Pandemie mit tiefen Wurzeln

Paul Schreyer hat in einem kompakten Vortrag einen Überblick über die (lange) Geschichte der Pandemie-Planspiele gegeben:

Der Vortrag gibt einerseits einen Überblick über Inhalte seines Buches, das in 2020 einige Wochen in den Bestseller-Listen war:

Inhaltsübersicht und Buch zum Thema

Der letzte Vortragsteil über das Börsenbeben im September 2019 ist dagegen im Buch noch nicht enthalten.

Wichtige Folien und Querverweise

Der Vortrag kommt relativ zügig zur Anti-Terror-Kampagne der 1990er Jahre in den USA, und dort zu Joe Biden und seiner zentralen Rolle bei der Vorbereitung des ‚Patriot Act‘, also der gezielten Einschränkung von Bürgerrechten:

Joe Biden war eine Schlüsselfigur der Anti-Terror- und Notstandsgesetzgebung in den USA

Das Thema Terror mit Biowaffen wurde ebenfalls in den 1990er Jahren hochgefahren mit Bezug zu Saddam Hussein:

Vorausplanend wurde Saddam Hussein mit Anthrax in Verbindung gebracht, aber an den tatsächlichen Anthrax-Anschlägen nach dem 11. September 2001 wurde ihm keinerlei Beteiligung nachgewiesen

Eine Schlüsselfigur, die seit den 1990er Jahren am Thema führend und planerisch mitwirkte, war Robert Kadlec. Sein Zitat von 1998 ist äußerst aufschlussreich:

Robert Kadlec über den „glaubwürdig abstreitbaren Einsatz von Biowaffen“ für eine Seuche

Das Thema Biowaffen und die Abstreitbarkeit ihres Einsatzes habe ich im Mai 2020 thematisiert als Unsicherheitsfaktor für das Auftreten einer zweiten Welle.

Auch das Thema Kriegsrecht, Quarantäne, Impfung und Polizeieinsatz gegen die Bevölkerung wurde bereits vor 20 Jahren vorgedacht:

Und derselbe Robert Kadlec beriet 2020 auch wieder die Regierung Trump bei der Reaktion auf das Coronavirus:

Die Einschränkung der Bürgerrechte, die heute vor unseren Augen stattfindet, wurde bereits in der Übung mit Kadlec im Jahr 2001 (vor 911) thematisiert:

Nach den Anschlägen vom 11. September wurde als Reaktion auf die Anthrax-Briefe die „Global Health Security Initiative“ ins Leben gerufen, der von Anfang an auch Deutschland angehörte:

Sehr bald wurde von dieser Initiative die Gleichheit der Strategien gegen Bioterrorismus und eine Grippeepidemie beschrieben und geübt:

Das zum Beispiel beschreibt genau die Realität des Jahre 2020:

Die Ideen sind international abgestimmt. Jacques Attali, der Entdecker von Präsident Macron, hat sich bereits 2009 so geäußert:

Und im Lockstep-Szenario der Rockefeller-Stiftung war bereits der China-Bezug (in paradoxer Weise als Bösewicht oder Vorbild auslegbar) im Pandemie-Szenario enthalten:

2017 sei die Bedrohung der „Weltordnung“ durch den Präsidenten Trump ins Spiel gekommen und habe der Pandemie-Planung neue Dynamik gegeben:

Senator McCain auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2017

Auf derselben Münchner Sicherheitskonferenz sprach auch Bill Gates Klartext und verknüpfte explizit die Themen Pandemie und Militär:

Bill Gates auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2017

Im selben Jahr (also 2 Jahre früher als auf einer von mir thematisierten Konferenz der Unionsfraktion) wurde ein Berater-Gremium der Bundesregierung ins Leben gerufen, dem auch bereits Christian Drosten und ein Vertreter der Gates-Stiftung angehörten:

Christian Drosten (hinten Mitte) im Beratergremium der Bundesregierung

Die Frage nach dem akuten Auslöser

Bei der Frage „Warum gerade 2020?“ kommt Schreyer auf die sich im Herbst 2019 wieder verschärfende Finanzkrise zu sprechen, wie sie in diesem Artikel der ZEIT beschrieben wurde:

Das ist nicht sehr weit von meinen ersten Gedanken zum Ausnahmezustand im März 2020 entfernt.

Diese Grafik der Bilanzsumme der US-Notenbank zeigt, dass die US-Wirtschaft (und unsere) im Grunde seit 2008/2009 nicht aus Problemen herausgekommen ist, die es mit der Weltwirtschaftskrise von 1929 aufnehmen können:

Mit der Krisenpolitik würden einseitig die Banken unterstützt, sagt dieser Artikel von Januar 2020, auf den sich Schreyer bezieht.

Zensur von „Falschnachrichten“

Nicht zuletzt habe die vieldiskutierte Pandemie-Übung „Event 201“ ergeben, dass kritische Medien zur Durchsetzung einer Pandemie-Politik zensiert werden müssen.

Dass der Vorwand dafür behauptete ‚Falschmeldungen‘ sind, ist auch mir bereits im April 2020 aufgefallen: Fake News über Falschnachrichten

Fazit

Einerseits ist es schön, dass Schreyer viele von mir beschriebene Beobachtungen und Vermutungen bestätigt, andererseits hat er es mit Buch und Vortrag hervorragend geschafft, ihre sehr viel tieferen Wurzeln in der Vergangenheit überzeugend nachzuweisen:
Die Wurzeln der Plandemie stecken im Boden der Kriegs- und Terrorpolitik. Die personellen Verflechtungen hat Schreyer auf viel höherem Niveau nachvollzogen, als es mir früh aufgefallen war.

Nachtrag 7.1.2021
Schreyers Buch hat im Gesamtjahr 2020 Platz 20 in der SPIEGEL Bestseller-Liste Sachbuch Paperback belegt, obwohl es erst am 14. September erschienen ist:

Aktuell gehört es zu den schnellsten Aufsteigern:

Nachtrag 30.03.2021
Ich habe heute festgestellt, dass diese Seite relativ häufig gefunden wird, weil jemand nach „Jacques Attali“ und „Zitat 2009“ sucht. Interessant.
Dazu gibt es oben eine Folie. Ich habe deshalb über Attali etwas gelesen. Er ist die „Graue Eminenz“ der französischen Politik der letzten gut 40 Jahre. Präsidentenmacher und Prophet, aber nie mit einem Ministeramt oder einem demokratischen Mandat ausgestattet, mischte er links ebenso mit wie rechts. Sein Aufstieg ist eng mit François Mitterrand verknüpft, den ich bereits vor langem als dubiosen Politiker beschrieben habe. Aber er hat auch die Präsidenten Sarkozy, Hollande und Macron „gemacht“. Mit Macron ist seine eigene Links/Rechts-Agnostik letztlich auch in seinem Objekt angekommen.
Interessant, interessant: der einzige Präsident der letzten 40 Jahre, dessen Ohr er nicht hatte, war: Jacques Chirac. Ausgerechnet Chirac. C’est remarquable!

Nachtrag 13.04.2021
Sehr spannendes niederländisches Video (deutsch synchronisiert) mit weiteren Hintergründen

Corona in Frankreich

Ausgangspunkt dieser Betrachtungen ist eine sehr schöne Animation eines Soziologie-Professors, der alle Todesfälle eines Tages in Frankreich von 2000-2020 auf denselben Jahreskreis geplottet hat:

Tägliche Todesfälle in Frankreich 2000-2020

Man erkennt, dass sich die Zusatztoten 2020 (rote Linie), die (direkt oder indirekt durch diverse Behandlungsfehler) durch Corona verursacht wurden, in diesen 20 Jahren nur mit den Toten vom August 2003 vergleichen lassen, als eine außergewöhnliche Hitzewelle vor allem alte und geschwächte Menschen das Leben kostete. Neben der 1./Frühjahrswelle im März+April zeigt die rote Kurve auch die 2./Herbstwelle ab Ende Oktober. In den Jahren davor (2013-2016) gibt es auch einige auffallende saisonale Grippewellen von Januar-März, die aber höchstens halb so viele Opfer fordern wie die Corona-Frühjahrswelle 2020.

Corona und die Hongkong-Grippe

Der Ökonom Pierre Aldama hat zu dieser Animation die Jahre 1968-1999 hinzugefügt und ist zu folgendem Bild gekommen (Beschriftung von mir übersetzt und ergänzt):

Interessanterweise wurde erst im März 2020 ein Artikel veröffentlicht, der die Zahl der Todesfälle durch die Hongkong-Grippe (gelbe Kurve) in Frankreich nach einer Schätzung des Epidemiologen Antoine Flahault von 2003 auf 31000 in 2 Monaten bestimmte und feststellte, dass ihre Schwere damals in den frz. Medien drastisch unterberichtet und unterschätzt wurde. So wurde sie im Sommer 1969 für beendet erklärt, bevor sie in Europa richtig zugeschlagen hat und in Frankreich geschätzt ca. 1/4 der Bevölkerung krank wurde, ohne dass es irgendwelche Beschränkungen des öffentlichen Lebens gab.
Weltweit war die Hongkong-Grippe mit insgesamt 1 Million Toten eine der 9 großen Grippe-Epidemien, wurde aber von 1-5 Kategorien nur in Kategorie 2 eingeordnet, wobei diese aber nur einmal (von der Spanischen Grippe 1919: Kategorie 5) überschritten wurde.
Der frz. Wikipedia-Artikel zur Hongkong-Grippe ist erheblich ausführlicher als der deutsche. Wikipedia berichtet aber für Deutschland (BRD+DDR) von 52500 Personen, die an diesem Virus gestorben sind.

Erst die beiden Corona-Wellen von 2020 kamen in Frankreich gemeinsam wieder in diese Größenordnung, in Deutschland aber bei weitem nicht.
Auch im schwer betroffenen Frankreich ist die Corona-Epidemie also mit einer schweren Grippeepidemie vergleichbar, in Deutschland dagegen höchstens mit einer mittelschweren saisonalen Grippewelle.
Auffällig ist, dass beide Epidemien deutlich außerhalb der normalen Grippesaison (von Ende Dezember bis Ende März) zugeschlagen haben.

Hier die Gesamtsterblichkeit von Frankreich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern bis Ende November 2020:

Übersterblichkeit in schwerer von Corona betroffenen kontinentaleuropäischen Ländern

Gemeinsam mit Belgien, Spanien und Italien gehörte Frankreich zu den in Summe von beiden Wellen besonders hart getroffenen Ländern.
Im Vergleich dazu gab es in Deutschland, Dänemark oder Norwegen wenig oder kaum zusätzliche Todesfälle wegen Corona, deutlich weniger als durch die Grippewelle von 2018:

Maßnahmen hart und wenig wirksam

Die französischen Ausgangsbeschränkungen waren bereits in der 1. Welle besonders rigoros und verboten den Franzosen auch Waldspaziergänge mit der Familie. Im Frühjahr wurden Jäger von Politikern aufgefordert, Spaziergänger zu denunzieren, was für Empörung und Dementis sorgte. Trotzdem galten für Jäger selbst auch im Herbst wieder Sonderregeln.

Im Herbst gehörte Frankreich trotz der harten Maßnahmen vom Frühjahr und auch mit weniger Lockerungen über den Sommer (als in den Niederlanden oder Dänemark) bei den „Fällen“ (also positiven Corona-Tests) zeitweise wieder zu den stark betroffenen Ländern, bevor eine erneuter strenger Lockdown das Niveau leicht unter das niederländische, dänische und deutsche Nievau drückte:

Deswegen gilt Frankreich deutschen Hardlinern als Vorbild.
Bei den entscheidend zu vermeidenden Todesfällen dagegen hat Frankreich bisher weder das dänische, noch das niederländische, deutsche oder auch nur das schwedische Niveau erreicht:

Man kann also Frankreich auch gut als Beispiel anführen, dass der Lockdown nicht das hält, was sich seine Verfechter von ihm versprechen. Und das mit sehr starken Einschränkungen für die Bürger, viel härter als bisher in Deutschland, den Niederlanden oder gar Dänemark und Schweden. In den Niederlanden, Dänemark und Schweden ist besonders auffällig, dass sie im Verhältnis zu den „Fällen“ besonders wenige Todesfälle verzeichnen.

5 Jahre Ausnahmezustand

Mit mehrfach verlängerten Ausnahmezuständen ab 2015 wegen Terror und den Corona-Lockdowns leben die Franzosen inzwischen schon 5 Jahre mit kurzen Unterbrechungen im Ausnahmezustand. Was die Bedrohung von Rechtsstaatlichkeit und Freiheit angeht, wirkt das Corona-Regime also dort weiter, wo das Terror-Regiment noch lange nicht aufgehört hat. Der Corona- und der Terror-Komplex sind also nicht nur über das kommentierende Personal verbunden.

Im Schutz des Ausnahmezustands schlägt die Polizei brutal zu und sind Bürgerrechte stark eingeschränkt. Die Gewalt trifft keineswegs nur Minderheiten und die Regierung stellt sie nicht nur der facto straffrei, sondern wollte es auch de jure tun, indem sie Filmaufnahmen von Polizeigewalt unter härtere Strafe stellen wollte als die Gewalt selbst.

Risse durch Europa vertieft

Nach der Finanzkrise seit 2010 wird also die Spaltung und Krise Europas durch Corona vertieft. Das sieht auch dieser ARTE-Beitrag vom 10. November so:

Exkurs: Übersterblichkeit

Das französische Statistikamt hat diesen Plot der Sterblichkeit in Frankreich veröffentlicht:

2020 in Rot wie in der runden Darstellung ganz oben

lässt sich die 1. Welle im März und April 2020 nochmals separat im Ausschnitt tagesgenau plotten:

Tägliche Sterbezahlen im März und April 2020 im Vergleich mit Durchschnittswerten

Die Berechnung einer Übersterblichkeit hängt schon ganz naiv betrachtet vom Referenzniveau ab, hier zum Beispiel dem Durchschnitt der letzten 5 Jahre. Sie hängt außerdem vom Zeitfenster ab, hier März bis April. In diesem Zeitfenster wird die Übersterblichkeit von 18000 zwischen 16.3. und 25.4. durch die Untersterblichkeit vorher und nachher reduziert auf 16000. In diesem Fall von einer Übersterblichkeit von ca. 20000 Toten in den 40 Tagen der 1. Welle zu sprechen, ist also nicht ganz falsch.

