem Unglück eine Inspektion des Stellwerks stattgefunden hat, bei der nach seiner Ansicht eine Manipulation der Anlage vorgenommen worden sein könnte:
„Die in der Antwort zu Frage 3 angesprochene Inspektion am Stelltisch und der Innenanlage fand am 8. Februar 2016 in der Zeit von 9:10 Uhr bis 15:36 Uhr statt. Da anschließend wieder ein regulärer Zugbetrieb erfolgte, kann hieraus kein Zusammenhang mit der Notwendigkeit von Ersatzhandlungen am Folgetag hergestellt werden“
Die alte Spürnase Wisnewski hat damit nach meiner Meinung tatsächlich einen begründeten Anfangsverdacht, dass bei dem Unglück von Bad Aibling nicht alles so gelaufen ist, wie die Medien und die Politik behaupten, dass da durchaus auch ein Sabotage- oder Terrorakt vertuscht worden sein könnte. Wisnewski selbst spekuliert, dass über die Bundesbehörde Bahn die Bayerische Staatsregierung unter Seehofer eingeschüchtert wurde, ihre damals harte Opposition gegen Merkels Politik einzustellen. Das ist aber wirklich Spekulation, denn Hintergründe lassen sich aus den von Wisnewski aufgeführten validen Argumenten nicht ableiten. Inzwischen ist der Fahrdienstleiter übrigens wieder aus der Haft entlassen worden.

Wisnewski hat in diesen Fall offensichtlich wesentlich mehr Mühe investiert als in andere Behauptungen aus dem Buch. Was hätte er noch tun können und müssen, um seinen (ungeheuerlichen) Anfangsverdacht weiter zu bestätigen? Er hätte damals den Prozess beobachten oder beobachten lassen können, um zum Beispiel die Aussagen des Fahrdienstleiters wörtlich festzuhalten. Die Frage ist, ob er dafür als freischaffender Journalist, der vom Mainstream ausgestoßen und isoliert wurde, genug Zeit investieren und trotzdem wirtschaftlich überleben kann.

Fazit

Der Freispruch für Gerhard Wisnewski ist im Sinne der Meinungsfreiheit zu begrüßen. Es muss möglich bleiben, medial favorisierte und staatlich erwünschte Narrative über Terror zu hinterfragen und insbesondere auf merkwürdige Zufälle und die Möglichkeit von Vorwissen bei wichtigen Akteuren hinzuweisen, ohne gerichtsfeste Beweise zu haben.
Gerhard Wisnewski bewegt sich inzwischen sicherlich manchmal am Rande des Seriösen und eines angemessenen Aufwands bei schwerwiegenden Überlegungen und Vorwürfen. Allerdings hielt sich der journalistische Aufwand des Medien-Mainstreams von SPIEGEL bis taz, ihm Fehler und Falschmeldungen wirklich nachzuweisen, anstatt sie ihm mit Gegenbehauptungen einfach nur zu unterstellen, eher in noch engeren Grenzen. Das gilt sowohl für die Arbeiten zum RAF-Phantom als auch zu 9/11 und den Flugzeugabstürzen von Shanksville und ins Pentagon. Behördenbehauptungen waren dem vermeintlichen Qualitätsjournalismus immer schon ausreichend, um Behauptungen eines unbotmäßigen Kollegen in die Verschwörungsecke zu stellen. Deshalb freuen mich der Sieg von Wisnewski und die schlecht verborgenen langen Gesichter im sogenannten „Qualitätsjournalismus“.
Als Denkanregung und Kontrapunkt zu einem Journalismus, der überwiegend staatliche Erzählungen zu jeder Form von Terror geradezu grotesk stützt, finde ich jetzt sogar sein Buch „Verheimlicht vertuscht vergessen 2017“ gar nicht einmal so schlecht. Es lohnt sich durchaus, gelegentlich einmal eine Theorie Wisnewskis zu lesen und darüber nachzudenken, ob sie stimmen könnte und wo seine Argumente gut sind und wo nicht.

Der Leser sollte aber wissen, dass die meisten der vielen Theorien Wisnewskis keine Volltreffer sein dürften. Bei ihrer großen Zahl ist das noch unwahrscheinlicher als die Möglichkeit, dass Richard Gutjahr an 2 Terror-Tatorten innerhalb einer Woche aufgetaucht ist, ohne dass irgendjemand Vorwissen über die Taten hatte. Wer auf dieser vergleichsweise dünnen Grundlage Menschen wie Gutjahr mit Hassmails schmäht und verfolgt, ist tatsächlich nicht gut beraten. Das Gericht hat Wisnewski bestätigt, dass er es schlauer angestellt hat. Trotzdem ist die Gutjahr-Geschichte kein Glanzlicht für einen investigativen Journalisten, der Qualität liefern will. Wisnewski kann es besser, immer noch.

