Grüner Zeitgeist schwer beleidigt

Das Urteil von Miesbach zeigt, wie wehleidig viele Politiker und Staatsanwaltschaften in Deutschland geworden sind. Offensichtlich haben sie auch (zu) viel Zeit für Blödsinn.
Die Tücke steckt wie immer im Detail und lässt Raum für intelligente Spielchen.

Das Urteil in Miesbach wurde gesprochen: diese beiden Plakate vom September 2023 waren als Meinungsäußerung zulässig:

Der Unternehmer, gleichzeitig CSU-Mitglied, der diese nicht selbst gemacht, aber im Landtagswahlkampf an prominenter Stelle in Gmund am Tegernsee aufgestellt hatte, hat einen Strafbefehl über 6000 Euro, den die Staatsanwaltschaft gegen ihn angestrengt hatte, abgewehrt:

Eigentlich ein sonnenklarer Fall

Der Fall hatte mich schon vorher gewundert:

Wenn dieser Strafbefehl durchgegangen wäre, wäre der Artikel 5 GG, Meinungsfreiheit, weitgehend hinfällig gewesen.
Jede mäßige Wahlkampf-Polemik gegen den politischen Gegner wäre ein unkalkulierbares Risiko geworden. Ebenso das, was vor 20 Jahren noch eine Karnevals-Gaudi war und keinerlei juristische Folgen hatte:

Viel deftiger und doch nicht einmal ein Skandal im Werk des Künstlers

Das Urteil

Und so fiel dann auch das Urteil aus:
„Das war eine zulässige Meinungsäußerung“
Entscheidend dafür sei die erkennbare Auseinandersetzung in der Sache gewesen ✅

Das Urteil ist richtig und erfreulich, wie andere zuvor auch, aber die Staatsanwaltschaften versuchen es häufiger und mit grotesker Wehleidigkeit: „entmenschlichend“ (vgl. Plakate oben!)
Wie konnte es dazu kommen?

Auffälligkeit 1: Neue Gesetze ermutigen Vorgehen

Dass Politiker heute gegen solche Plakate vor Gericht ziehen und dabei auf Erfolg hoffen, hängt eng mit einer Gesetzesänderung zusammen, die erst im April 2021 in Kraft trat:

und dort vor allem die § 185 (für Beleidigung allgemein max. 2 statt 1 Jahr) und § 188 StGB (besonderer Schutz vor Beleidigung für Politiker: 3 Jahre Höchststrafe bei Beleidigung, 5 bei übler Nachrede!).
Der Trend der Rechtsetzung geht also stärker gegen Meinungsfreiheit und zur Repression von Kritik an Politikern. Die Grenze zur üblen Nachrede und Beleidigung ist Ermessenssache bzw. Willkür.
Bereits im September 2021 sorgte der Fall des Hamburger Innensenators Grote für Aufsehen, der sich durch „Andy, Du bist so 1 Pimmel“ beleidigt fühlte, was zu einer unverhältnismäigen Durchsuchung einer Wohnung führte, in der der Beschuldigte außerdem nicht mehr wohnte. Auch das eigentliche Strafverfahren wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt.
Der Fall spielte sich übrigens im linken Hamburger Milieu ab, so dass es auch bunte Wandgemälde dazu gab:

Es ist offensichtlich, dass Politiker zunehmend gegen Beleidigung ihrer Majestät vorgehen wollen und dabei auf willfährige Staatsanwaltschaften setzen können.
Dabei wurde die eigentliche Majestätsbeleidigung erst 2018 aus dem Strafrecht gestrichen, um Personen wie Jan Böhmermann mit seiner viel härteren Beleidigung Erdogans zu schützen.
Jetzt soll sie durch die Hintertür für viel geringere Dinge und mit viel mehr Begünstigten zurückkehren?

Auffälligkeit 2: Dumme Außenministerin

Erst beim Gerichtstermin kam (durch den Richter) in die Öffentlichkeit, dass die Strafanzeige gegen die Plakate in Gmund von Annalena Baerbock gestellt worden war.
Ihr ist es also zu verdanken, dass diese Plakate und der Strafbefehl bundesweit bekannt geworden sind und jetzt herumgereicht werden mit dem Hinweis: „Das geht also noch!“. Mit etwas mehr gesundem Menschen- oder gar Sachverstand hätte sie diese Anzeige wohl nicht gestellt wegen der schlechten Erfolgsaussicht, Schutz der Meinungsfreiheit oder wenigstens wegen des sog. Streisand-Effekts.

Auffälligkeit 3: Mitmachende Medien

Auffällig war auch, dass im Gmunder Fall selbst die vermeintlich konservativen Regionalmedien im September 2023 keine Kritik an Hausdurchsuchung und Strafbefehl äußerten.