Interview mit einem Experten beim statistischen Bundesamt über die Berechnung der Übersterblichkeit.

Nachtrag 16.12.2020
Am 5.1.1970, also in der noch nicht ganz beendeten Sterbewelle mit ca. 50000 Toten in Gesamtdeutschland veröffentlichte der SPIEGEL diesen launigen Bericht:

SPIEGEL über die Schrecken der Hongkong-Grippe

Die Zitate:

„Das beste Mittel dagegen ist viel Arbeit“, befand Münchens OB Hans-Jochen Vogel.
„Mit Einbruch des Winters auf der nördlichen Erdhälfte, so schlossen die WHO-Experten, würde sich ‚A 2-Hongkong‘ abermals in Europa ausbreiten.

Nachtrag 17.12.2020
Bereits im April hat die Abendzeitung über die Hongkong-Grippe in München berichtet: „hoffnungslos“ bei insgesamt 16 Toten in der Stadt

Nachtrag 28.12.2020
Dieser Schweizer Bericht aus einem französischen Pflegeheim ist sehenswert und erschütternd. Man sperrt die Menschen ein wie Vieh und kujoniert sie unter dem Vorwand, sie schützen zu wollen:

Beeindruckend, wie klar die alte Frau noch denkt und ihre selbstverständlichen Interessen formuliert.
Es gibt übrigens keine Hinweise darauf, dass die Lage in dt. Pflegeheimen grundsätzlich besser ist für die Insassen. Die Gemeinsamkeit besteht darin, dass die Maßnahmen den wirklich Betroffenen wenig nützen.

Nachtrag 19.4.2021
Gestern ist in der Wirtschaftswoche ein Interview zur Hongkong-Grippe erschienen. Gar nicht mal schlecht, aber mit merkwürdigem Titel: Es gab keinen Christian Drosten der 68er

Der Demokratie einen Maulkorb

Essay von Peter Hitchens, erschienen im Critic, eine ‚Tour d’Horizon‘ durch die geistige Entwicklung Englands in den letzten 25 Jahren.
Meine Übersetzung, meine Hervorhebungen:

Aus dem langen Rückzug aus Recht, Vernunft und Freiheit ist nun eine wilde Flucht geworden. Er wurde von vielen Dingen verursacht: der Pöbel-Hysterie, die nach dem Tod von Prinzessin Diana aufblühte; der Vernichtung des Bildungswesens; der Verbreitung intoleranter Sprachregelungen, die dafür gemacht waren, der universitären Lehre und dem Journalismus eine Einheitsmeinung aufzuerlegen; den unaufhörlichen, vom Staat geförderten Panikanfällen wegen des Terrors; dem Kollaps und Verfall von Institutionen und Traditionen.

All das ist am Ende zusammengeflossen zu einer einzigen Kraft, und wir scheinen machtlos gegen sie zu sein. Absurderweise ist der Moment zufällig, an dem sie ihre maximale Kraft erreicht haben, eine wilde, unverhältnismäßige Panikreaktion auf eine reale, aber begrenzte Pandemie.

Außerhalb des totalen Krieges und seiner Obszönitäten haben wir nicht gesehen, was wir jetzt erleben. Wenn man die Vorgänge der letzten Monate auflistet, die sich auf die Verfassung beziehen, stellt man den selbstgefälligen geschwätzigen Klassen von Großbritannien auch die Frage, an was sie das erinnert: die Neutralisierung des Parlaments zu einem Ja-Sager, der von der Exekutive kontrolliert wird; das Ende des politischen Pluralismus; die Einführung einer Regierung mit Notverordnungen; das Verschwinden der letzten Spuren einer unabhängigen Beamtenschaft; das dröhnende Schweigen der Medien und Gerichte über diese Vorgänge; die Unterwerfung der Polizei unter Verordnungen statt Gesetze.

Außerdem sollten diejenigen, die sich jahrelang gegen Zensur auf dem Campus gewehrt habe, jetzt aber merkwürdig still sind, noch bestimmte Folgen für individuelle Bürger auf die Liste schreiben: die Streichung ihrer Bewegungsfreiheit ohne Bedingungen; einen de-facto Hausarrest; willkürliche Bestrafung; erzwungene Arbeitslosigkeit; Behinderungen im inneren Reiseverkehr; die Sprengung des Familienlebens bis hin zu angeordneter Trennung von lebenden Ehepartnern am Ende ihres Lebens und dem Verbot, an Begräbnissen teilzunehmen; die Abschaffung der Versammlungsfreiheit.

Dazu kommt eine Kluft im Leben der Zivilgesellschaft, die so breit ist, dass jede verbleibende unabhängige Einrichtung und Körperschaft dauerhaft verwundet worden ist, und die Gewohnheiten einer freien Gesellschaft vergessen und verkümmert. Dazu zählt auch die zwangsweise Aussetzung von Gottesdiensten, die faktische Streichung von Ostern, des höchsten und umstürzlerischsten aller christlichen Feiertage; die Verhinderung oder harte Bestrafung von Versammlungen jeder Art (mit Ausnahme derjenigen, die von den Behörden selektiv gebilligt werden) und die Streichung von Bildungsveranstaltungen; die Einführung von Sprechen unter Zwang durch das erzwungene Tragen von Gesichtsbedeckungen, die öffentlich anzeigen, dass jemand sich dem Staat unterworfen hat und der utopischen und unwissenschaftlichen Politik, die diesen Staat leitet.

Ich habe etwas Ärger gehabt, weil ich angeblich zu viel Aufregung um die letzten dieser Punkte mache. Vielleicht weil ich viel Zeit mit Leben oder Reisen in Despotien verbracht habe, verstehe ich den Sinn und die Natur von Massenpropaganda besser als diejenigen, die das nicht gemacht haben. Sie ist nicht dafür da, um Ihre Zustimmung zu erreichen. Sie ist dazu da, Ihnen zu sagen, dass Sie machtlos dagegen sind und ohne Protest offiziellen Lügen zuhören müssen.

Es ist immer mehr ein Nachteil in jeder Debatte, irgendetwas über das Thema zu wissen, über das diskutiert wird. Dieser offensichtliche Aspekt der Masken-Verordnungen ist bisher denjenigen entgangen, die gerade erst begonnen haben, als Bürger eines Knechtstaats zu leben. Aber ich bleibe verblüfft, dass so viele entweder nicht sehen können oder vorgeben, nicht sehen zu können, welche enorme Symbolik es bedeutet, wenn eine Bevölkerung aus Angst vor dem Staat angetrieben wird, viel von ihrer Individualitöt zu opfern und eine Art von Kleidung anzunehmen, die mit Unterwerfung in Beziehung steht. Ich frage mich manchmal, wo in solchen Momenten alle die Amateur-Freudianer sind, die mir normalerweise so bereitwillig ihre Analyse meiner Schwächen anbieten. Eine Zigarre ist manchmal nur eine Zigarre, aber eine Maske ist selten nur eine Maske.

Der Covid-Maulkorb fordert ein außergewöhnliches Maß an Selbstverleugnung

Die Regierung selbst hat, als sie noch ehrlich war, wiederholt und explizit in ihren eigenen Dokumenten zugegeben, dass diese Gesichtsbedeckungen von wenig praktischem Nutzen sind: die heilige Wissenschaft stand damals gegen sie. Sie schrieb in einem am 23. Juni veröffentlichten Dokument, dass „die Evidenz des Nutzens von Maskentragen zum Schutz anderer schwach ist und der Effekt wahrscheinlich klein ist“ (und kein Experiment seither hat daran etwas geändert).

In jedem Fall wurden sie eingeführt, lange nachdem die Krankheit das Schlimmste erledigt hatte. Wenn diese zugegebenermaßen nutzlosen Dinge Party-Armbändchen oder Jacken-Buttons wären oder die kleinen roten Flaggen, die Bürger der Warschauer-Pakt-Staaten früher an kommunistischen Feiertagen gezwungenermaßen auf den zerfallenden Balkonen wehen lassen mussten, wäre ihr Zweck offensichtlich.

Aber sogar jenen scheußlichen totalitären Verpflichtungen fehlte eine wichtige Sache, die das Tragen von Gesichtsbedeckungen erfordert. Der Corona-Maulkorb erfordert einen außerordentlichen Akt der persönlichen Selbstverleugnung. Auf einer Demonstration gegen den Lockdown kürzlich in Melbourne wurden Polizisten dabei beobachtet, wie sie diese Maulkörbe zwangsweise um die Gesichter der verhafteten Protestierer banden, die schon in Handschellen waren und unfähig, sich zu wehren. Die beteiligten Polizisten, von denen viele schweren Körperschutz trugen, führten unwissentlich deren wahren Zweck vor: uns in mundlose Diener der Macht ohne Stimme zu verwandeln. Es ist faszinierend, sich an die ersten Bilder von Gefangenen zu erinnern, die in Guantanamo ankamen, in Ketten und gedemütigt in orangenen Overalls. Auch sie tragen die kleinen blauen Maulkörbe über ihren Mündern, die jetzt, 20 Jahre später, von normalen Bürgern überall getragen werden. Ganz sicher kann niemand argumentieren, dass dieses Extra-Bestandteil der Unterwerfung und Herabsetzung eine Maßnahme der Gesundheitsvorsorge war:

Vor welchem Virus schützten diese Masken?

Zweifellos gefällt diese Selbstverleugnung und Selbstauslöschung manchen. Schauen Sie hin und Sie werden sehen, dass manche sie mit einer Art Stolz tragen. Aber die meisten sehen perplex und gefangen aus, als ob sie durch einen Schlitz in einer Mauer lugten, hinter der sie in der Falle sitzen. Und der ständige Anblick – auf Straßen, in Bahnhöfen und im Fernsehen – von Tausenden anderen, die genauso unterdrückt sind, hält die Angst, den Alarmzustand und die Panik am Leben, die die Regierung nun für die absehbare Zukunft aufrechterhalten muss.

Die meisten Menschen mögen es ganz gern, Angst zu haben, und viele mögen die Freiheit nicht und die Verantwortung, die sie mit sich bringt

Wer denkt, das sei Angstmacherei, muss ein erstaunliches Dokument lesen, das der Öffentlichkeit immer noch viel zu wenig bekannt ist. Es ist ein Dokument, das am 22. März 2020 SAGE Kommittee der Regierung vorgelegt wurde, und es trägt die Überschrift „Überredung“.

Zitat in einem Tweet von Peter Hitchens (@ClarkeMicah) vom 17. August 2020

Die Schlüsselstelle lautet:
Wahrgenommene Bedrohung: Eine erhebliche Zahl von Menschen fühlt sich persönlich noch nicht genug bedroht; es könnte sein, dass sie beruhigt werden durch die niedrige Todesrate in ihrer Altersgruppe, obwohl das Niveau der Besorgnis vielleicht steigt. Wer ein gutes Verständnis von der Bedrohung hat, hat eine positive Einstellung zu Corona-Abstandsmaßnahmen, wie in Hongkong festgestellt wurde. Das gefühlte Niveau der persönlichen Bedrohung muss durch eindrucksvolle emotionale Botschaften erhöht werden unter denjenigen, die allzu sorglos sind. Um wirksam zu sein, muss dieses die Menschen auch handlungsfähig machen, indem sie Aktionen anbietet, mit denen sie die Bedrohung reduzieren können.

Dokumente dieser Art sind nicht dafür gedacht, an die Öffentlichkeit zu gelangen. In besseren Zeiten als diesen, solchen mit aktiven und kritischen Medien, hätte diese spezielle Passage – mit ihrer klaren Konsequenz, dass es die Aufgabe des Staates sei, uns mit Angst zum Einverständnis zu treiben – zum Sturz der Regierung führen können. Wie die Dinge jetzt liegen, wird es Ihnen schwerfallen, sie in der britischen Presse überhaupt erwähnt zu finden. Das passiert, ist aber schwer zu finden und nicht auf den ersten Seiten irgendeiner Tageszeitung. Und zwar nicht wegen Zensur oder irgendeiner abgestimmten Aktion.

Es passiert weil die meisten Leute, die ja ihr ganzes Leben in entspannter Freiheit gelebt haben, ziemlich unfähig sind zu glauben, was vor ihren Augen passiert. Es ist ein Paradox nach der Art von Chesterton, das Chesterton selbst nie geschrieben hat: eine Regierung ändert das Wesen des Staats erfolgreich und ohne Opposition, weil niemand glauben kann, was er sieht, weshalb es jeder höflich ignoriert.

Genauso gab es verschiedene Ausbrüche von Panik und Emotion, die das Land nach dem Ende des Kalten Krieges erschüttert haben. Es gab tiefgehende Angriffe auf die Vernunft. Es waren gleichzeitig Angriffe auf die Selbstbeschränkung der Regierung und die Herrschaft des Rechts, die hauptsächlich auf der Kraft der Vernunft beruht. Die meisten Leute haben es ganz gern, vor etwas Angst zu haben, und viele mögen die Freiheit nicht und die Verantwortung, die mit ihr einhergeht. Die Ehrlichen unter uns geben das zu.

Weil die Sowjetunion das Zeughaus der Unterdrückung war, stand politische Freiheit im Westen unter besonderem Schutz

Einstmals, vor Charles Darwin, den Schlachten von Ypern und der Somme (also dem 1. Weltkrieg, Anmerkung des Übersetzers), bediente der christliche Glaube diese Bedürfnisse. Die Gottesfurcht war der Anfang der Weisheit, und der ergebene Dienst an Christus war perfekte Freiheit. Der Glaube bot das Ewige Leben und half den Menschen, den Tod in der Zeit als normal zu akzeptieren. Dieser Glaube half, die irdische Freiheit am Leben zu halten, weil, wie Edmund Burke (Stammvater des englischen Konservatismus) erläuterte, der wirklich gottesfürchtige Mensch nichts Anderes fürchtet. Kein Despot kommt weit, wenn solche Männer in nennenswerter Zahl vorhanden sind.