Randnotiz

Sehr interessant finde ich auch die Tatsache, dass Richard Gutjahrs Anwalt Markus Kompa nicht nur diesen Prozess gegen Gerhard Wisnewski, sondern auch einen anderen Prozess mit umgekehrten Vorzeichen verloren hat, bei dem er den Blogger ‚Blauer Bote‘ gegen die Klage des Stern und des Bertelsmann-Konzerns verteidigte. Der ‚Blaue Bote‘ hatte dem Stern nur vorgeworfen, mit der Geschichte von der syrischen Bloggerin Bana Alabed Fake News zu verbreiten. Diese These ist weniger kühn als die von Gerhard Wisnewski über Richard Gutjahr, die Niederlage des ‚Blauen Boten‘ mindestens so bemerkenswert wie der Sieg Gerhard Wisnewskis. Vielleicht hat ja das Hamburger OLG tatsächlich weniger für die Meinungsfreiheit übrig als das Kölner. Vielleicht.

Nachtrag 12.09.2018
Diesen Videokommentar zum Thema finde ich nicht schlecht, um den Rechtsstreit zwischen Richard Gutjahr und Gerhard Wisnewski einzuordnen
WikiWeltKommentarAber auch dieser Kommentar darunter bringt nochmals gute Aspekte ins Spiel:
„gutjahr war privat in nizza, und filmte als einziger exakt zur richtigen zeit am richtigen ort, in münchen war er ebenso zur richtigen zeit am richtigen ort, von der anderen seite filmte seine tochter, die normalerweise in usa studiert, und auch zur richtigen zeit am richtigen ort war um die berichterstattung für die usa zu übernehmen. seine frau war beim israelischen militärgeheimdienst…. ich empfehle etwas stochastik. du begehst in deiner analyse einen denkfehler: der vorwurf lautet ja nicht automatisch dass hinter den geschichten ein geheimdienst steckt, sondern nur dass geheimdienste ein vorwissen hatten, und das ist der punkt den es zu hinterfragen gilt: war es möglich ein vorwissen zu haben? die frage irgendeiner schuld kommt erst danach.“
Personen, die Gutjahr hemmungslos bepöbeln, scheinen aber genau diesen Punkt auch nicht zu verstehen!

Nachtrag 01.01.2020
Der ‚Blaue Bote‘ hat im Dezember 2019 Fotos von der 911-Absturzstelle in Shanksville veröffentlicht, die Gerhard Wisnewskis damaligen Bericht über die Ungläubigkeit des Bürgermeisters durchaus plausibel erscheinen lassen. Schwer vorstellbar, dass hier eine große Passagiermaschine einfach im Boden verschwunden ist:
flight_93_crash_crater_911_shanksville_pennsylvania_september11_united_airlines_usa_2001_terror

Dafür, dass er Zweifel an dieser Geschichte im WDR öffentlich gemacht und (angeblich) den Bürgermeister falsch zitiert hat, hat Gerhard Wisnewski seine Aufträge als freier Mitarbeiter des WDR verloren. Und heute beklagt sich Richard Gutjahr, dass ihm die BR nicht in den Prozessen u.a. gegen Wisnewski beigestanden hat 🤔
Hier der originale WDR-Beitrag, für den Gerhard Wisnewski vom WDR geschasst wurde:

Grübeln und Grummeln mit der CSU

Alle drei „linken“ Parteien haben sich durch die Unterwerfung unter Merkels preußisch-protestantischen Absolutismus für mich weitgehend unwählbar gemacht.
Letztlich steckt hinter diesem Hinterherlaufen ein fundamentaler Mangel an Urteilskraft, Orientierung und Standfestigkeit in entscheidenden Fragen der Gesellschaft. Was also tun als ehemals linker und immer noch freidenkerischer Wähler?

Heute:  Mit der CSU im Festzelt sitzen und für Angela den Horst machen

Groß angekündigt war die endgültige Versöhnung zwischen unserem König Horst  und der preußischen Duodezfürstin CSUPlakatMerkel bereits lange im Voraus, ein überregional beachtetes Ereignis. Es war ja auch Zeit nach dem langen Streit um Kleinigkeiten grenzenlose Zuwanderung.

