Was ist schiefgelaufen?

Die Wirtschaft leidet an einem Mangel an Ethik, sagt Wirtschaftsprofessor Christian Kreiß.
Sein Beispiel Vonovia zeigt bei genauerer Betrachtung aber auch, dass die Dummheit des Staates viel damit zu tun hat.
Sozialismus ist jedenfalls keine Lösung, sondern der Staat ein wichtiger Teil des Problems.

In einem gut einstündigen Gespräch erklärt Prof. Christian Kreiß, was in der Wirtschaft in den letzten Jahrzenten schiefgelaufen ist:

Bastian Barucker im Gespräch mit Christian Kreiß

Besonders anschaulich ist das Beispiel der Immobiliengesellschaft Vonovia:

1/4 der Mietzahlungen an Vonovia soll als Dividende an die Eigentümer von Vonovia gehen. Dabei ist die hier erwähnte Durchschnittsmiete von 8 Euro/qm immer noch relativ niedrig.

Hintergrund Vonovia

Die Vonovia wurde das, was sie heute ist, Marktführer im Vermietmarkt in Deutschland, im Zuge der Privatisierung großer öffentlicher Wohnungen seit dem Jahr 2000. Startschuss war die Privatisierung der Eisenbahnerwohnungen, geplant schon von der Regierung Kohl, umgesetzt von der Regierung Schröder.
Man liest in dem Wikipedia-Artikel auch, warum die Mieten durchschnittlich immer noch günstig sind: Mietsteigerungen wurden beim Verkauf zugunsten der alten Eisenbahner beschränkt, ihnen teilweise auch ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt.

Über die Eigentümerstruktur hat Statista kürzlich diese Übersicht veröffentlicht:

Größter Einzelaktionär ist also der sog. Norwegische Staatsfonds vor Blackrock. Offensichtlich legen die ihr Geld ziemlich schlau und langfristig an: richtig interessant wird das Geschäftsmodell dann, wenn die Wohnrechte und Mietbeschränkungen mit dem Tod der ursprünglichen Bahnmitarbeiter wegfallen, also in nicht allzu ferner Zukunft.

Versagt hat der Staat

Warum hat er diese Immobilienportfolios zu ziemlich niedrigen Preisen verkauft? In diesem Bericht lese ich, dass die Deutsche Annington, die Vorgängerorganisation der Vonovia, 64000 Wohnungen für 4.1 Milliarden Deutsche Mark, also gut 2 Millarden Euro gekauft hat, macht ca. 32000 Euro pro Wohnung. Diese Eisenbahnerwohnungen liegen überwiegend in deutschen Großstädten. Egal, ob es sich im Durchschnitt um 2- oder 3-Zimmer-Wohnungen gehandelt hat, ist das heute ein absoluter Spottpreis und war damals schon günstig. Verschleuderung von öffentlichem Vermögen?

Betrieben wurde dieser Verkauf von ziemlich allen Parteien.
In Berlin etwa 2006 von der SPD unter Finanzsenator Sarrazin:

„Empirisch gebe es keinen ‚Anhaltspunkt für eine mietpreisdämpfende Wirkung der städtischen Wohnungsbaugesellschaften'“
Verschleudert hatte er schon zuvor 72000 Wohnungen für 2.1 Milliarden Euro: knapp 30.000 Euro/Wohnung.

2013 hat Finanzminister Söder Dasselbe mit der GWB getan. Der Verkaufspreis für 33000 Wohnungen überwiegend in bayerischen Großstädten lag bei 2.45 Milliarden Euro, macht ca. 74.000 Euro/Wohnung. Der Verkaufszeitpunkt war da besser, der steile Anstieg der Immobilienpreise war bereits im vollen Gang, aber der Preis aus heutiger Sicht immer noch ein Schnäppchen.
Dass Söder wusste, dass das billig war, machte sein Einstieg beim Käufer Patrizia deutlich:

Mietpreisanstieg auch durch Zuwanderung

Warum hat der Staat die Wohnungen im öffentlichen Besitz so günstig verkauft. Zumindest offiziell gab es keinen Glauben an eine deutliche Wertsteigerung, u.a. wegen der Demografie:

Es ist bekanntlich ganz anders gekommen! Statt Leerstand und Abriss gibt es einen eklatanten Wohnungsmangel in den meisten Regionen, der die Mieten weiter treiben dürfte. Verantwortlich dafür ist auch der Staat, der seit 2014/15 eine aggressive Einwanderungspolitik betreibt. Und das treibt selbstverständlich die Nachfrage nach Wohnraum und damit die Preise und die Gewinne der Wohnungsunternehmen. Gebaut wird ja inzwischen auch sehr viel weniger.
Dass er selbst bald eine solche Politik machen und den Wert existierender Wohnungen treiben würde, hat der Staat selbst nicht geahnt, als er diese Wohnungen billig verscherbelte! Der Staat ist also kein besonders intelligenter Akteur auf dem Immobilienmarkt. Die Käufer seiner Wohnungen waren offensichtlich schlauer als er.

Gipfel der Dummheit erreicht?