Aber immer weniger glaubten das, und die Notwendigkeit, dass etwas diesen Glauben ersetzte, hatte eine Menge zu tun mit dem Aufstieg autoritärer Bewegungen überall in einem immer säkularisierteren Europa in den 1930er Jahren. Nach dem Zynismus und der Akzeptanz der Idee, dass der Zweck die Mittel heilige, wurde der Säkularismus noch stärker.

Aber 50 Jahre lang lieferten die sowjetische und die nukleare Bedrohung einen Ersatz – ein Armageddon zum Fürchten und einen Grund im Westen, sich um den Staat zu scharen. Er bot einen unerwarteten Bonus, der uns alle schützte, obwohl wir es damals nicht wussten. Weil die Sowjetunion das Zeughaus der Unterdrückung war, stand die politische Freiheit im Westen under besonderem Schutz, solange der Kreml unser Feind war. Die Freiheit war es, so nahmen wir an, für die wir kämpften und standen. Regierungen, die behaupteten, uns vor der sowjetischen Tyrannei zu schützen, konnten es nicht sehr weit treiben beim Beschränken der Freiheit auf ihrem eigenen Gebiet, so sehr sie das auch gewollt haben wollen.

Dieser Schutz endete, als die Berliner Mauer fiel. Im selben außerordentlichen Moment befreite der Kollaps des russischen Kommunismus revolutionäre Radikale überall im Westen. Der grässliche, gescheiterte Breschnew-Staat konnte ihnen nicht mehr wie ein fauliger Albatross um den Hals gehängt werden. Sie wurden nicht länger als potenzielle Verräter betrachtet, nur weil sie links waren. Eric Hobsbawm und seinesgleichen konnten sich endlich dem Establishment anschließen. Tatsächlich ließen Festungen des Establishments wie die BBC jetzt politische und kulturelle Linke in ihren Leitungspositionen zu.

Antonio Gramscis Überdenken der Revolution – die Universität erobern, die Schule, das Fernsehen, die Zeitung, die Kirche, das Theater statt der Kaserne, des Bahnhofs und des Postamts – konnte endlich in Gang kommen. In diesem Moment begann der lange Marsch der 1960er-Linken durch die Institutionen sein Ziel zu erreichen, als sie erstmals in die wichtigen Positionen kamen. Und so verschwand eine der Hauptschutzmauern der Freiheit und der Vernunft genau dann, als sie am meisten gebraucht wurde.

Wer glaubt, dass die Gesichtsmaske bald der Vergangenheit angehören wird, sollte sich erinnern, dass die irrationalen Maßnahmen für Flughafen-„Sicherheit“ (immer noch in Kraft sind)

Die alberne Berichterstattung der BBC über den Machtantritt des Blair-Regimes mit den nordkoreanisch falschen Massen, die die Union Jacks schwenkten, die sie verachteten, und der Atmosphäre einer neuen Morgendämmerung war nicht so lächerlich, wie sie wirkte. Der Mai 1997 war wirklich ein Regime Change. Illiberale Utopisten waren immer zahlreicher am Steuer und die Kulturrevolution hatte endlich politische Kraft.

Dann kam der neue Feind, die gesichtslose, ständig sich verändernde Bedrohung durch den Terrorismus, gegen den beinahe alle Mittel erlaubt waren. Um ihn zu bekämpfen, gaben wir bereitwillig den Habeas-Corpus auf, und die echte Unschuldsvermutung und ließen es zu, dass wir behandelt werden, als seien wir frisch verurteilte Gefangene jedes Mal, wenn wir durch einen Flughafen gingen.

Diejenigen, die denken, die Ära der Gesichtsmaske sei bald vorüber, sollten sich daran erinnern, dass die irrationalen Maßnahmen der Flughafen-„Sicherheit“ (beinahe völlig nutzlos, sobald die einfache Sicherheitsmaßnahme eingeführt war, die Öffnung der Tür zum Cockpit zu verweigern) sind nicht nur seit September 2001 in Kraft geblieben: sie wurden verschärft. Jedoch sind sie im Großen und Ganzen beinahe populär. Diejenigen, die gegen sie murren, wie ich es manchmal mache, sehen sich mit scharfen Belehrungen von unseren Mitbürgern konfrontiert, die so tun, als seien wir verantwortungslos und rücksichtslos.

Millionen begrüßten diese neue Gefahr als eine Ausrede, um eine Freiheit aufzugeben, die ihnen in Wahrheit nicht viel bedeutete

Nun ist eine neue Furcht mitten unter uns angekommen, noch gesichtsloser, unsichtbarer, ewiger (und hart zu besiegen – wie können Sie jemals ein Virus eliminieren?). Es gibt beinahe keine schlimme Aktion, die mir ihr nicht entschuldigt werden kann, einschließlich der Strangulierung einer bereits wackligen Wirtschaft, für die diejenigen jahrzehntelange bezahlen werden, die exzentrisch oder glücklich genug sind, immer noch zu arbeiten. Millionen haben diese neue Gefahr als Entschuldigung begrüßt, eine Freiheit aufzugeben, auf die sie tatsächlich sowieso nicht viel gaben.

Als Nation produzieren wir jetzt mehr Angst, als wir lokal verbrauchen können, und verstecken uns in unseren Wohnungen, während die Zivilgesellschaft verdampft. Wir stehen begeistert in der Schlange, um unsere Freiheit abzugeben und unsere Maulkörbe abzuholen und unsere digitale ID. Und diejenigen unter uns, die herausschreien, bis wir heiser sind, dass das eine Katastrophe ist, stoßen auf Schulterzucken von den geschwätzigen Klassen, und Gemaule „setz endlich die verdammte Maske auf“ vom Mob. Wenn ich nicht längst verzweifelt wäre, würde ich jetzt verzweifeln.

Meine Kommentare:

* Ich kannte Peter Hitchens bisher nicht, finde aber diesen Text bemerkenswert, auch wenn er gelegentlich die Vergangenheit über alle Maßen idealisiert.
* Der Idiot war sein Bruder Christopher, ein Trinker bis zum Delirium, und linker Einpeitscher für den Irakkrieg, den sein konservativer Bruder für eines der vielen Desaster hält, die England heruntergewirtschaftet haben.
* Wenn Peter der Meinung ist, dass „revolutionäre Radikale“ wie Hobsbawm den Westen übernommen haben, meint er zweifellos auch seinen verstorbenen Bruder Christopher
* Die merkwürdige Verkehrung, dass heute Konservative den Status Quo als zunehmend totalitär kritisieren und die Ideale der Aufklärung verteidigen, während „Linke“ zu jakobinischen Verteidigern des Macht-Establishments und seiner intoleranten Übergriffe mutieren, kennen wir auch aus Deutschland.
* Die Corona-Hysterie als schändlich und als Wiederholung und Fortsetzung der 911- und Terror-Hysterie zu sehen, wie es Peter Hitchens tut, ist in Deutschland immer noch eher im linken Spektrum angesiedelt, dort aber nicht mehr unumstritten, wahrscheinlich nicht einmal mehr mehrheitsfähig.

Wahre Worte zum Farewell

Die wahren Worte kamen von Richard Grenell, dem scheidenden US-Botschafter in Deutschland. Er sagte:

Sie machen einen großen Fehler, wenn Sie denken, der amerikanische Druck sei vorbei. Sie kennen die Amerikaner nicht

Er sagte das als Antwort auf die Interpretation von Noah Barkin:
„Deutschland atmet kollektiv auf“ – wegen Grenells Abschied, der während seiner zweijährigen Amstzeit dafür bekannt war, sehr undiplomatisch Druck auf das ‚Partnerland‘ Deutschland auszuüben.

Barkin hat für sein Aufatmen ca. 1600 Likes erhalten, Grenell für die Antwort aber im etwa selben Zeitraum 28000.
Am nächsten Tag legte Grenell nochmals mit Details zu seinen konkreten Forderungen nach:

Sie wollten immer, dass ich aufhöre, öffentlich zu fordern, dass Sie Ihre Verpflichtungen gegenüber der NATO bezahlen und Nordstream 2 beenden. Aber das ist US-Politik. Und ich arbeite für das amerikanische Volk

Grenells patzige Antwort an Andreas Nick, CDU-Politiker

Dafür bekam er 47200 Likes, steht damit also keineswegs isoliert.

Abgleich mit der „Theorie“

Ich finde die Nennung von Details gut, weil ich sie mit alten Beiträgen abgleichen kann, in denen ich über Dasselbe spekuliert hatte. Diese Forderungen tauchen nämlich so ähnlich immer wieder aus verschiedenen Mündern auf, nicht nur von einem etwas rüpeligen Botschafter.
So war mir vor mehr als einem Jahr aufgefallen, dass der SPIEGEL kaum verklausuliert einer Beraterin von Joe Biden ähnliche Forderungen in den Mund legte und Merkel einen Tritt in den Hintern formulierte:

Einige Wochen später hat die Kanzlerin ganz schlimm gezittert.
Gegen Jahresende hat sich mir der Eindruck aufgedrängt, dass das womöglich und sehr wahrscheinlich auch mit dem (von Grenell betriebenen und jetzt als dauerhaft angekündigten) Druck gegen Nordstream 2, der Pipeline zur Hölle, zu tun hat.

Zensuren für Grenell

Auf Twitter hat Grenell für seine Arbeit auch Zensuren bekommen. Natürlich lobte ihn Donald Trump junior:
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Lob gab es auch von Nile Gardiner , einem britischen Außenpolitik-Pundit:

Er sagte sinngemäß, dass Grenells harte Worte in Deutschland dringend nötig seien.

Und ein interessantes Zeugnis kam auch von Peter R. Neumann, dem auf diesem Blog bekannten Terror- und Coronaexperten. Leider hat Neumann um den 28. Mai herum große Teile seiner Twitterhistorie gelöscht, so dass ich sie zunächst nicht mehr gefunden habe. Aber Google kennt sogar zwei Tweets von ihm zu Grenells Abschiedsworten:

Und im Google-Cache ließ sich auch der Originaltext noch finden:
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Und später am Tag entstand noch eine (gegenüber Grenell) höflichere Variante des Tweets:
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Zusätzlicher Adressat war jetzt der neokonservative Publizist und Politiker David Frum.
Die Quintessenz seines Zeugnisses lautet: Grenell hat Recht, aber er verprellt die Verbündeten und ist deshalb ineffektiv.
Bei diesem Zeugnis überrascht es nicht, dass sich Neumann als Anhänger von Joe Biden sieht:
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Passt: gleiche Außenpolitik wie Trump, aber mit anderem Image.
Und ganz nebenbei haben wir gelernt, dass Peter R. Neumann im Kern Außenpolitik macht. Da liegt es auch nahe, dass Terrorismus und Corona im Kern keine Science sind, sondern Felder oder Werkzeuge der Außenpolitik und Neumann dort als sogenannter ‚Spindoktor‘ wirkt.

Ausblick

Neuer Botschafter, also Nachfolger von Grenell, wurde Jeremy Issacharoff

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Das klingt jetzt noch nicht so, als würde er sich von Grenell distanzieren und eine völlig andere Politik machen.

Die Afghanistan-Pipeline

Hochinteressante Hintergründe des Einmarsches in Afghanistan im Rahmen der Energie-Geopolitik.

Paul Schreyer

Kunduz-a

30. September 2019   —   Am vergangenen Wochenende fanden in Afghanistan Präsidentschaftswahlen statt, an denen allerdings bloß 20 Prozent der registrierten Wähler teilnahmen. Die politische Lage ist weiterhin so instabil wie seit Jahrzehnten. Abseits der Wahlen bleiben die Taliban ein bestimmender Faktor im Land, jüngst brach Donald Trump direkte Verhandlungen mit ihnen ab. Den folgenden Text, der die Vorgeschichte des Angriffs der USA und der Nato auf Afghanistan schildert, schrieb ich vor 15 Jahren, im Herbst 2004. Es war meine überhaupt erste journalistische Arbeit, entstanden und veröffentlicht damals im Rahmen eines Buchprojektes – eines Romans über 9/11, der auch einen 80-seitigen Faktenanhang enthielt. Das Buch ist lange vergriffen, der vorliegende Text aber, so scheint mir, weiterhin aktuell. Die Pipeline, um die es darin geht, wird derzeit gebaut.

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Falscher Held im Mummenschanz

Eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat“ Friedrich Dürrenmatt

Jetzt ist der Herr Maaßen also gefeuert und befördert. Sauber.

Kein Held und Freiheitskämpfer

Da stellt sich die Frage, wie er zum Helden eines Teils der Anti-Merkel-Fraktion werden konnte. Durch diese Aussage soll es geschehen sein:

„Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist. Nach meiner vorsichtigen Bewertung sprechen gute Gründe dafür, dass es sich um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken“

Da war nichts dahinter. Die Authentizität des Videos hat er zu keinem Zeitpunkt erschüttern können, was auch gar nicht nötig war bei der geringen Aussagekraft eines Videos über einen unklaren Einzelfall. Der zweite Teil der Aussage ist nichts weiter als eine parteiische Behauptung. Kann man so sehen, aber „gute Gründe“, die mehr wären als auch meine Meinung, hat er ebenfalls nie geliefert. Was wurde da spekuliert über Wunderwaffen, die er bald noch aus dem Ärmel ziehen würde, um alles zu beweisen! Dabei konnte es diese der Natur der Sache nach gar nicht geben — außer das Video wäre in einer Werkstatt des VS auf Geheiß seines Chefs angefertigt worden.
Dann, ja dann, hätte er die Vogel-Strauß-Presse aber sauber vorführen können! „Wir haben es zusammengeschustert, und Ihr Pressetölpel habt den Köder dumm und gierig gefressen, um Eure Inländerfeindlichkeit mal wieder widerlich ausleben zu können„. Das alles kam aber (natürlich) nicht. Was sonst hätte kommen sollen?