Mit Anlauf zur großen Versöhnungsshow

Das Hofbräuhaus Festzelt steht in München-Trudering an der Wasserburger Landstraße 32, also im „Niederbayern von München“, nicht weit von Berg am Laim,
VomMichaelibadZumFestzeltTrudering
ein sozial schwieriger Bezirk und durch sein Michaelibad sogar in Berlin bekannt.
Ich habe meine 4,5 Kilometer nicht zu Fuß, sondern mit meinem guten Fahrrad zurückgelegt und es dann vor dem Festzelt abgestellt:
FestzeltMitFahrradAber für 18:11 Uhr (um 19:00 Uhr sollte die Kundgebung starten) kam es mir schon ein wenig leer vor, und das schon bei der Anfahrt zu diesem ganz unscheinbar sympathischen bayerischen Stadtteilfest:FestwocheTrudering2017Im Festzelt spielte natürlich der Musikverein München-Trudering, der sich zu überkommenen bunten Werten bekennt:
TrueDerHeimat

Abend ohne Versöhnung

Aber mit einer Mass Weißbier

Im Festzelt habe ich mich zu einem sympathischen Franken gesetzt, der seit 31 Jahren in München lebt. Er wusste schon, dass die Versöhnung dem Terror zum Opfer gefallen ist bzw. die Veranstaltung  wegen der Pietät abgesagt worden war. Dabei soll doch der Terror die neue Normalität sein, an die wir uns gewöhnen müssen. Da kann man doch nicht wegen eines durchschnittlichen kleinen Anschlags eine Versöhnung von nationaler Bedeutung einfach absagen! So wird das nichts mit der Gewöhnung, wenn man immer alles absagt. Später sind dann die beiden CSU-Abgeordneten, Blume (links) und Stefinger (rechts) nochmals für eine Schweigeminute auf die Bühne gekommen und der Musikverein Trudering hat die Musik unterbrochen:

Schweigeminute
Unions-Abgeordnete beschweigen den Alltag in Manchester-Europa

Zwischenzeitlich hat mir der Franke gestanden, dass er CDU wählen würde, wenn es sie in Bayern gäbe. Ich konnte ihm dazu nur sagen, dass ich vielleicht CSU wählen würde, wenn Merkel nicht ihre Spitzenkandidatin wäre. Wie der Zufall so spielt, hatte der Franke gute Bekannte in Mulhouse im Elsass. Dort bei den Franzosen sei das ja alles nicht so toll gelaufen mit der Integration, wegen der Banlieues. Und die Franzosen schafften das mit den Reformen leider nicht, wegen der CGT: Der ganze Schmus, den die Presse eben so schreibt, um den Deutschen einzureden, nur die anderen machten Fehler und sie seien auf einem besseren Weg.
Einig waren wir uns aber, dass die Sozialdemokraten das mit der Bildung und den Schulen nicht auf die Reihe bekommen und dass sie den Leuten deshalb ein X für ein U vormachen können. Schon als Schüler habe ich die Schulpolitik der SPD nicht verstanden: was sollte falsch daran sein, wenn in der Schule viel gelernt statt gelabert wird? Ich konnte ja damals nicht ahnen, dass das Scheitern an der Schule das Scheitern der SPD an der ganzen Welt praktisch unweigerlich nach sich ziehen würde. Jeder scheitert eben auf seine Weise.

Der schlaue Seehofer und die CSU

Dass Horst Seehofer sein Handwerk versteht, kann man auf diesem Video von 2015 nachvollziehen: Er war ehrlich geschockt, hat aber trotzdem richtig und verantwortungsbewusst argumentiert und die Contenance gewahrt. Damit, dass er sofort erkannt hat, dass dieses Ereignis Deutschland und Europa tief umwälzen wird, war er den meisten deutschen Politikern weit voraus. Ein Sigmar Gabriel hat dagegen zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, dass er überhaupt versteht, was für ein Problem da auf das Land zukommt.
Seehofer ist auch anschließend keinem öffentlichen Streit mit Merkel über den richtigen Kurs aus dem Weg gegangen und hat damit für alle in Deutschland den Raum der aussprechbaren Wahrheiten offengehalten. Und heute sehen ihn viele als Sieger über Merkels zwischenzeitliche Politik, von der ja auch nur noch der Glorienschein übrig ist, auch wenn das die Hamburger Journaille natürlich niemals zugeben wird.