Vorwürfe, denen sich der Journalist des Merkur stellen muss:

  1. Die Beleidigung wurde als Tatsache dargestellt, nicht als Ansichtssache
  2. Polizei wurde als Kronzeuge für vorliegende Beleidigung zitiert, obwohl sie zu diesem Urteil nicht befugt ist und nur in Reaktion auf den Verdacht einer Straftat und staatsanwaltlicher Ermittlungen handelt
  3. Die Plakate wurden dem Leser vorenthalten, so dass er sich kein eigenes Urteil bilden konnte (notwendig für Punkt 1 und 2!)
  4. Stattdessen wurde mit einem lupenreinen PR-Foto für die Grünen bebildert
  5. Grüne Propaganda von „Verrohung der Gesellschaft“ wurde 1:1 als Fakt wiedergegeben
  6. Es gab auch im Text keinerlei Hinweis auf die Frage der Verhältnismäßigkeit des Vorgehens gegen die Plakate
  7. Die Tatsache, dass auch eine Hausdurchsuchung wg. der Plakate stattgefunden hat, wurde komplett unterschlagen (wichtig für Punkt 6)

Im Ergebnis hat der Merkur hier zu 100% für die grüne Klägerin und die Staatsanwaltschaft Partei ergriffen, nicht journalistisch berichtet.
Das Urteil müsste eigentlich eine Ohrfeige für den Journalisten sein.

Auffälligkeit 4: Genehmigender Richter

Die Anklagebehörde hat sich furchtbar wehleidig für grüne Befindlichkeiten gezeigt und ein wenig lächerlich gemacht. Interessanterweise ist sie aber auch an Weisungen des CSU-Justizministers gebunden. Dieser hätte also eine Anklage legal verhindern können, wenn er gewollt hätte, was aber als Parteinahme gegen die Grünen heikel gewesen wäre.

Für das Strafbefehlsverfahren entscheidend ist aber der Richter, der den Antrag der Staatsanwaltschaft durchlassen muss, und zwar am selben Gericht, an dem jetzt der klare Freispruch erfolgt ist. Wie kann das sein?
Der Richter hat es im Urteil angedeutet:
„Damit (mit der Einlassung des Angeklagten im Verhandlungstermin) ist eine Abwägung jetzt möglich“.
Ausrede? Erstens ist diese Abwägung bereits aus den Plakaten selbst zu treffen, in denen Habeck auch wörtlich und korrekt zitiert wird: klarer Sachbezug. Zweitens dürfte der Beklagte sich bereits gegenüber der Polizei so geäußert haben. Jedenfalls haben seine Anwälte von Anfang an so gegen den Strafbefehl argumentiert.

Die Frage ist, ob ein(e) Richter(in) den Strafbefehl ohne sachliche Prüfung unterschrieben hat oder ob man zunächst parteiisch war oder ob evtl. ein schlaueres Spiel (über die Bande) gespielt wurde (s. Fazit).

Fazit

Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland seit Jahren ganz deutlich in Rückzugsgefechte verwickelt.
Grüne Politiker an der Macht agieren dabei wie SPD-Politiker ganz besonders selbstgerecht, wehleidig und unklug und handeln sich damit leichte Niederlagen ein, die ihnen politisch schaden.
Bei dem Fall in Miesbach würde ich nicht ausschließen, dass die Grünen letztlich einer CSU-Connection ins offene Messer gelaufen sind:

1. CSU-Mann geht die Grünen an
2. Baerbock klagt unüberlegt
3. Staatsanwaltschaft springt an
4. CSU-Justizminister schaut interessiert zu
5. Richter unterschreibt „fahrlässig“ den Strafbefehl
6. CSU-Mann empfängt diskrete Signale, dass Klage vielversprechend ist
7. Richter fällt korrektes Urteil
=>Grüne kassieren maximale Niederlage durch bundesweites Medienecho

Das Wichtigste für mich ist aber die Lehre für Leute, die sich politisch äußern
Regel 1: keinen Scheiß raushauen, der nur beleidigt oder gar bedroht
Regel 2: sich nach Einhaltung von Regel 1 durch Klagedrohungen oder gar Strafbefehle nicht leicht einschüchtern lassen, sondern standhaft bleiben.

Es wird nämlich viel Käse zur Einschüchterung angedroht, und der Käse wird manchmal auch lange von Jounalisten, Staatsanwälten und Richtern weitergerollt, bevor er ernsthaft geprüft wird.
Von dem verlinkten Fall ist bei mir bis heute, 15 Monate später, nichts angekommen, obwohl ich da beteiligt und gemeint war. Natürlich gab es da keine „Verhöhnung“, sondern eine Diskussion über die Frage, ob und warum sich Todesfälle statistisch gehäuft haben: Typische T-Online-Lüge. Man sollte sich nicht von jedem Käse einschüchtern lassen!
Es gibt sogar ernsthafte Leute, die behaupten, dass in Medien zur Einschüchterung über Verurteilungen in ähnlichen Fällen berichtet wird, wo niemals ein Verfahren stattgefunden hat: zu 100% echte Fake News eben.