Was hat Maaßen also in der Sache geleistet? Gar nichts. Moment, er hat den sächsischen Behörden und ihrem Ministerpräsidenten Kretschmer die Beachtung dafür gestohlen, dass sie sich zuvor mit dieser Aussage vor die sächsische Öffentlichkeit gestellt haben:KretschmerAussage
Die autoritätssuchenden Merkel-Verzweifelten hofften wohl, dass der Behördenchef Maaßen dem gewählten politisch Verantwortlichen einen höheren Segen erteilen würde. Aber da kam nichts, konnte nicht, außer dass eben ein Behördenchef plötzlich in der ersten Reihe stand und den Politikern die Autorität absprach, das Geschehen politisch zu werten. Darüber kann man sich schon aufregen als gewählter Politiker: Merkel darf das und Kretschmer hätte das natürlich auch dürfen. Auch wer Merkel und ihre Politik gar nicht mag, darf das erkennen, dass der Behördenchef Maaßen seine Kompetenzen überschritten hat, indem er keine Fakten lieferte, aber die politische Kommunikation und Wertung an sich zog. Die politische Debatte zwischen dem absolut vertretbar und entschlossen zugunsten seiner Bürgerschaft argumentierenden MP Kretschmer und dessen politischen Gegnern hat von Maaßen nicht profitiert, auch Kretschmers Position hat nicht profitiert. Es war ein Bärendienst, für den der Bär von großen Teilen der rechten Presse frenetisch als Freiheitsheld gefeiert wurde. Das ist peinlich. Das spricht gegen diese Presse.

Die Amri-Weste des Geheimdienstchefs

Taugt ein Geheimdienstchef zum Freiheitshelden? Ich denke, eher selten. Und die Weste des Geheimdienstchefs ist so stark mit dem Fall Amri verbunden, dass ich sie unmöglich weiß nennen würde. Mit starken Zweifeln am Fall Amri bin ich keineswegs allein:
SchützendeHandÜberAmri
Und der Geheimdienstchef soll sich dafür stark gemacht haben, dass Medien nicht über die V-Leute in Amris Nähe berichten:

Korrekturbitten

Jetzt darf man natürlich zweifeln an dem, was der Tagesspiegel berichtet, und auch über den Zeitpunkt der Veröffentlichung, 1.5 Stunden nach dem Artikel über die Kretschmer-Rede (!), kann man ins Grübeln kommen. Aber für die V-Leute im Umfeld von Amri sollte man sich interessieren, auch und gerade wenn der islamistische Terrorist wunderbar zur eigenen Angst vor dem islamistischen Terror passt. Die Berichte gibt es nämlich schon lange:
VMannAmriMerkur

Das Attentat vom Breitscheid-Platz und die Vorgeschichte Amri sind, gelinde gesagt, insgesamt sehr dubios, geheimdienst-verdächtig. Die Frage lautet: Welcher Geheimdienst? Und: Was weiß der VS darüber?

Die allererste Merkwürdigkeit entstand nämlich sofort am Abend des Attentats:
LutzBachmannWeißZuviel
Zum Zeitpunkt, als Bachmann von einem Tunesier twitterte, hatte die Berliner Polizei noch einen Pakistani als Verdächtigen in Gewahrsam. Der Tunesier Amri kam erst am nächsten Mittag ins Spiel, als die Berliner Polizei die Ermittlungen an den Generalbundesanwalt übergeben hatte.
Wie wäre es, wenn Lutz Bachmann seine Insider-Informationen nicht von der Polizei, sondern von einem Geheimdienst erhalten hätte, und wenn der Schutz Amris vor polizeilichen Ermittlungen vor dem Attentat damit in Zusammenhang stünde?

Die Linke wittert eine Kumpanei zwischen Maaßen und dem Rechtsextremismus. Man mag das für eine fixe Idee halten, aber es wäre in vielen Ausprägungen denkbar. Es sollte jeden interessieren, ob es irgendeine Form der Zusammenarbeit gibt. Der Verdacht, dass Bachmann von Geheimdiensten gefüttert und zum Verbreiten vorbereiteter Informationen genutzt wird, sollte gerade auch Rechte interessieren.

Dass ein Geheimdienstchef mit einem solchen Verdacht an der Backe zum Staatssekretär im Innenministerium aufsteigt, sollte jeden interessieren. Die Frage, ob und was er zu seinem Wissen und seiner Rolle am 26. September noch im Bundestag sagen wird, sollte jeden interessieren. Es ist eher unwahrscheinlich, dass aus diesem Material reinweisse Freiheitshelden gemacht werden.

Update 1.8.2019
Es findet jetzt eine mediale Offensive für Maaßen statt, u.a. im Tagesspiegel:
MaaßenTagesspiegel
Notabene: Maaßen ist ein ‚Radikalkritiker‘, kein Rechter. Dieses Prädikat vergibt der Tagesspiegel viel lieber an Michael Kretschmer, dem ausgerechnet Maaßen zu Chemnitz in die Parade gefahren war:

KretschmerTagesspiegel2
KretschmerTagesspiegelDie Foto-Auswahl spricht ja auch Bände: Maaßen intellektuell, Kretschmer ein Tölpel zwischen Überforderung und rechtsaußen. Wirklich?
Der Autor der Maaßen-Hymne ist Frank Jansen, ein alter Bekannter  und Nebelkerzen-Werfer aus der NSU-Vertuschung, also ein sehr geheimdienstnaher Journalist. Passt doch gut zu Maaßen, dem ehemaligen Chef des sogenannten ‚Verfassungsschutzes‘!
Und dieser Frank Jansen darf natürlich auch solche Titelzeilen in den Artikel einbauen:

„Das erste Ziel der Werteunion: Merkel muss weg“

Sonst ist das doch ein sicheres Kennzeichen für AfD und andere Rechtsradikale? Tja, wenn zwei das Gleiche sagen, dann ist es nicht Dasselbe!

Und auch in der Rheinischen Post gibt es ein freundliches Interview mit Maaßen:
MaaßenRheinischePost
Ganz billige Masche: eine nichtssagende Phrase und ein ansprechendes Foto. Die rote Krawatte: Ton in Ton mit dem hohlen Anspruch ‚links‘ zu sein. Feinste PR-Arbeit: Maaßen wird für höhere Aufgaben vorbereitet.

Hoppla, der gestrige Maaßen-Artikel im Tagesspiegel scheint heute nachgebessert worden zu sein. Er war wohl doch zu schmeichelhaft:
MaaßenTagesspiegel2

Ein bemerkenswerter Sieg

Wenig ist im Medien-Mainstream zu lesen über den Erfolg von Gerhard Wisnewski bei der Abwehr einer Klage von Richard Gutjahr. Dabei hatte der BR-Journalist Richard Gutjahr noch Anfang des Jahres ein großes Medien-Echo ausgelöst mit der Ankündigung, sich Personen „weise“ auszusuchen und gegen sie vorzugehen, die ihm ein Vorwissen zu den Attentaten von 2016 in Nizza und München unterstellen. Dabei haben er und sein Anwalt sich offensichtlich gewaltig verschätzt. Hier das  Thriumphgeheul der „Verschwörungstheoretiker“ und hier ein seriöser Jammertext zum überraschenden Prozessausgang.

In meinem Beitrag geht es wenig um den Fall Gutjahr und mehr um Gerhard Wisnewski, seine Stärken und Verdienste und die Schwächen und Grenzen seiner Arbeit. Und natürlich geht es auf dieser Grundlage auch um eine Einschätzung des Urteils:

Gut oder weniger gut für die Freiheit von Meinung und Berichterstattung?

Die Verdienste des Gerhard Wisnewski

Gerhard Wisnewski hat sich als WDR-Journalist mit Recherchen zuRAF-Phantomm Thema RAF-Terrorismus einen Namen gemacht. Er hat im Magazin ‚Monitor‘ nach Recherchen im Sommer 1992 zur bis heute nicht aufgeklärten Ermordung von Alfred Herrhausen Hinweise präsentiert, dass der Kronzeuge der Behörden für eine RAF-Täterschaft, der V-Mann Siegfried Nonne, zu dieser Aussage genötigt und gedrängt worden war. Der Untergang dieser Spur hat zu einem erheblichen Glaubwürdigkeitsverlust des bis dahin in Deutschland in der breiten Öffentlichkeit nie in Frage gestellten Narrativs vom gefährlichen Linksterrorismus geführt. Der Glaubwürdigkeitsverlust könnte so groß gewesen sein, dass er ein Jahr später zum Zwischenfall von Bad Kleinen geführt hat, bei dem mit dem toten Wolfgang Grams endlich ein Mitglied der 3. Generation der RAF auftauchte. Diese Geschichte hat Wisnewski mit 2 Mitautoren in diesem Buch dokumentiert, für Deutschland eine Pionierarbeit auf dem Feld des Terrorismus unter falscher Flagge. Wisnewskis früher Verdacht ist später in sehr akribischen Arbeiten sogar für die 2. Generation der RAF bestätigt worden: Der RAF-Terror muss von staatlichen Stellen mindestens gedeckt worden sein.

Im Jahr 2003 hat es Wisnewski wieder im WDR gewagt, Zweifel an der offiziellen Version zum 11. September zu äußern, namentlich an den Flugzeugabstürzen von Shanksville und ins Pentagon. Dieses Mal hat ihn diese Kühnheit nach sehr negativen Berichten im Spiegel und anderen Medien die Aufträge seines wichtigsten Brötchengebers, des WDR, gekostet.

9/11 – eines der stärksten Tabus unserer Zeit

Wisnewski war eines seiner ersten Opfer, aber das Tabu, den Ablauf des 11.9.2001 in Frage zu stellen, ist eines der stärksten der letzten Jahrzehnte. Kein Wunder, hat doch dieses Ereignis die Rechtfertigung für eine ganze Serie von Kriegen „gegen den Terror“ u.a. in Afghanistan und im Irak geliefert, die allesamt zu katastrophalen humanitären und auch strategischen Ergebnissen geführt haben, wie inzwischen allgemein anerkannt wird.
Wegen Verletzung dieser Tabus sind nach Wisnewski noch weitere Medienschaffende ins Visier massiver Kampagnen geraten, u.a. Ken Jebsen und Daniele Ganser.

Eine der größten medialen Niederlagen für die Staatsversion der Attentate vom 11. September war aber die Veröffentlichung einer rein technischen Arbeit von Vertretern der amerikanischen Ingenieur-Organisation „Architects & Engineers for 9/11 Truth“ in „Europhysics News“, dem Mitteilungsblatt der Dachorganisation der Europäischen Physikalischen Gesellschaften. Dabei wurden solche verstörenden Detailfotos von offensichtlichen Explosionen aus dem Inneren der Gebäude weit unterhalb der aktuell einstürzenden Etagen gezeigt:

AE911ThruthSquibs

und Berechnungen auch zum weniger bekannten Einsturz des dritten, nicht von einem Flugzeug getroffenen Gebäudes  WTC-7 vorgestellt, das bereits im Mittelpunkt von Daniele Gansers Artikel im Schweizer Tagesspiegel im Jahr 2006 zu dem Thema gestanden hatte.
Tatsächlich sind also Zweifel am Ablauf des 11. Septembers in den Jahren seit 2003, dem Jahr des Rauswurfs von Gerhard Wisnewskis beim WDR, durch viele unabhängige Autoren und mit ganz anderen Ansätzen zu verschiedenen Aspekten immer weiter fundiert und einer breiteren Öffentlichkeit bekannt worden. Die Aussagen des Bürgermeisters von Shanksville, der laut Wisnewski ursprünglich am angeblichen Einschlagsort des Flugs kein Flugzeug gesehen haben will („Da war nichts! … Nur dieses Loch.“) haben seither sehr stark an Bedeutung verloren, denn die inzwischen gesammelten physikalisch-technischen Einwände insbesondere zum Einsturz von WTC1, WTC2 und vor allem WTC7 sind durch korrigierte Zeugenaussagen[1] nicht mehr zu entkräften.
Trotzdem fühlt sich auch ein Medien-Watchdog wie Übermedien noch heute genötigt, diesen Beitrag von Wisnewski als Grund für seinen Rausschmiss beim WDR zu unterstützen:

ÜbermedienEmpört

Andere mutmaßliche journalistische Fehlleistungen oder Unsauberkeiten desselben Kalibers werden von Übermedien wohl gelegentlich kritisiert, aber praktisch nie mit der Forderung verknüpft, den Verantwortlichen auch zu entlassen. Woher die doppelten Standards? Woher der giftige Eifer im Fall Wisnewski? Und warum in einem Fall, wo Wisnewskis Verdacht inzwischen durch viele andere und schwer widerlegbare Arbeiten erhärtet worden ist?

[1] Bei der hohen Brisanz der Thematik für die Weltpolitik ist gleichzeitig auch klar, dass es einem Staat, der bei  einem anderslautenden Befund mit dem Rücken zur Wand stehen würde, nicht schwerfallen sollte, einen kleinen Bürgermeister im eigenen Land zu einer korrigierten Aussage zu drängen, zu nötigen oder auch zu erpressen. Eine Korrektur auch von gegenüber Wisnewski tatsächlich gemachten Aussagen wäre unter diesen  Bedingungen also wenig überraschend und wenig beweiskräftig.

Best of Wisnewski:
Der begründete Anfangsverdacht

Nach der Nachricht vom juristischen Sieg Gerhard Wisnewskis über Richard Gutjahr habe ich mir den betroffenen Jahrgang von „verheimlicht vertuscht vergessen“ bestellt. VVV2017Im Gegensatz zum „RAF-Phantom“ hatte ich bisher kein Buch Wisnewskis aus dieser Reihe gelesen. Das Buch ist seit dem Prozesserfolg und damit dem Ablauf  einer einstweiligen Verfügung beim Autor wieder verfügbar, so dass sich jeder ein eigenes Bild von dem machen kann, was Wisnewski über Gutjahrs mögliche Rolle beim Terror von Nizza und München geschrieben hatte.
Man kann das durchaus als „Raunen“ bezeichnen: Außer bekannten Tatsachen und Spekulationen und Fragen, die Richard Gutjahr nicht beantwortet hat, stehen da keine weiteren Details.