Dass Seehofer auch schon früher Dinge klar erkannt und den Zeitgeist kritisiert hat, zeigt dieser wütende Artikel von 2004: Seehofer, der aus dem Arbeitnehmerflügel der CSU  stammt, hat mit dem heutigen Herausgeber der Nachdenkseiten Albrecht Müller die Riester-Rente als schlechtes neoliberales Projekt kritisiert und beide sind inzwischen vom Gang der Dinge bestätigt worden.

Keine Frage:
Horst Seehofer ist ein hellsichtiger Politiker, der Konflikten um die Sache zu Recht nicht aus dem Weg geht und dafür von der Presse bekämpft wird. Je feindseliger Hamburger Blätter über einen  Politiker schreiben, mit umso mehr Wohlwollen und Sorgfalt sollte man ihn sich ansehen.

Im letzten Bundestagswahlkampf 2013 habe ich einen CSU-Kandidaten am Wahlkampfstand auf Horst Seehofers „rote Linien“ bei der Eurorettung angesprochen und die Ansicht geäußert, dass diese Linien ja wohl keinen Bestand haben könnten. Er hat sich wortlos umgedreht und mich stehenlassen. Die roten Linien sind natürlich längst vom Winde verweht worden. Mittlere Chargen bei der CSU mögen es ebenso wenig wie bei der SPD, wenn jemand den Konsens stört, dem sie sich unterworfen haben. Ist das schon die Verpreußung der CSU?

Trotzdem bin ich inzwischen der Ansicht, dass die CSU in Bayern meist erheblich bessere Politik macht als die SPD oder die CDU in irgendeinem Bundesland. Und die „Liberalitas Bavariae‘ existiert wirklich, denn ein Befürworter von Merkels Grenzöffnung (wie der Franke von meinem Tisch oder der Schwabe Theo Waigel) kann in Bayern in besserem  Frieden leben als eine erklärte Gegnerin von Merkels Politik jenseits des Mains.

Warum es Bayern besser hatteschicksalimmigranten

Im „Schicksal der Immigranten“ behandelt Emmanuel Todd auch die erste große Asylwelle von Anfang der 90er Jahre und die Gewalttaten gegen Einwanderer (Mölln, Solingen, …) und schreibt:
„Insbesondere in Ländern, die sich eine gewisse Ländlichkeit bewahrt haben und, wie Schleswig-Holstein, protestantisch sind, liegt der Prozentsatz der Gewalttaten besonders hoch, während er im katholischen Bayern sehr niedrig ist. Ein weiteres Mal scheint das Verlangen nach sozialer Homogenität in protestantischen Gebieten weit stärker zu sein, während die katholische Tradition mit der Andersartigkeit besser zurechtkommt. Bayern, das für sein hartes Vorgehen bei der Ausgrenzung von Ausländern berühmt-berüchtigt ist, toleriert deren Gegenwart auf dem eigenen Territorium sehr viel besser, weil es weniger dem Ideal der deutschen Homogenität anhängt. Eine Regel bringt den Geist des bayerischen Differentialismus auf den Punkt: Ausländer, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben wollen, müssen den lokalen Dialekt beherrschen.“

Man kann diesem überaus klugen Franzosen nur dazu gratulieren, dass er dieses scheinbare Paradox sehr viel besser erfasst hat als die meisten preußischen Politiker. Bayern spielt nach außen hart und nimmt die Einwanderer im Inneren (wenn sie es wert sind) freundlich auf, während man es in Preußen gerne anders herum hält: Die politische Elite hat die Willkommenskultur auf den Lippen und das Sozialghetto in der Hinterhand. Die moralische Schuld an Konflikten wird dann bei den Deutschen abgeladen, die ebenfalls dort wohnen. „Dunkeldeutschland“ ist die unvermeidliche Schattenseite des vor der Welt zur Schau gestellten protestantischen Edelmuts und wird als „nicht mehr mein Land“ heuchlerisch abgeschoben. Die notwendige, meist nur angedeutete, oft vorgetäuschte, aber immer begrenzte Härte des bayerischen Staates dagegen hält die Bürger selbstlos ab von abscheulicher und sinnloser Gewalt gegen Einwanderer, nicht aber die psychisch labilen Einwanderer, die zumindest in der Presse sehr zahlreich sind.
Der bayerische Ministerpräsident lädt sich dieses Kreuz jederzeit freiwillig auf den Rücken und wirft sich selbst so den Anfeindungen des preußischen Unverstands zum Fraß vor. Nach über 21 Jahren bayerischer Staatsbürgerschaft ist es Zeit, dass ich ihm für diese Passion einmal meinen tief empfundenen Dank ausspreche.