5 Kommentare zu „Grüner Zeitgeist schwer beleidigt“

  1. Lieber Andreas, solche latent frauenfeindlichen Plakate wie das Obere sind einfach nur dümmlich. Es ist nichts lustig daran, eine übergewichtige Frau als Dampfwalze darzustellen und die Außenministerin als Kleinstkind (während Habeck zumindest Teenager sei). Als Juristin würde ich zumindest die Dampfwalzendarstellung durchaus als hart an der Grenze zur Beleidigung werten. Die Strafanzeige von Frau Baerbock ist allerdings auch in der Hinsicht keineswegs dumm oder naiv (sie ist nämlich kein Kleinstkind…), dass die Tatsache, dass damit in mehr Medien über diese Plakate berichtet wird, bei entsprechend mehr Menschen die Reaktion auslösen wird, die ich auch hatte: Was für ein widerliches dümmliches frauenfeindliches Plakat.
    Und damit wird es dann leider wieder sehr erschwert, über das, was an der Politik der Grünen tatsächlich sehr problematisch ist (z.B. die Impfpolitik, und die Russland-/ Ukraine-Politik) objektiv kritisch diskutieren zu können!
    Weil jeder Person, die das tut, mit genau solchen Plakaten entgegen gehalten wird, wegen Kritik an den Gründen rechts und AfD zu sein und nationalistische patriarchalische Parolenschreier zu bedienen (ich habe es übrigens auch nicht mit dem „Vaterland“, denn es ist Elternland! Dass ich überhaupt auf / in diesem Land lebe, habe ich nämlich vor allem meiner Mutter zu verdanken.)
    Einer echten sachlichen und wertschätzenden Dialog- und Debattenkultur sind solche Plakate einfach nur abträglich. Und das hat nichts mit Überempfindlichkeit zu tun.

    Herzliche Grüße
    Maren

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    1. Liebe Maren,
      Dümmlichkeit war noch nie strafbar und ist es weiterhin nicht.. Dabei ist nicht einmal klar, ob Ricarda Lang als Dampfwalze dargestellt ist oder auf einer Dampfwalze sitzend. Nur das übergroße Kleid, das auch die Walze noch bedeckt, hat dann noch einen despektierlichen Charakter. Der zumindest dürfte aber wohl beabsichtigt sein. Man fragt sich bei ihr ja, ob es ihre Aufgabe ist, solche Attacken auf sich zu ziehen.
      Im erwähnten Beispiel mit Hamburgs Innensenator Grote, der als ‚Pimmel‘ angesprochen wurde, wäre zum Vergleich keiner auf die Idee gekommen, das als ‚männerfeindlich‘ zu bezeichnen, auch nicht ‚latent‘. Warum nicht? Grote ist einfach unterlegen, ohne dass sich die Männerwelt mit ihm über die Maßen solidarisiert hätte. Auch nicht vergessen sollte man, dass Habeck 2 Plakate bekommen hat. Er scheint also als Wirtschaftsminister die eigentliche Zielscheibe gewesen zu sein, was für einen Unternehmer nachvollziehbar ist. Die beiden Frauen nimmt er offensichtlich weniger ernst, gut, aber Özdemir auch.
      Man muss diese Plakate sicher so nicht aufhängen oder gut finden, die Frage war aber, ob sie strafbar sind. Und die Antwort lautet da zum Glück Nein.
      Herzliche Grüße

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      1. Danke für deine Antwort! Wie u.a. aus meinem heutigen Blogbeitrag ersichtlich, halte ich dieses ständige andere bestrafen Wollen, das bei vielen Menschen leider tief verwurzelt zu sein scheint, ebenfalls für sehr problematisch. Da stimme ich dir zu. Das kommt allerdings ja irgendwie auch „von allen Seiten“, die jeweils Andersdenkenden bestrafen zu wollen.
        Über das Frau – Mann – Thema (und die Solidarität „der Männerwelt“, und die aus meiner Sicht leider eher wenig vorhandene Solidarität „der Frauenwelt“ untereinander) könnte ich mit dir jetzt lange diskutieren. Aber über Kommentarspalten bringt so eine Diskussion vermutlich wenig Nutzen, zumal, ohne sich persönlich zu kennen. Denn das gleitet dann allzu leicht in Vorurteile oder Schubladendenken ab. Und beides mag ich überhaupt nicht.

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      2. Danke für die beiden Kommentare, mit denen ich keinerlei Probleme habe. Ursprünglich wollte ich schreiben, dass ich die Plakate hier für keinen Kunstpreis vorschlagen will, habe es aber am Ende versäumt.

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