Auch bei anderen Themen findet man viel Gegen-Meinung zu dem, was der Mainstream als Tatsache berichtet oder bewirbt. Die Bandbreite reicht von Flüchtlingen über die Gesundheitsschädlichkeit des Frauen-Karriere-Ideals bis zur Mondlandung. Viele Quellen sind im Mainstream nicht gerade besonders wohlgelitten.

Aber einen Fall, der an die Pionierleistungen des Gerhard Wisnewski anknüpft, habe ich in dem Buch doch gefunden:

Das Eisenbahnunglück von Bad Aibling

Die offizielle Version des Geschehens findet man hier. Dagegen lässt sich der Verdacht Wisnewskis mit wenigen Quellen skizzieren:
Mir war anhand dieses Berichts auch schon damals aufgefallen, dass sich der behauptete Ablauf mit dieser komplexen Fehlerkette mit Fahrlässigkeit durch Ablenkung kaum vereinbaren lässt. Die von Wisnewski zitierte Behauptung der Staatsministerin Haderthauer, dass das Unglück vorsätzlich  entstanden sein müsse, weil die Möglichkeit, dass Fahrlässigkeit so die technischen Sicherungen außer Kraft setzen könne, absolut schockierend sei. Diese Aussage habe ich so im Netz nicht mehr gefunden, stattdessen nur eine stark entschärfte Version davon. Nehmen wir zugunsten von Wisnewski (ähnlich wie beim Bürgermeister von Shanksville) einmal an, dass diese Aussage von interessierter Seite medial nachjustiert worden ist. Die sehr spät angeordnete Untersuchungshaft für den Beschuldigten fand wie von Wisnewski berichtet tatsächlich auch das Lawblog sehr ungewöhnlich. Wisnewski vermutet, dass er damit unter Druck gesetzt wurde, um ein passendes Geständnis zu erreichen. Im Lawblog-Beitrag wird übrigens auch Wisnewskis Hinweis bestätigt, dass der Fahrdienstleiter sein Online-Spiel einige Minuten vor dem Unglück beendet hatte, die Ablenkung so groß also nicht gewesen sein kann. Wisnewski weist auch korrekt auf die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen hin, die bestätigt, dass just am Tag vor dem Unglück eine Inspektion des Stellwerks stattgefunden hat, bei der nach seiner Ansicht eine Manipulation der Anlage vorgenommen worden sein könnte:
„Die in der Antwort zu Frage 3 angesprochene Inspektion am Stelltisch und der Innenanlage fand am 8. Februar 2016 in der Zeit von 9:10 Uhr bis 15:36 Uhr statt. Da anschließend wieder ein regulärer Zugbetrieb erfolgte, kann hieraus kein Zusammenhang mit der Notwendigkeit von Ersatzhandlungen am Folgetag hergestellt werden“
Die alte Spürnase Wisnewski hat damit nach meiner Meinung tatsächlich einen begründeten Anfangsverdacht, dass bei dem Unglück von Bad Aibling nicht alles so gelaufen ist, wie die Medien und die Politik behaupten, dass da durchaus auch ein Sabotage- oder Terrorakt vertuscht worden sein könnte. Wisnewski selbst spekuliert, dass über die Bundesbehörde Bahn die Bayerische Staatsregierung unter Seehofer eingeschüchtert wurde, ihre damals harte Opposition gegen Merkels Politik einzustellen. Das ist aber wirklich Spekulation, denn Hintergründe lassen sich aus den von Wisnewski aufgeführten validen Argumenten nicht ableiten. Inzwischen ist der Fahrdienstleiter übrigens wieder aus der Haft entlassen worden.

Wisnewski hat in diesen Fall offensichtlich wesentlich mehr Mühe investiert als in andere Behauptungen aus dem Buch. Was hätte er noch tun können und müssen, um seinen (ungeheuerlichen) Anfangsverdacht weiter zu bestätigen? Er hätte damals den Prozess beobachten oder beobachten lassen können, um zum Beispiel die Aussagen des Fahrdienstleiters wörtlich festzuhalten. Die Frage ist, ob er dafür als freischaffender Journalist, der vom Mainstream ausgestoßen und isoliert wurde, genug Zeit investieren und trotzdem wirtschaftlich überleben kann.

Fazit

Der Freispruch für Gerhard Wisnewski ist im Sinne der Meinungsfreiheit zu begrüßen. Es muss möglich bleiben, medial favorisierte und staatlich erwünschte Narrative über Terror zu hinterfragen und insbesondere auf merkwürdige Zufälle und die Möglichkeit von Vorwissen bei wichtigen Akteuren hinzuweisen, ohne gerichtsfeste Beweise zu haben.
Gerhard Wisnewski bewegt sich inzwischen sicherlich manchmal am Rande des Seriösen und eines angemessenen Aufwands bei schwerwiegenden Überlegungen und Vorwürfen. Allerdings hielt sich der journalistische Aufwand des Medien-Mainstreams von SPIEGEL bis taz, ihm Fehler und Falschmeldungen wirklich nachzuweisen, anstatt sie ihm mit Gegenbehauptungen einfach nur zu unterstellen, eher in noch engeren Grenzen. Das gilt sowohl für die Arbeiten zum RAF-Phantom als auch zu 9/11 und den Flugzeugabstürzen von Shanksville und ins Pentagon. Behördenbehauptungen waren dem vermeintlichen Qualitätsjournalismus immer schon ausreichend, um Behauptungen eines unbotmäßigen Kollegen in die Verschwörungsecke zu stellen. Deshalb freuen mich der Sieg von Wisnewski und die schlecht verborgenen langen Gesichter im sogenannten „Qualitätsjournalismus“.
Als Denkanregung und Kontrapunkt zu einem Journalismus, der überwiegend staatliche Erzählungen zu jeder Form von Terror geradezu grotesk stützt, finde ich jetzt sogar sein Buch „Verheimlicht vertuscht vergessen 2017“ gar nicht einmal so schlecht. Es lohnt sich durchaus, gelegentlich einmal eine Theorie Wisnewskis zu lesen und darüber nachzudenken, ob sie stimmen könnte und wo seine Argumente gut sind und wo nicht.

Der Leser sollte aber wissen, dass die meisten der vielen Theorien Wisnewskis keine Volltreffer sein dürften. Bei ihrer großen Zahl ist das noch unwahrscheinlicher als die Möglichkeit, dass Richard Gutjahr an 2 Terror-Tatorten innerhalb einer Woche aufgetaucht ist, ohne dass irgendjemand Vorwissen über die Taten hatte. Wer auf dieser vergleichsweise dünnen Grundlage Menschen wie Gutjahr mit Hassmails schmäht und verfolgt, ist tatsächlich nicht gut beraten. Das Gericht hat Wisnewski bestätigt, dass er es schlauer angestellt hat. Trotzdem ist die Gutjahr-Geschichte kein Glanzlicht für einen investigativen Journalisten, der Qualität liefern will. Wisnewski kann es besser, immer noch.

Randnotiz

Sehr interessant finde ich auch die Tatsache, dass Richard Gutjahrs Anwalt Markus Kompa nicht nur diesen Prozess gegen Gerhard Wisnewski, sondern auch einen anderen Prozess mit umgekehrten Vorzeichen verloren hat, bei dem er den Blogger ‚Blauer Bote‘ gegen die Klage des Stern und des Bertelsmann-Konzerns verteidigte. Der ‚Blaue Bote‘ hatte dem Stern nur vorgeworfen, mit der Geschichte von der syrischen Bloggerin Bana Alabed Fake News zu verbreiten. Diese These ist weniger kühn als die von Gerhard Wisnewski über Richard Gutjahr, die Niederlage des ‚Blauen Boten‘ mindestens so bemerkenswert wie der Sieg Gerhard Wisnewskis. Vielleicht hat ja das Hamburger OLG tatsächlich weniger für die Meinungsfreiheit übrig als das Kölner. Vielleicht.

Nachtrag 12.09.2018
Diesen Videokommentar zum Thema finde ich nicht schlecht, um den Rechtsstreit zwischen Richard Gutjahr und Gerhard Wisnewski einzuordnen
WikiWeltKommentarAber auch dieser Kommentar darunter bringt nochmals gute Aspekte ins Spiel:
„gutjahr war privat in nizza, und filmte als einziger exakt zur richtigen zeit am richtigen ort, in münchen war er ebenso zur richtigen zeit am richtigen ort, von der anderen seite filmte seine tochter, die normalerweise in usa studiert, und auch zur richtigen zeit am richtigen ort war um die berichterstattung für die usa zu übernehmen. seine frau war beim israelischen militärgeheimdienst…. ich empfehle etwas stochastik. du begehst in deiner analyse einen denkfehler: der vorwurf lautet ja nicht automatisch dass hinter den geschichten ein geheimdienst steckt, sondern nur dass geheimdienste ein vorwissen hatten, und das ist der punkt den es zu hinterfragen gilt: war es möglich ein vorwissen zu haben? die frage irgendeiner schuld kommt erst danach.“
Personen, die Gutjahr hemmungslos bepöbeln, scheinen aber genau diesen Punkt auch nicht zu verstehen!

Nachtrag 01.01.2020
Der ‚Blaue Bote‘ hat im Dezember 2019 Fotos von der 911-Absturzstelle in Shanksville veröffentlicht, die Gerhard Wisnewskis damaligen Bericht über die Ungläubigkeit des Bürgermeisters durchaus plausibel erscheinen lassen. Schwer vorstellbar, dass hier eine große Passagiermaschine einfach im Boden verschwunden ist:
flight_93_crash_crater_911_shanksville_pennsylvania_september11_united_airlines_usa_2001_terror

Dafür, dass er Zweifel an dieser Geschichte im WDR öffentlich gemacht und (angeblich) den Bürgermeister falsch zitiert hat, hat Gerhard Wisnewski seine Aufträge als freier Mitarbeiter des WDR verloren. Und heute beklagt sich Richard Gutjahr, dass ihm die BR nicht in den Prozessen u.a. gegen Wisnewski beigestanden hat 🤔
Hier der originale WDR-Beitrag, für den Gerhard Wisnewski vom WDR geschasst wurde:

Phantom gegen die Wissenschaft

Erinnern Sie sich noch an das „Phantom von Heilbronn“?
Eine unbekannte weibliche Person (uwP) wurde von 2007 bis 2009 fast 2 Jahre lang dringend als Mörderin der Polizistin Kiesewetter in Heilbronn gesucht. Gefunden wurde am Ende nur eine Packerin, die die Entnahmestäbchen für die Tatortarbeit über lange Zeit immer wieder mit winzigen eigenen DNA-Spuren verunreinigt hatte.
Diese Geschichte ist ein Lehrstück darüber, wie weit unterhalb des tatsächlichen Stands der Wissenschaft Behörden und Medien in heiklen Kriminalfällen die Öffentlichkeit informieren. Die in diesem Beitrag nachgewiesenen Details und das Ausmaß legen nahe, dass diese Fehlermittlung in Wahrheit der Verschleppung der Mordaufklärung diente. Das wirft natürlich auch ein sehr schlechtes Licht auf die Geschichte vom NSU, dem der Mord seit 2011 letztlich zugewiesen wurde.

Zunächst der zeitliche Ablauf vom Mord bis zum Eingeständnis einer Fehlspur:

Zeitablauf

25.04.2007         Tag des Mordes an Michèle Kiesewetter
18.06.2007         ‚Mysteriöse Frau‘ zu einer ‚heißen‘ DNA-Spur gesucht
27.08.2008         Bericht über Ergebnisse der Innsbrucker DNA-Forensiker
23.12.2008         Heilbronner Stimme mit Verdacht auf Falsche DNA-Spuren
11.02.2009         LKA übernimmt Phantom-Fall. Man ist weiter optimistisch.
25.03.2009         Das Phantom wird bundesweit als Fehlspur berichtet

Bücher

Folgende drei ganz verschiedenen Bücher zum Thema habe ich gelesen und mit den Inhalten von Zeitungsartikeln über das Phantom von Heilbronn abgeglichen:

DNAAnalyseStrafverfahren
[1] Ein Standardwerk für Praktiker aus einem renommierten juristischen Verlag, das eine gut verständliche Einführung in die biologischen und rechtlichen Grundlagen der DNA-Analyse bietet. Es war bereits 2003, also Jahre vor dem Heilbronner Mord von 2007 erschienen, und mindestens seine Inhalte sollten deshalb an der einen oder anderen Stelle der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bekannt gewesen sein, nachdem diese für so viel öffentliche Aufregung sorgten.

 

FantomeDeHeilbronn
[2] Das Buch des französischen Autors Michel Ferracci-Porri, der bereits andere Bücher über Serienmörder geschrieben hatte, erschien im Juni 2009, als bereits klar war, dass es sich um eine Fehlspur handelte.
Der Titel des Buches lautet auf Deutsch:
„Die Affäre um das Phantom von Heilbronn. Eingetaucht in eine Ermittlung außer der Norm“
Der Autor begleitete die Ermittlungen bereits ab der ersten Jahreshälfte 2008 und liefert in seinem Buch viele Details über die Spurenfunde und Eindrücke über die Stimmung in der Polizei.

 

Parson
[3] Populärwissenschaftliches Buch von 2014 über die Möglichkeiten der DNA-Analyse. Diese erläutert der Experte Walther Parson von der Uni Innsbruck anhand spektakulärer Fälle, u.a. Ermordung der Zarenfamilie, Identifizierung der Leiche von Günther Messner, Ötzi…
Zu diesen Fällen gehört ebenfalls das „Phantom von Heilbronn“, und der Autor verrät dabei so einige Details, nicht nur, dass und warum er bereits in der ersten Jahreshälfte 2008 mit einer Verbesserung der Sicherheit der Geschlechtsbestimmung speziell für das Phantom beauftragt wurde.