Auf dem Heimweg  mit dem Radl an einem Fußballplatz aufgenommen:
Fußballplatz

Seehofers Dilemma und
die heimliche Einigkeit der Journaille mit der AfD

Das Dilemma des Horst Seehofer, sein Gepolter und seine taktische Beweglichkeit im Umgang mit Angela Merkel sind verständlich. Er ist nun einmal der Vorsitzende der CSU, der Schwesterpartei der CDU, deren Vorsitzende nun einmal Angela Merkel ist. Wenn er versucht hat, Merkel zu stürzen, hat es nicht geklappt, aber es hat ganz sicherlich geklappt, Merkels verunglückte Willkommenskultur zu beenden. Deshalb habe ich auch Verständnis für Leute, die trotz allem bei der Bundestagswahl CSU wählen. Alternativen sind nun einmal Mangelware. Und wenn die AfD behauptet, dass Seehofer nur heiße Luft produziert, dann ist das höchstens die halbe Wahrheit und zufällig genau das, was auch die Hamburger Magazine behaupten. Dabei ist die Produktion von heißer Luft eine Kernaufgabe von Politikern. Die Produktion von heißer Luft durch Martin Schulz hat die Hamburger Journaille schließlich auch bejubelt. Der Hohn kam erst, als ihm die Luft weggeblieben ist.

Und der blinde Hass der Journaille gegen Seehofer war in dem Moment entlarvt, als Merkel-Freund Laschet dieses Wahlplakat hat kleben lassen, um die Wahl doch noch zu gewinnen:cdusicherheit-674x4501

Ohne dass sich die Journaille darüber so empört hätte wie über Seehofers Obergrenze!

Bei allem Respekt für Seehofer kann ich eines aber nicht: bei der Bundestagswahl CSU wählen. Schließlich habe ich noch niemals Merkel gewählt. Und dabei wird es bleiben. Mir san schließlich mir.

Nachtrag 24.05.2017:
Es war mir bisher nicht einsichtig, warum Merkel und Seehofer diesen Abend wegen eines Attentats in Manchester abgesagt haben, auch wenn es sich um ein schlimmes handelt. Ein Deutschland-Bezug des Attentäters wäre aber tatsächlich ein Grund, der das verständlich machen würde. In diesem Fall hätte dieser allerdings schon gestern zur Mittagszeit bekannt gewesen sein müssen, als die Absage offiziell gemeldet wurde.
Es ist also sehr wohl möglich, dass diese Absage einen sehr ernsten Hintergrund hat, der in den nächsten Stunden und Tagen offenbar wird und dass die Absage unter diesen Umständen nicht nur richtig, sondern auch unvermeidbar war.

Nachtrag 26.5.2017:
Die FAZ meint, dass dem oben beim Schweigen gezeigten Landtagsabgeordneten Markus Blume die Zukunft der CSU gehören könnte:
ZukunftDerCSU

Nachtrag 28.5.2017:
Das gemeinsame Auftritt von Merkel und Seehofer in Trudering ist heute nachgeholt worden. Trump war so nett, Ablenkung zu bieten vom alten Streitthema. Und beim Heben der Mass ist sie ja schon immer gut dabei.

Nachtrag 29.5.2017:
Weltweite Resonanz zu Merkels Rede im kleinen Trudering: „Das ist ein enormer Wandel der politischen Rhetorik
Das ehemalige Nachrichtenmagazin Spiegel übertrifft sich bei der Lobhudelei selbst:
MerkelMitKrug
Das Bild dürfte der persönlichen Maskenbildnerin einiges zu denken geben, sonst aber niemandem: Medien, evangelische Kirche und auch die Opposition in einem Boot. So ist in Preußen die Demokratie auch vor Wahlen sicher.

Nachtrag 5.6.2017:
Der Beitrag über Markus Blume in der FAZ jetzt online.

Nachtrag 19.7.2017:
32% der Bayern befürworten (angeblich) die Abspaltung Bayerns von Deutschland. Darüber wird zu gegebener Zeit zu sprechen sein.