Seit wenigen Jahren kauft der Staat wieder Wohnungen zurück, weil er denkt, es sei eine gute Idee, Wohnungen zu kaufen, wenn sie die größte Preissteigerung bereits hinter sich haben.

Berlin kaufte 2021 Wohnungen von der Vonovia zurück: 14.754 Wohnungen für 2,4 Milliarden Euro, also im Durchschnitt 162000 Euro pro Wohnung, mehr als das Fünffache der Preise, für die Wohnungen gut 20 Jahre früher verscherbelt wurden!

Und in Bayern sieht es ähnlich aus. Die Stadt München kaufte 2023 GWB- Wohnungen zurück, die Söder 2013 verkauft hatte: für 125 Millionen Euro 230 Wohnungen, macht einen Stückpreis von schlappen 543000 Euro, etwa einen Faktor 7,5 mehr als der durchschnittliche Verkaufspreis 10 Jahre früher!
Unter dem Strich bleibt eine Misswirtschaft, die ihresgleichen sucht: Der Staat agierte als prozyklischer Idiot auf dem Immobilienmarkt und verschleuderte Steuergelder sinnlos zugunsten der Gewinne privater Unternehmen.

Der Staat ist nicht die Lösung

Es ist keine gute Idee, einem Idioten noch mehr Macht und Geld zu geben. Deshalb gebe ich Christian Kreiß recht, dass Sozialismus keine Lösung ist.
Eine Lösung ist schwer, wie das Beispiel Vonovia zeigt, und viele müssten dafür schlauer werden, vor allem die Wähler.
Die Dummheit der Politik könnte dagegen auch vorgetäuscht sein. Und das wäre dann tatsächlich Korruption.

Ein Gedanke zu „Was ist schiefgelaufen?“

  1. Warum auch sollte Sozialismus ein Lösung sein, bzw. ist keine Lösung für Sie, aber anscheinend für andere? Da spielt doch auch nichts als die „links-rechts“-Denkverhinderungs-Schablone mit rein. „Sozialismus statt Kapitalismus“ versus „Kapitalismus (wurde früher als „Freiheit“ verkauft) statt Sozialismus“ („Freiheit statt Sozialismus“ war eine Wahlplakate-Werbespruch der cDU/cSU zu Strauß-Zeiten).

    Man will uns gezielt denken machen, dass es nur diese beiden Alternativen gäbe. Und nichts sonst. Und da beginnt die Denkverhinderung.

    In kurz und in etwa: in einer realen Demokratie

    – die nur kleinteilig und basisdemokratisch aufgebaut sein kann, von unten herauf, nicht „top down“ wie unsere angebliche Demokratie heute, bestimmt jede „demokratische Zelle“, das kleinste Element der Demokratie, dessen Größe damit begrenzt ist, dass prinzipiell darin jeder jeden kennen könnte, sprich, Gewählte in direktem, persönlichen Kontakt mit den Wählenden sind, für jeden tatsächlich und effektiv persönlich erreichbar sind, alle erwachsenen Beteiligten sich in einem großen Raum oder auf einem großen Platz zusammenfinden könnten, –

    würde jede dieser Zellen alles Entscheidende für sich selbst demokratisch festlegen: ob sie sozialistisch, kapitalistisch – oder ganz anderes zusammen leben und zusammen wirtschaften wollen. Eigentum, Handel, Geldsystem – jede demokratische Zelle müsste das maximale Selbstbestimmungsrecht haben, das überhaupt möglich ist. Nur so etwas könnte man tatsächlich eine Demokratie nennen.

    Sprich: Sozialismus oder Kapitalismus oder Wasweißichismus ist nichts primäres, sondern höchstens immer erst etwas sekundäres. Zuerst steht das Selbstbestimmungsrecht des Menschen und der mit ihm zusammen verfassten Gemeinschaft. Alles andere ist Diktatur. Aufgepfropfte Heilslehre. Zwang. Vergewaltigung. Punkt.

    Wirklich Demokraten sind nicht für oder gegen Sozialismus, für oder gegen Kapitalismus – sondern einzig und alleine für die maximal mögliche Selbstbestimmung der Menschen und deren Basisgemeinschaften – und also auch damit einverstanden wenn diese irgendwie sozialistisch zusammenleben wollten, oder irgendwie kapitalistisch. Nur das ist Freiheit: selbst und unmittelbar mit seinen Nächsten zusammen entscheiden, wie und was man will und macht.

    Im Großen gilt: Sozialismus ist genauso antidemokratisch wie Kapitalismus. Was bei letzterem das unheilvolle Wirken der Geld-Reichen ist, ist bei ersterem das unheilvolle Wirken der Macht-Reichen. Im Ergebnis das gleiche: Menschen mit asozialem und kranken Charakter kommen in Leitpositionen und vergiften das Leben aller anderen. Sowohl Sozialismus wie auch Kapitalismus werden immer übergestülpt. Und es wird so getan wie wenn die Welt des Politischen strickt dichotomisch wäre, also nur das eine oder das andere – und sonst nichts – möglich und denkbar wäre ….

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