Kurzeinführung in die DNA-Analyse

Eine gut verständliche Kurzeinführung in die Biologie der DNA-Analyse bietet Buch [1]:GrundlagenDNAAnalyse

Wichtig ist es, die Schlüsselbegriffe zu verstehen: Es gibt ausgedehnte Bereiche der DNA, die nichtkodierend sind, also nicht den Phänotyp des Individuums, seine äußere Erscheinung, bestimmen. In diesen Bereichen gibt es charakteristische Längenpolymorphismen, also Längenunterschiede, mit denen einerseits hochsensitiv ein bestimmtes Individuum identifiziert werden kann. Andererseits können (und dürfen) damit aber auch Merkmale wie das Geschlecht festgestellt werden. Das ist im Kapitel „IV Geschlechtsbestimmung“ des Buches erläutert:

GeschlechtsbestimmungAmelogenin
Hier wird besonders deutlich, dass die Geschlechtsbestimmung nichts mit dem Phänotyp, also dem tatsächlichen biologischen Geschlecht des Individuums und seinem männlichen oder weiblichen Aussehen zu tun hat. Denn gemessen werden Längenvariationen in nichtkodierenden Bereichen im System eines Zahnschmelz-Proteins. Diese Bereiche haben eine rein statistische Korrelation mit dem Geschlecht der Person, beeinflussen dieses aber nicht.
Diese Information hat eine sehr hohe Bedeutung für alles Weitere, die Verzweiflung der Ermittler, die Arbeit von Walter Parson an den Proben des Phantoms und für den unglaublichen, vernebelnden  Unsinn, den die Medien ihren Lesern über den Fall berichtet haben.

Warum das Geschlecht des Phantoms so wichtig war

Diese Frage kann einfach beantwortet werden: Die Spur war bereits seit 2001 aus Taten seit 1993 bekannt. Die Taten passten aber nur schwer zu einer Frau. Männer waren öfter dabei und, wenn Männer verhaftet wurden, dann wussten sie nichts von einer Frau. So schreibt auch Walter Parson:

GeschlechtPasstNicht

Parson verschweigt die Tatsache, dass dieses ‚Irgendwann‘ bereits vor dem Mord an Michèle Kiesewetter war. Denn schon im ersten Bericht in der Heilbronner Stimme über die Spur konnte man am 18.6.2007 lesen:

ZweifelVonAnfang

Die Problematik, die zu den Zweifeln an der Frau führte, war also bereits im Juni 2007 vorhanden und hat sich nicht in den folgenden 20 Monaten langsam aufgebaut. Die Zweifel kamen aus den Fällen selbst, nicht aus der Analyse der DNA, vor allem aus dem gelösten Fällen, in denen einfach keine Täterinnen vorkamen. Die Ermittler und folgsame Medien wollten sich damit aber einfach nicht zufrieden geben. Typisch dafür ist der Fall eines Einbruchs in Saarbrücken von 2006, bei dem ein Phantombild des einzigen Täters angefertigt werden konnte. Nach der Ansicht der Zeugen und aller Beteiligten zeigte dieses einen Mann. In einem Artikel der WELT aus dem Juni 2008 wurde dieser Fall mit neueren Spurenfunden vermischt, um eine Botschaft unters Volk zu bringen:
„Die Polizei vermutet, die Täterin werde eher als männlich wahrgenommen“.
Wenn Sie verstehen wollen, warum die WELT diesen merkwürdigen Augen-Ausschnitt des Phantombilds zeigte, habe ich die Antwort für Sie hier:

DasEchtePhantomBild

Der Bart tut der Täuschung mit der „Wahrnehmung“ nicht so gut und musste deshalb ab. Wer würde behaupten, dass hier die Täuschung etwas anderes sein kann als gezielter, ausgeklügelter Betrug?

Eine andere Variante, um den Leser über den Unsinn zu täuschen, wählte der SPIEGEL:
„Damals hatten Zeugen einen Mann am Tatort beobachtet. Das könnte den Verdacht erhärten, dass die gesuchte Täterin sich als Mann tarnt“
Dieser krampfhafte Versuch, die DNA-Spur einer Frau mit Taten in Verbindung zu bringen, bei denen die Täter offensichtlich, nach Zeugenaussagen und brutalem Tatgeschehen, eindeutig Männer waren, traf nun auf ein Problem des Amelogenintests, das Walter Parson beschreibt: die Korrelation dieses Längenpolymorphismus mit dem Geschlecht war nicht perfekt: er führte statistisch in einem von 5000 Fällen zu einer Frau, obwohl der Täter ein echter Mann war, mit Y-Chromosom und allem anderen dran. Es fehlte lediglich die längere Bande im Signal des Amelogenin.
Zur Erinnerung: das Y-Chromosom bestimmt das Geschlecht, nicht die Amelogenin-Bande im Messsignal. Diese entsteht nämlich in einem nichtkodierenden Bereich und hat nichts mit dem Phänotyp zu tun, der männlichen oder weiblichen Erscheinung der Person. Diese beiden völlig unabhängigen Erscheinungen haben die Medien (und die Behörden) den Lesern lediglich in einem Paket verkauft, um sie mit Pseudowissenschaft über das Problem zu täuschen, dass beim sogenannten Phantom von Heilbronn gar nichts zusammenpasste, aber passen musste, weil es doch die allerheißeste Spur beim Polizistenmord war und offensichtlich bleiben sollte. Es half aber alles nichts, und die DNA-Forensiker um Parson kamen mit ihrer Genderplex-Verfeinerung des Amelogenintests zu einem eindeutigen Ergebnis:

GenderplexErgebnis

Daran gab es also irgendwann im Sommer 2008 keinerlei Zweifel mehr. Die uwP war eine Spur, die mit den Tätern in den meisten Fällen der Serie erwiesenermaßen nichts zu tun hatte. Warum hätte sie es eigentlich beim Polizistenmord haben sollen?

Der Tatbezug einer DNA-Spur

Eine DNA-Spur am Tatort ist ein zweischneidiges Schwert: Sie gibt einerseits hochempfindlich Auskunft darüber, welche Person in irgendeinem Zusammenhang zum Tatort und zur Tat stehen könnte, aber sie sagt oft sehr wenig darüber aus, ob und welchen Beitrag die Person zur Tat geleistet hat [1]. Diese Tatsache wird in Buch [1] klar benannt:
„Der große Fortschritt, den die Entwicklung molekularbiologischer Methoden in der forensischen Genetik bewirkt hat, ist vor allem an der Sensitivität der Analysemethode festzumachen“
Immer kleinere Spuren können analysiert werden, aber es bleibt das in Buch [1] im Kapitel „VII Möglichkeiten und Grenzen der DNA-Analyse“ erläuterte Problem:

TatbezugDerSpur

Das führt uns auf die Frage, wo denn die DNA-Spur des Phantoms im Fall des Heilbronner Polizistenmords abgenommen wurde. Walter Parson und manche Zeitungsartikel nennen pauschal den Dienstwagen, in und an dem die beiden Opfer gefunden wurden. Der Autor von Buch [2] präzisiert diesen Punkt und nennt auf S. 32: „einen Spritzer Schweiß, abgenommen vom Armaturenbrett des Polizeifahrzeugs Nr. 51“.
Der offizielle Tathergang geht von 2 Personen aus, die seitlich neben dem Fahrzeug stehend auf die beiden Insassen geschossen haben. Einer der beiden Täter muss Michèle Kiesewetter zusätzlich noch mit großem Krafteinsatz die Dienstwaffe aus dem Holster gerissen haben. Dabei kann „ein Spritzer Schweiß“ auf das Armaturenbrett geraten sein, aber die DNA-Spur selbst enthält diese Information nicht.  Ganz wie bei dem in Buch [1] als Gegenbeispiel genannten Schraubendreher kann dieser Spritzer auch bei einem früheren Einsatz mit anderen Polizisten auf das Armaturenbrett geraten sein und gar nichts mit dieser Tat zu tun haben. Es könnte natürlich sein, dass die Angabe von M. Ferracci-Porri falsch ist [2] und die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen die wirkliche Entnahmestelle verschwieg, um sie erst dann z.B. in Verhören zu nutzen, wenn die uwP gefasst war. Im ersten Bericht am 18.6.2007 hatte es nämlich großspurig geheißen:

„Ihre Fundstelle am Streifenwagen lassen nur einen Schluss zu:
Die europaweit gesuchte Frau war am Tatort auf der Heilbronner Theresienwiese“

Die Vermutung eines Tatbezugs im Geheimwissen der Polizei wird aber dadurch widerlegt, dass die uwP ja tatsächlich identifiziert wurde. Im Frühjahr 2009 wurde eine 71-jährige Packerin beim Hersteller der Wattestäbchen als Spurenverursacherin identifiziert. Niemals werden wir erfahren, was diese Frau am Tatort auf der Heilbronner Theresienwiese gemacht hat. Der postulierte Tatbezug ist damit widerlegt, denn wenn er belastbar gewesen wäre, müsste er ja auch für diese Packerin weiter Gültigkeit gehabt haben. Mit ihrer Entdeckung war die uwP kein Phantom mehr, sondern der immer nur behauptete dringende Tatzusammenhang wurde als Phantom entlarvt, nein, als Fiktion, als Erfindung, als Lüge. Es konnte ihn niemals gegeben haben!

Zu viel Widerstand gegen die Einsicht

Wir haben jetzt an zwei kritischen Stellen, Geschlecht und Tatbezug, herausgearbeitet, dass die Phantom-Spur (wie der Name eigentlich von Anfang an offen zugab) eine äußerst windige Spur war, eine Spur, die aus rein wissenschaftlich-forensischer Sicht niemals hätte die Hauptspur oder gar die einzige Spur werden dürfen[3]. Allerspätestens nach erfolgreicher Bestätigung des weiblichen Geschlechts im Sommer 2008 hätte aber die Phantom-Reißleine gezogen  werden müssen, weil sie nichts mit den Taten zu tun haben konnte.

Chefermittler Frank Huber machte aber munter weiter und pflegte die Fiktion noch am 19.12.2008:

WirHabenEineDNASpur

Und nachdem der Fehler (um nicht zu sagen: der Schwindel) aufgeflogen war sagte er noch sturer in einem weiteren Interview:

FrankHuberSiehtsNichtEin

Und das fast ein Jahr, nachdem die SoKo Walter Parson und sein Institut beauftragt und mit ihm natürlich auch gesprochen hatte. Parson schreibt über Leerproben:
„Immer öfter machte das Wort Kontamination die Runde. Es wurde vermutet, es könnte sich bei dem weiblichen Phantom-Profil um DNA handeln, die nichts mit den Tatorten und den Verbrechen zu tun hatte…
Blindproben wurden immer wieder gemacht. Da aber nicht alle Wattestäbchen aus der fraglichen Firma kontaminiert waren, war das Raster, durch das die Blindtests fallen konnten, recht groß.“

Die Idee einer Kontamination war da, nicht nur bei Prof. Brinkmann und in der Heilbronner Stimme  im Dezember 2008. Sie war schon immer da. So steht im Buch [1] aus dem Jahre 2003 auf S. 107 unter der Überschrift „2. Kontaminationsgefahr und Sicherheitsvorkehrungen“:
„Aufgrund der hohen Sensitivität der PCR-Technologie muss möglichen Kontaminationen vorgebeugt werden“

Die Evidenz ist erdrückend: die Heilbronner Ermittler haben katastrophal und weit unter dem bekannten Wissensstand ihrer Zeit gearbeitet. Und sie müssen es gewusst haben.
Und die Presse hat überwiegend nichts unternommen, um dem Unfug wirklich zu widersprechen und zu begegnen. Die Heilbronner Stimme hat mit ca. 3 Monaten Vorlauf zumindest öffentlich gezweifelt. Der große Rest ist blökend hinter den Behörden hergelaufen, ohne Erkenntnisse für den Leser beizutragen. Den Vogel hat wieder einmal die WELT abgeschossen. Sie hat noch am 10.03.2009 den längst widerlegten Quatsch neu aufgewärmt und verwirrt, statt nach Erkenntnis zu streben. Hinterher hat der ‚Stern‘ tatsächlich die Hand ein wenig in die Wunde gelegt: „Ermittler täuschten monatelang die Öffentlichkeit“.

Schlussfolgerung zum Phantom von Heilbronn

Die Klärung der Phantom-Spur, die seit 2001 durch die Fälle und Labore geisterte, wie Walter Parson schreibt, war sicherlich überfällig. Dieses wurde u.a. mit seiner Beauftragung und letztlich der Ermittlung der Spurenverursacherin sowie der anschließenden Verbesserung der Kontaminationsvorsorge geleistet, wenn auch recht gemütlich.
Gleichzeitig war es nicht Dummheit, sondern Sabotage, die Ermittlungen zum namensgebenden Heilbronner Polizistenmord gegen jedes Wissen und die Logik an diesen langsamen Prozess anzukoppeln. Diese  Verschleppungs- und Vernebelungstaktik lief objektiv auf einen wirksamen, fast 2-jährigen Schutz der Polizistenmörder vor Ermittlung hinaus.

Bedeutung für den NSU und den Prozess

Für den NSU, dem die Tat 2011 nach dem ebenso dubiosen Ende des Duos in Eisenach prompt zugewiesen wurde, lässt das nur 2 Möglichkeiten:

  1. Der NSU, also Böhnhardt und Mundlos als ausführende Organe, hat Michèle Kiesewetter ermordet und wurde dann von Behörden (und Medien) aufwändig und mühsam gedeckt
  2. Die Zuweisung der Tat an den NSU ist bis heute die Fortsetzung der Deckung der echten Mörder mit anderen Mitteln

Es gibt keine 3. Möglichkeit, höchstens eine Mischung von beiden der Art, dass dieser NSU etwas mit der Tat zu tun hatte, aber das Duo nicht die Täter waren. Suchen Sie sich Ihre Variante aus! Das OLG München wird sich morgen mit dem Urteil nach einem fast 5-jährigen Prozess nolens volens auch eine Variante aussuchen. Hilft ja nichts, dass sie beide nicht vertrauenserweckend sind!

Weitere Evidenz für Ermittlungsbetrug

Es gibt zahllose weitere interessante Hinweise auf Ermittlungsbetrug im Fall des Heilbronner Polizistenmords. Ich beschränke mich hier auf diejenigen mit Bezug zur DNA-Analyse und zu den oben genannten Büchern:

  1. Andere, bessere DNA-Spuren vom Tatort, u.a. von Kollegen, blieben bis 2009 unbearbeitet. Die Ermittlungen nahmen 2011 gerade wieder Fahrt auf, als sie durch die „Entdeckung“ des NSU gestoppt wurden. Quelle
  2. Aus den im Netz veröffentlichten Ermittlungsakten geht hervor, dass der Fall des bei Heilbronn ermordeten jungen Deutschkasachen Arthur Christ nach Zeugenaussagen mit dem Kiesewetter-Mord in Beziehung steht. Quelle
    In Buch [2] habe ich eine hochinteressante Parallele zu dieser Behauptung gefunden: Der Tod von Arthur Christ ist in die Fallhistorie zur uwP gerutscht, obwohl in seinem Fall (anders als beim ebenso mysteriösen Todesfall Diana Pawlenko) keine entsprechenden DNA-Spuren gefunden wurden. Eine mögliche Erklärung dafür wäre, dass Ferracci-Porri, der sich zusammen mit seiner deutschsprechenden Unterstützerin Karola Reich eine Weile in Heilbronn aufhielt, mitbekam, dass in den Ermittlungen der Mord an Arthur Christ inoffiziell sehr eng mit dem Kiesewetter-Mord verknüpft wurde.
  3. Ferracci-Porri berichtet in seinem Buch [2] im Zusammenhang mit einem Einbruch in Niederstetten über die Verzweiflung der Polizisten. Einige von ihnen trainierten dort in der Turnhalle Kampfsport, was aber in der Öffentlichkeit verschwiegen worden sei (s. den Artikel in der Heilbronner Stimme). Er zitiert einen Polizisten:
    Seit dem Auftauchen dieses Phantoms irgendwo inmitten unseres bisher geschützten Universums, erscheint nichts mehr wirklich wie zuvor. Auch wenn wir unter uns nicht von legitimem Verdacht sprachen und wir uns nicht einmal daran zu denken trauten, konnten wir doch nicht anders als im Leugnen einer Frage aneinander zu leben: ‚Gab es ein unzuverlässiges Kettenglied in der Polizei?‘“
    Dieses Zitat zeigt, dass sicherlich nur wenige Polizisten fest wussten, dass mit dem Phantom etwas faul war. Andererseits ist es ganz einfach, den Phantom-Wirrwarr von einer zentralen Stelle aus, z.B. im DNA-Labor des LKA künstlich zu erzeugen und die an der Basis ermittelnden Beamten in eine regelrechte Verzweiflung zu treiben durch völlig willkürliche und unverständliche Kreuztreffer. Wer wäre in der Lage gewesen, in Zweifel zu ziehen, dass die zuvor recht seltene Phantomspur jetzt plötzlich überall auftauchte?
    Eine solche Manipulation aus zentralen Ermittlungsinstitutionen heraus auch zu Lasten der normalen Polizeiarbeit ist z.B. im RAF-Kontext (Schleyer-Fahndung, Deckung für Verena Becker) bekannt und deutet auf eine gezielte Einwirkung von Geheimdiensten. Gerade Michael Buback legt in seinem Buch Wert darauf, die Masse der Polizisten von plumpen Vorwürfen zu entlasten, indem er darauf hinweist, wie die Ermittlungen aus wenigen herausgehobenen Stellen heraus hintertrieben worden sein können.

Was steckt wirklich dahinter?

Der NSU ist ein Fall-Komplex, in dem man an jeder Ecke auf gezielten Betrug stößt, wenn man anfängt, mit Wissen und Logik tiefer zu bohren. Hier nur einige Beispiele und wenige Belege:SchützendeHand

  1. Es fängt an mit dem Doppelmord von Eisenach. Den habe ich selbst bereits vor fast 4 Jahren mit ganz anderen Methoden nachgewiesen als Wolfgang Schorlau. Die Ergebnisse passen zusammen. Und sie passen auch dazu und dazu und dazu. Reicht das noch nicht?
  2. Die auch im morgen endenden Prozess nicht bezweifelte Herkunft der Ceska aus der Schweiz ist höchst zweifelhaft, wie dieser Beitrag des Schweizer Fernsehens zeigt.
  3. Die Anwesenheit des Geheimdienstlers Temme am Tatort des letzten Ceska-Mordes 2006 an Halit Yozgat in Kassel ist weithin bekannt. Natürlich wird das medial immer wieder alles irgendwie so hingedreht, dass jeder an die Geschichte glauben kann, der es unbedingt will. Wer aber will noch so dumm sein?

Das Problem besteht darin, dass es viel einfacher ist zu zeigen, dass die NSU-Geschichte zusammenmanipulierter Unsinn ist, als die Wahrheit hinter der Geschichte herauszufinden. Zum Nachweis reichen nämlich vergleichende Arbeiten wie diese. Die Falschheit der Geschichte ergibt sich aus dem Aufzeigen der Inkonsistenzen und aus dem Nachweis der Manipulationsversuche.
Die richtige Geschichte benötigt dagegen Zugang zu zuverlässigen Ermittlungsergebnissen, und diese habe ich nicht. Jede alternative Theorie steht deshalb automatisch auf schwächeren Beinen als der Nachweis des Unsinns.

Deshalb beschränke ich mich ganz strikt auf die Zerstörung der Lügen. Diese erst einmal sacken lassen! Danach wird man weitersehen. Schönen Tag und lustigen Urteilsspruch morgen am OLG in München. Aber glauben Sie kein Wort! Die Roben der Richter dienen allein der Verschönerung der Lügen. Zur Wahrheitsfindung haben sie nur unfreiwillig beigetragen. Es muss ja zu einem fünfjährigen Schauprozess eine Menge Papier produziert werden. Je mehr Papier, desto mehr Widersprüche. Außer man schreibt nur das auf, was man wirklich gut belegen kann und was auch der Logik nicht widerspricht.

Liste interessanter Links zum Phantom

26.04.2007 Spiegel: Oettinger-Interview sorgt für Wirbel
26.04.2007 Spiegel: Plauder-Vorwurf bringt Oettinger in Verruf
27.04.2007 Focus: Mafia-Racheakt nicht auszuschließen
18.06.2007 Heilbronner Stimme: Mysteriöse Frau hinterlässt blutige Spur brutaler Taten
19.06.2007 Heilbronner Stimme: Polizistenmord – Spur führt zu Bruderfehde
29.06.2007 Stern: Die Jagd nach dem Phantom
09.04.2008 Augsburger Allgemeine: Keine heiße Spur im Heilbronner Polizistinnenmord
19.04.2008 WELT: Sieben Fakten zu der gesuchten Serientäterin
24.04.2008 ZEIT: Die Unsichtbare
03.06.2008 WELT: Neue Spur im Heilbronner Polizistenmord
03.06.2008 Heilbronner St.: Das Phantom hinterlässt die 32. Spur
05.06.2008 Heilbronner St.: Phantom verbreitet Unbehagen und Angst
28.07.2008 Heilbronner Stimme: Dem Phantom auf der Spur
07.08.2008 SPIEGEL: Phantom hinterlässt erneut DNA-Spur
22.08.2008 Heilbronner Stimme: Die Frau ohne Gesicht – ZDF-Film über Phantom
25.08.2008 FAZ: Genetische Spurensicherung
27.08.2008 Heilbronner Stimme: Ist die Mutter des Phantoms Osteuropäerin?
28.08.2008 Heilbronner St.: Haut- und Augenfarbe des Phantoms bleiben ein Geheimnis
18.12.2008 Heilbronner St.: Polizistenmord: Das Phantom kehrt zurück
19.12.2008 Stern: Das Phantom – eine „tickende Zeitbombe“
23.12.2008 Heilbronner Stimme: Polizistenmord: Falsche DNA-Spuren?
13.01.2009 WELT: Höchste Belohnung der Geschichte ausgelobt
02.01.2009 Heilbronner St.: „Schlinge zieht sich immer enger zu“
01.02.2009 FAZ: Nicht zu fassen
11.02.2009 Heilbronner St.: Heilbronner Polizistenmord: LKA übernimmt Phantom-Fall
20.02.2009 Heilbronner St.: „Fall Arthur Christ“: Polizei noch ohne heiße Spur
25.02.2009 SternTV: Auf der Suche nach einer Mörderin
05.03.2009 ZEIT: Steckbrief aus dem Erbgut
10.03.2009 WELT: Was das Phantom mit der Sauerland-Zelle zu tun hat
25.03.2009 Heilbronner Stimme: Rechtsmediziner: DNA an Stäbchen ist immer möglich
26.03.2009 ZEIT: Die falsche Formel der Fahnder
27.03.2009 Stern: Ein GAU der Kriminalistik
01.04.2009 Frankfurter Rundschau: „Das war ein herber Rückschlag“
01.04.2009 bj-diagnostik: Die Grenzen der DNA-Analyse: Die Wattestäbchen waren schuld
05.04.2009 Stern: Trickst und tarnt Stuttgarts Innenminister
14.07.2009 Stern: Ermittler täuschten monatelang die Öffentlichkeit
17.07.2009 Stern: Das Phantom im Spitzelauto
13.09.2010 Stern: Die mysteriöse Mafia-Islamisten-Verbindung
24.08.2013 Heilbronner Stimme: Polizistenmord: Geheimdienst war in Heilbronn
02.04.2015 Locard’s Lab: Forensic Failures: DNA Evidence and the Phantom of Heilbronn
13.09.2016 Stern: Aufklärung unerwünscht?
21.09.2016 Spektrum: Fälschliche Genetische Fingerabdrücke
06.04.2017 Stimme: Polizistenmord Heilbronn: Fall lässt Ermittler nicht los
09.05.2017 Stern: „Null Aufklärungswillen“ im Fall Michèle Kiesewetter
09.09.2017 Strafverteidigervereinigungen: Das Phantom von Heilbronn

[1] Eine wichtige Ausnahme bilden Sexualverbrechen, weil bei ihnen häufig die Entstehung der Spur und die Tat selbst in einem besonders engen  Zusammenhang stehen.

[2] Der Schweiß-Spritzer widerspricht auch Walter Parsons Erläuterungen in Buch [3], dass die Phantom-Spur nur dann gefunden wurde, wenn es sonst keine nennenswerte DNA an der Probe gab. Ein Schweiß-Spritzer wäre auch für seine Quantifizierungen zu groß!

[3] Interessanterweise verteidigt auch Walter Parson die Ermittlungen wortreich, aber wenig überzeugend

 

Nachtrag 14.07.2018: Widerspruch in der Spurengröße
Der Einbruch in eine Turnhalle in Niederstetten (Spur Nr. 32) ist besonders interessant. Laut Buch [2] wurde diese Turnhalle von Heilbronner Polizeioberen für Kampfsport genutzt. Der Autor behauptet auch, dass die DNA-Probe hier von einer makroskopischen  Blutspur abgenommen wurde. Das bestätigt der Bericht in der Heilbronner Stimme:

Auf dieser Bank fanden sich die Blutreste.
Käss berichtet, dass sie mit bloßem Auge zu sehen waren

Das ist nun erstaunlich, weil es eklatant dem widerspricht, was Walther Parson darüber geschrieben hat, wann und warum die Phantom-Spur gefunden wurde:

SpurenGrößeParson

Ein Wattestäbchen, das in eine deutlich sichtbare Blutspur getaucht wurde, musste nach Parsons Angaben mehr als genug Blutzellen enthalten, damit die Phantom-Spur bei weitem überdeckt wurde.
Dieser Widerspruch ließe sich dadurch auflösen, dass die Phantom-DNA im DNA-Labor gezielt hinzugefunden wurde. Ferracci-Porri berichtet außerdem darüber, dass dieses  Ergebnis nicht im DNA-Labor des LKA, sondern im Labor des Dr. Werner gefunden  wurde.

Nachtrag 17.07.2018: Leerproben
10 Jahre nach dem Mord wies der damalige Leiter der Heilbronner Polizei Rittenauer auf folgenden Zufall hin:
„Ich möchte deutlich machen, dass wir wegen der angesprochenen Zweifel lange Zeit zu den Wattestäbchen, die zur Spurensicherung verwendet wurden, Stäbchen aus derselben Packung als Leerproben mitgeschickt hatten. Und das heute Unfassbare war, dass die uwP-Spur kein einziges Mal an den Leerproben gefunden wurde, sondern immer nur an den zur Spurensicherung verwendeten“
Das ist allerdings interessant. Man müsste jetzt nur noch wissen, wie oft wie viele unbenutzte Stäbchen mitgeschickt wurden, um die Größe des Zufalls wirklich abzuschätzen. Es passt aber tendenziell zu der Hypothese, dass die Heilbronner aus einem Labor gezielt an der Nase herumgeführt wurden.

Nachtrag 23.07.2018
Die nach meiner Meinung beste Zusammenfassung der ungenügenden Prozessergebnisse ist in Tichys Einblick erschienen: „Urteil über ein Phantom“
Interessanterweise sieht auch der Autor Heilbronn als einen Schlüssel-Fall im ganzen NSU-Phantom: »Wenn Heilbronn kippt, kippt NSU-Verfahren. Wenn das kippt, haben wir ein rechtsstaatliches Problem«.

Nesactium – die schlimmen Istrier

In Istrien, Kroation, ca. 10 Kilometer östlich der Hafenstadt Pula, findet man die Ruinen der alten istrischen Hauptstadt, die später den römischen Namen Nesactium erhielt. Ein Ausflug dorthin lohnt sich, wenn das Badewetter an der Adria einmal zu wünschen übriglässt:

NesactiumLuftbild

Im Jahr 177 vor Christi Geburt ereignete sich hier eine Tragödie.

Das kleine Istrien war erstaunlich lange unabhängig von dem nahen, expandierenden und bereits sehr großen römischen Reich geblieben.

RomIstrien

Die Geschichtsschreibung nennt lapidar die Gründe für den Krieg:

„Nach dem Sieg der Römer über Karthago im 2. Punischen Krieg (218-201 v. Chr.), strebten diese die Herrschaft im gesamten Mittelmeerraum an. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf Istrien, und so waren es eher politische und wirtschaftliche Gründe, die sie veranlaßten, gegen die Histrier militärisch vorzugehen

Hochinteressant ist der Bericht des römischen Historikers Titus Livius, den Sie ganz sorgfältig und aufmerksam lesen sollten:

„Wenige Tage vorher hatten Junius und Manlius begonnen, die Stadt Nesactium, wohin sich der Führer der Histrier und ihr Fürst Aepulo selbst zurückgezogen hatten, mit aller Macht anzugreifen. Dorthin führte Claudius seine beiden neuen Legionen, entließ das alte Heer mit seinen Feldherrn, belagerte selbst die Stadt und beabsichtigte, sie mit Sturmdächern anzugreifen und gab einem Fluß, der an ihren Mauern vorbei floß und der beim Angriff ein Hindernis bildete und die Histrier mit Wasser versorge, in mehrtägiger Arbeit ein neues Bett und änderte seinen Lauf. Dies versetzte die Barbaren in Staunen und Schrecken. Aber auch jetzt dachten sie nicht an Frieden, sondern machten sich daran, ihre Frauen und Kinder umzubringen, und damit diese schreckliche Tat auch den Feinden ein Schauspiel bot, töteten sie die ganz offen auf der Mauer und stürzten sie dann hinab. Unter dem Geschrei der Frauen und Kinder und während des unsagbaren Gemetzels überstiegen die Soldaten die Mauer und drangen in die Stadt ein. Als der König aus dem bangen Geschrei der Flüchtenden merkte, daß die Stadt eingenommen war, stieß er sich sein Schwert in die Brust, um nicht in Gefangenschaft zu geraten. Die übrigen wurden gefangen oder erschlagen. Darauf wurden die beiden Städte Mutila und Faveria mit Gewalt genommen und zerstört. Die Beute war bei einem so armen Volk wider Erwarten groß und wurde ganz den Soldaten überlassen. 5632 Menschen wurden als Sklaven verkauft. Die für den Krieg Verantwortlichen wurden mit Ruten geschlagen und mit dem Beil enthauptet. In ganz Histrien kehrte durch die Zerstörung der drei Städte und den Tod des Königs der Friede ein, und alle Stämme schickten von überall her Geiseln und kamen zur Unterwerfung.“

So wird Geschichte geschrieben:
Grausam und verantwortlich für den Krieg waren die Verteidiger.
Diejenigen, die selbst offen zugaben, kühl kalkulierend das Land angegriffen, 3 Städte zerstört, Beute gemacht und 5632 Menschen als Sklaven verkauft zu haben, haben letztlich nur den Frieden nach Istrien gebracht.

Gönnen Sie sich einfach mal das Vergnügen, die propagandistischen Grundelemente dieses römischen Zeugnisses in heutigen Zeitungsartikeln zu suchen. Die Zeiten sind nicht ungünstig dafür.

 

Anmerkungen zum 2. Juni 1967

Genau heute vor 50 Jahren wurde Benno Ohnesorg erschossen, ein Ereignis, das die Bundesrepublik gespalten und sehr viel Unheil angerichtet hat. BuchSoukupIch habe damals gerade laufen gelernt und brauchte dann diese 50 Jahre, um die epochale Bedeutung, die Zerstörungskraft dieses Ereignisses wirklich zu erfassen. Erstaunlicherweise haben auch die Älteren, die Zeitzeugen, diese 50 Jahre benötigt, um sich auf eine mehr oder minder einheitliche und versöhnliche Sicht zu verständigen.

Diese Dokumentation der ARD bietet in knapp 45 Minuten einen sehr guten Einstieg in die eigentlichen Ereignisse. Der Buchautor Uwe Soukup, der auch den ARD-Film unterstützt hat, berichtet im Gespräch mit Ken Jebsen viele Details zum Fall und seinen Recherchen, wie immer etwas länger und über die eindeutig beweisbaren Fakten hinausdenkend, aber in jedem Fall ebenfalls sehr sehenswert.

Benno Ohnesorg wurde ermordet, das Recht gebeugt

Es gibt nur noch wenige Zweifel an diesen Fakten:
Der Student Ohnesorg war kein Gewalttäter. Er wurde eiskalt und grundlos ermordet, durch den Schuss und nochmals durch Verweigerung einer zügigen Rettung. Alle Zeugen, die das bestätigen konnten, wurden überhört. Die Polizisten haben ihre Aussagen abgesprochen und vor Gericht gelogen. Die Mediziner haben Beweise manipuliert. Sachbeweise sind verschwunden. Das Recht wurde in einer kollektiven Aktion gebeugt, der offensichtliche Mörder zwei Mal freigesprochen.
Auch im konservativen politischen Spektrum ist diese Einsicht inzwischen angekommen: FAZ, Tichys Einblick (Wolfgang Herles)

Einer hat es gleich gesagt: Sebastian Haffner

Im Zusammenhang mit diesen Berichten bin ich auf eine wütende Anklageschrift gestoßen, die Sebastian Haffner damals zeitnah im „Stern“ veröffentlicht hat, um die ganze Sauerei beim Namen zu nennen. Er hat den Nagel nicht nur auf den Kopf getroffen, sondern sich auch frech geweigert, die Studenten in gleicher Weise verantwortlich zu machen wie den Staat. Respekt!
Sebastian Haffner hat dieses kleine Buch über Hitler geschrieben, das mich vor 30 Jahren gefesselt hat, weil es so kurz und außer der Reihe war. Er war ein Mann mit einer blitzsauberen Weste, was den Nationalsozialismus angeht. Er ist vor dem Krieg nach England emigriert, und hat dort ein Buch geschrieben, um die britische Öffentlichkeit über das nationalsozialistische Deutschland zu informieren. Eine der zentralen Aussagen dieses Buches ist diese:
Deutschland1939

Dieses Buch mit Haffners Sicht von 1939 auf Deutschland soll Churchill zur Pflichtlektüre für sein Kriegskabinett gemacht haben.
Man muss sich fragen, ob diese Grafik nicht auch Konstanten über den Nationalsozialismus hinaus enthält. Haben Vertreter der ungefähr 40% dem Staat bedingungslos loyalen Bevölkerung, die vor allem im Staatsapparat selbst überrepräsentiert sein dürften, im Fall Benno Ohnesorg wieder staatliche Verbrechen gedeckt? War die harte Opposition auch im Jahr 1967 nur eine winzige Minderheit im Bereich von 5%? Vermutlich. Aber diese kleine Minderheit wurde von der Springer-Presse so lange zum Monster hochgeschrieben, bis buchstäblich jedes Verbrechen gegen einen einzelnen unbewaffneten Studenten vorstellbar und verteidigungswürdig wurde. Daher der Vorwurf des „Pogroms“ durch Haffner. Eine ganz andere Frage, die diesen Blogbeitrag übersteigt, ist es, warum der gemutmaßte Anteil von Nationalsozialisten in der Deutschen Bevölkerung später weit über die 20% des Emigranten Haffner hinausgewachsen ist.

Und derselbe Haffner, der 1967 die Studenten verteidigt hat, hat in diesem Buch mit dem Titel „Der Verrat“ auch die Rolle der SPD im Jahr 1918/19 kritisch unter die Lupe genommen. Er war kein entschiedener Linker, sondern ein liberaler Demokrat und Wechselwähler.  Die in Berlin regierende SPD hat ja auch im Fall Ohnesorg versagt und sich (einmal mehr) auf die Seite der etablierten Machtstrukturen, des Apparats geschlagen, wie 1914 und wie 1918/19.

Hut ab: dieser Haffner hat eine verdammt gerade Furche für einen liberalen Rechtsstaat gezogen! Dabei hat er die gnadenlose und blutrünstige Hetze der Springer-Presse („Amoklauf“-Artikel der Berliner Zeitung von 20.6.1967) und die autoritären Untertanen im Staatsapparat (Strafantrag gegen Haffner aus der Berliner Polizei) gegen sich gehabt.

Die Studenten hatten gute Gründe

Eine Konstante der Erzählungen der Studentenbewegung ist die ungeheure Radikalisierung durch den Mord an Benno Ohnesorg. Diese Radikalisierung ist verständlich, denn der ungesühnte Mord musste den Glauben an Rechtsstaat und Demokratie erschüttern und denjenigen Auftrieb geben, die einen bewaffneten Kampf vorantreiben wollten.
Aber es muss auch die Frage gestellt werden, ob diese Radikalisierung nicht auch das Ziel derjenigen war, die das Pogrom vom 2. Juni und die Rechtsbeugung offensichtlich gezielt organisiert hatten. Wer die Studenten gezielt durch Unrecht radikalisierte, konnte hoffen, auch ihre berechtigten Klagen und Ziele zu diskreditieren.
Jedenfalls ist es Unsinn, dass die Studentenbewegung von 1967/68 nur Spinner waren, die an allem Unglück schuld sind, das sich seither entwickelt hat. Diese Bewegung hatte zunächst neben weniger guten auch gute Gründe, sich zu empören, und in ihr wohnte ohne jeden Zweifel anfangs der Zauber einer jungen Freiheit und eines großen, ehrlichen Aufbruchs, der aber mit Gewalt zerstört worden ist.

Der Weg vom 2. Juni über die RAF zum Deutschen Herbst

Vom Mord am 2.Juni 1967 führte eine direkte Linie zum Terror von 1977. Diese Linie, zunächst über die „Bewegung 2. Juni“ und dann die RAF hat niemand plastischer beschrieben als Bommi Baumann, u.a. in diesem großartigen Interview (Langversion: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6). Allein seine Berliner Schnauze machen dieses Interview zu einem Erlebnis.
Aber auch Baumanns Aussagen haben es in sich und bestätigen das, was u.a. Michael Buback so bravourös herausgearbeitet hat: es muss eine Zusammenarbeit gegeben haben zwischen dem Staat, der den Mord an Benno Ohnesorg gedeckt hatte, und den Terroristen, die durch diesen Mord radikalisiert worden waren.

Aus einer Verschwörungstheorie kann Wahrheit werden

Dass Benno Ohnesorg ermordet worden sei, war bis 2009 eine sogenannte „Verschwörungstheorie“. Die Tatsache konnte also geleugnet werden mit dem Argument, dass sie sowieso nur den linksradikalen Spinnern nützt und deshalb falsch sein muss. Ein sehr aufschlussreicher Text von Heribert Seifert hat sich noch im Jahr 2001 in diesem Stil an Sebastian Haffners Parteinahme für die Studenten abgearbeitet und ihn als gutgläubigen Trottel mit in den linksradikalen Dreck gezogen.
Das änderte sich 2009 schlagartig dadurch, dass allgemein bekannt wurde, dass Karl-Heinz Kurras ein Stasi-Spitzel war. Nun konnte die Schuld am Tod von Kurras irgendwie auf die untergegangene DDR abgeschoben und damit der Mord leichter zugegeben werden. Die Gegenwehr der bundesdeutschen Staatsschützer hat also nachgelassen, so dass diejenigen ihre gut begründete Ansicht durchsetzen konnten, die schon immer von einem Mord ausgegangen waren.
Auf diesem Weg ist letztlich aus einer ehemaligen Verschwörungstheorie die heutige Wahrheit im Fall Benno Ohnesorg geworden, die in der ARD gesendet wird.

Fazit

Es ist vernünftig, in einem Fall wie dem Tod von Benno Ohnesorg dem Staat zu misstrauen und auch dann genauer hinzuschauen wenn man der Bewegung des Opfers nicht viel abgewinnen oder Fehler und Radikalisierung vorhalten kann. So wie es Sebastian Haffner 1967 gemacht hat.
Eine Bewegung, die von radikalen und sehr unangenehmen Figuren übernommen wird, kann ursprünglich legitime Ziele gehabt haben. Wer dieser bereits vor gewalttätigen Auswüchsen in der Breite die Dialogfähigkeit abspricht, wie es die Springer-Presse im Berlin des Jahres 1967 getan hat, könnte auf ein Pogrom wie das vom 2. Juni 1967 hinarbeiten. Solche Leute müssen heute nicht unbedingt bei der Springer-Presse sitzen. Hetzer und Hassprediger gibt es auch in anderen Redaktionen. Und Gewalt könnte ihnen hochwillkommen sein, um nicht Gewalttäter fertigzumachen, sondern jeden, der es wagt, sich über reale Probleme und Fehlleistungen des Staates zu beklagen: solchen von den 40 oder sogar den 20% aus Haffners berühmter Tabelle.

Nachtrag 2.8.2017
Thilo Sarrazin hat im Cicero sein Urteil über die 68er gesprochen. Es ist das Urteil eines autoritären Reaktionärs: undifferenziert und in voller Ignoranz der Punkte, in denen die Beschuldigten einfach Recht hatten, verteidigt Sarrazin umstandslos alles am Status Quo, wogegen die Studentenbewegung stand. Sarrazin zeigt sich so als der Prototyp des autoritären preußischen Sozialdemokraten, der Sebastian Haffner so verdächtig war.

Nachtrag 11.4.2018
Nach intensiverer Beschäftigung mit dem Lebenswerk Sebastian Haffners habe ich einen Beitrag dazu geschrieben. Interessanterweise begegnet man dort auch wieder dem Autor Uwe Soukup, der das Buch über den 2. Juni geschrieben hat.